Musiker in der Stadt
Musiker in der Stadt: Vorbemerkung
Die Literatur zu mittelalterlichen “Spielleuten” (Minstrels) und ihrem Sozialstatus ist umfangreich, vor allem für das Gebiet des heutigen Deutschland.[1] Hier sei die Rede von den in Städten der Region Österreich tätigen Musikern, über deren berufliche und persönliche Verhältnisse noch wenig bekannt ist.[2] Manche Nachrichten über deutsche und andere Regionen können sinngemäß übertragen werden.[3]
Berufsmusiker und Gesellschaft
Musizieren in der Stadt kann, wie jede kulturelle Aktivität, aus drei Perspektiven beschrieben werden: Es gibt erstens die “etische”, auch einem Ortsfremden mögliche, Schilderung der akustisch-musikalischen Umwelt – des soundscape oder der Klang-Aura (» E. Klang-Aura); zweitens das “historische” Erzählen der Ereignisse und Entwicklungen, fokussiert auf bestimmte Institutionen und Zeitabschnitte (» E. Städtisches Musikleben), und drittens das “emische” Nachvollziehen des Lebens von seinen kollektiven Bedingungen her. Die letztgenannte Perspektive, die hier soweit wie möglich eingenommen werden soll, erfasst die Stadtmusiker als eine durch ihre Tätigkeit identifizierte Gruppe. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt mit Musik, übten also diese Kunst als “Beruf” aus und identifizierten sich selbst damit.
“Musiker in der Stadt” des 14. bis 16. Jahrhunderts waren nicht nur die Musiker in städtischen Diensten, sondern auch viele andere, die in einer Stadt lebten, jedoch Adligen oder Fürsten dienten oder keine feste Anstellung hatten und jedenfalls viel auf Reisen waren. Schon in früheren Jahrhunderten hatte das Wandern der Spielleute – das ihre gesellschaftliche Diskriminierung mit motivierte – keineswegs immer mangelnde Ortsbindung bedeutet. Im Spätmittelalter waren wohl die meisten Berufsmusiker in Städten ansässig. Sie bewohnten eigene oder gemietete Häuser mit ihren Familien, wo sie ihre Kinder musikalisch ausbildeten; sie besuchten Gottesdienste in ihrer Pfarre und waren Mitglieder geistlicher Bruderschaften, die für das Seelenheil verstorbener Familienmitglieder beteten (» Kap. Musikergenossenschaften). Der städtische Rahmen bot ihnen Verdienstmöglichkeiten auf vielen verschiedenen Rangstufen, von der offiziellen Repräsentation weltlicher und kirchlicher Macht bis hin zum Aufspielen bei Jahrmärkten und Tanzfesten von “arm und reych”, wie es in den Stadtrechnungen von Hall i.T. heißt.[4] Die Orte, an denen Musiker auftreten konnten, waren zwar gewöhnlich offiziell reglementiert (» E. Kap. Klang-Aura und soziale Strukturen), jedoch sehr vielfältig. Berufsmusiker spielten nicht nur auf Straße und Marktplatz, sondern auch (unter bestimmten Umständen) in der Kirche, auf dem Kirchturm, in der Burg, auf dem Wasser, im Rathaus, im Stadtgarten, auf Stadttürmen und -mauern, in Tavernen oder gar im Pfarrhaus – wie Paolo Santonino aus Gonobitz/Slovenske Konjice (Slowenien) berichtet.[5] Stadtmusik selbst war ein Gemisch einheimischer und fremder Darbietungen, was die Mentalität der Musiker ebenso beeinflusst haben dürfte wie die ihrer Hörer.
Wir sollten jedoch – historisch gesehen – deutlich unterscheiden zwischen dem hochmittelalterlichen Typus des fahrenden, rechtlosen, moralisch verachteten “Spielmanns” und dem seit dem 14. Jahrhundert entstehenden Typus des städtischen, steuerzahlenden Berufsmusikers, der bürgerlichen Status erwerben oder diesen von vornherein besitzen konnte.[6] Besonders Stadttrompeter konnten bisweilen das volle Bürgerrecht erwerben, wie z.B. in Salzburg 1501.[7] Die „Trompeterprivilegien“, die König Sigismund im frühen 15. Jahrhundert mehreren Städten verlieh, wurden als eine Art Nobilitierung der Kommunen verstanden (weshalb sie auch Widerspruch hervorriefen),[8] parallel etwa zu den Wappen- und Privilegienverleihungen durch die Herrscher. Für die Musiker der so privilegierten Städte – nicht überall gab es ja Trompeterprivilegien – entstanden hier neue wirtschaftliche und soziale Chancen, die außer den Trompetern auch anderen Berufen zugute kamen, vor allem den Stadtpfeifern, deren Aufgaben oft mit denen der Trompeter verschränkt waren. Rangunterschiede zwischen diesen zwei wichtigsten städtischen Berufsgruppen kommen gelegentlich zur Sprache; zahlreicher sind jedoch die Nachrichten über friedliche Zusammenarbeit (» Kap. Musikergenossenschaften). Auch zwischen städtischen und höfischen Musikern gab es viele Verbindungen.[9]
Musiker in der Stadt, die ihren Lebensunterhalt durch musikalische Praxis verdienten, waren selbstverständlich auch Kirchenmusiker wie Organisten, Kantoren und Kapellsänger. Persönlichkeiten wie der Organist und Komponist Paul Hofhaimer, der Beamte und Kantor Hermann Edlerawer oder der fürstliche Herold, Dichter und Spruchsänger Michel Beheim waren zwar im Sozialstatus vielen ihrer Kunstgenossen weit überlegen, sie illustrieren jedoch unseren Zusammenhang ebenfalls. Ihre Karrieren zeigen nämlich, wie weit nach oben auf der sozialen Leiter Frau Musica jemanden führen konnte (vorausgesetzt, er war ein Mann).
Uhrmeister und Glöckner im öffentlichen Signalwesen
Die öffentliche Signalfunktion der Turmuhr[10] erforderte ursprünglich einen angestellten Türmer, der das Weckzeichen der Uhr befolgte, um die Turmglocke anzuschlagen (» E. Kap. Uhren). Nach und nach bekamen Turmuhren jedoch eigene Schlagwerke, so dass der Türmer sie nicht mehr selbst bedienen musste. Eine frühe Kirchenrechnung von St. Stephan in Wien belegt vielleicht die Einrichtung eines Schlagwerks: Im Jahre 1417 versah Meister Hanns von Prag die Uhr mit “Hamerstil, Schewe und Hamergerust”, wofür er 3s. 15d. erhielt.[11] An St. Michael in Wien entlohnte der Kirchmeister in den Jahren 1433, 1435, 1444, 1446 und 1483 einen „”Uhrmeister”, der 1444 die Zifferblätter (neu) zu malen und 1483 die Uhr insgesamt neu zu renovieren hatte.[12] Spezialisierte Handwerker wie diese waren vermutlich für viele Kirchen tätig, wenn nicht sogar für verschiedene Städte.
Natürlich waren nicht alle Dienste permanent besetzt. Als der Wiener Stadtrat im Jahre 1379 Glockenläuter zu jedem Quatember (Vierteljahr) bezahlte, waren diese nicht etwa der Kirchmesner und seine Gehilfen (die von der Kirche selbst entlohnt wurden), sondern eigens von der Stadt engagierte Personen.[13] Zusätzliche Glockenläuter wurden oft zu besonderen Anlässen engagiert; unter diesen kurzfristig verpflichteten “Knechten” könnten auch arbeitslose Musiker gewesen sein. Die Stadtverwaltungen, die fast überall Mitverwalter oder gar Besitzer mindestens einer Kirchenglocke waren, setzten Glockengeläut nicht nur zum Stundenschlag ein, sondern auch zur zivilen Warnung und rechtlich relevanten Mitteilungen wie nächtlichen Ausgangssperren und der Verkündigung des Marktfriedens zu Beginn der Markttage.[14]
Zahlreiche Belege betreffen die Anfertigung und Erneuerung der Turmglocken in Wien, wobei Glockengießer (für den Mantel) und Schlossermeister (für Schwengel und Aufhängung) auch namentlich bekannt werden.[15] In der Stadtrechnung von 1369 ist ein “ulrich glokkengiesser” genannt; einer desselben Namens hinterlässt 1425 ein Testament.[16] Im Jahre 1451 war der Glockengießer, Thomas Kren, zugleich städtischer “Büchsenmeister”, also Waffenschmied (» E. Wiener Glocken und Glöckner). Einen Glockengießer zu Linz erwähnen die Steuerregister der Stadt von 1504 und 1505 zusammen mit einem nicht namentlich genannten Saitenmacher.[17]
Stadttrompeter: Signalwesen und Repräsentation
Reguläre Dienste für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Signalwesens und der städtischen Repräsentation wurden naturgemäß von vertraglich fest angestellten und entlohnten Personen durchgeführt.[18] In Wien nehmen seit ca. 1440 die besoldeten “trummeter” eine ganze Seite der Jahresrechnung für sich ein. Sie sind städtische Angestellte und erhalten ihren “sold”: 1444 waren es vierteljährlich je 6 lb. 4 s.[19] Außerdem wird den Trompetern, Pfeifern, Paukern und Herolden – ebenso wie anderen städtischen Bediensteten – jedes Jahr ein in den Stadtfarben gehaltenes “Hofgewand” angewiesen, das sie öffentlich zum Zweck der Repräsentation tragen. Es besteht 1444 aus 12 Ellen „rotem Tuch“ (85 d. pro Elle), einem Viertel “weißem Fridberger” (60 d.) und als Unterkleidung 12 Ellen weißem Tullner Tuch (24 d.). » Abb. Stadttrompeter in Wien 1444: Sold und Hofgewand.
Personaländerungen werden in den Rechnungen genau registriert; so bezahlt der Wiener Stadtkämmerer 1438 “dem alten trummeter auf dem turn von weichnachten unz [bis] an vasschang [Fastnacht] 8 wochen per 60 d. facit 2 lb.d.”, und “dem newn trummeter von vaschang unz auf weichnachten macht 44 wochen per 40 d. facit 7 tl. 80 d.”[20] Der Neuanfänger erhielt also einen merklich geringeren Lohn (2/3) als der Vorgänger am Ende seiner Karriere. Die Gehälter schwankten ohnehin in der Zeit zwischen 1438 und 1452 zwischen zwei und fünf Schillingen (60-150 d.) pro Woche.
In Wien gab es zwei, am Ende des Jahrhunderts drei festbesoldete Turmwächter. Sie wohnten auf dem Stephansturm, wo sie nachts und auch zur Winterszeit ausharren mussten. Wegen dieser regulären Wachdienste konnten sie nicht zu jedem Anlass in der Stadt auftreten; jedoch wurden sie je nach Eignung auch zu Festlichkeiten oder zum Kriegsdienst herangezogen und dann zeitweise auf dem Turm durch andere ersetzt. Das betraf z.B. den Trompeter und Turmwächter Meister Erhart Lindner, der 1476 mit seinem Sohn Frank zu Erzherzog Maximilian gesandt wurde (» Kap. Verschiedene Aufgaben). Die Trompeter, die bei öffentlichen Anlässen wie Scharlachrennen, Fürstenempfängen und Fronleichnamsprozessionen auftraten, waren natürlich vorzugsweise die offiziellen Stadttrompeter, denen je nach Bedarf andere Musiker beigesellt wurden, z.B. Pfeifer und öfters ein Pauker.
Viele nichtmusikalische Wachdienste auf Tortürmen und Mauern wurden an temporär beschäftigte Personen vergeben: Unter ihnen waren besonders in Kriegszeiten auch ehrbare Bürger, wie z.B. 1457 der vormalige Stephanskantor Hermann Edlerawer (» E. Kap. Trompeter als Turmwächter).
In Hall i.T. konnte der Stadtrat dank einer Stiftung Herzog Rudolfs IV. den Wächtern auf dem Turm der St.-Nikolaus-Pfarrkirche ein Jahresgehalt von je 80 lb. zugestehen.[21] Die Wachtleute waren in “Tagwachter” und “Nachtwachter” eingeteilt; diese Unterscheidung liegt auch der Salzburger Dienstordnung von 1503 zugrunde (» E. SL Dienstregelung der Salzburger Nachtwächter). Außerdem unterschied man in Hall zwischen “Wachtern” und “Turnern”.[22] Die letzteren waren Trompeter und hatten neben ihren Hauptaufgaben, dem Wachen und täglichen Signalblasen zum Morgen und Abend, viele andere öffentliche Zwecke zu erfüllen, vor allem das Begrüßen prominenter Gäste und Verkünden wichtiger Ereignisse. 1484 kamen die Turner “12 Tage nicht vom Turm”, da sie wegen der Innsbrucker Herzogshochzeit so viele Gäste anblasen mussten.[23] Andererseits erwähnt eine Innsbrucker Dienstordnung des 16. Jahrhunderts die Pflicht des Turners, nicht vom Turm herabzugehen, “er blase denn jemand an”: Er befand sich dazu also auf der Straße.[24]
Die Arbeitsteilung war in Hall i.T. meist so, dass der Turner die Tagwacht und einen Teil der Nachtwacht übernahm; er bewohnte auf dem Turm die stattliche Turnerstube, wo ihm tagsüber seine Familie und mehrere Knechte Gesellschaft leisten konnten. Für den Rest der Nacht waren nur die Wachter oben.[25] Im Jahre 1412 bezahlte man den Wachtern ein Seil, damit sie sich das Essen hinaufziehen lassen konnten.[26] Bis 1520 gab es in Hall gewöhnlich nur einen festangestellten Turner mit einem Assistenten, der ab 1517 “Zuhälter” genannt wird.[27] Der Überblick über Rekrutierungen (oft aus anderen Städten) und Entlassungen der Turner deutet auf ein hartes Berufsleben;[28] die Musiker gingen öfter freiwillig fort als sie entlassen wurden, obwohl ihre Besoldung im Vergleich mit anderen Städten hoch war.
Aus Steyr wird berichtet, dass der Turnermeister ein 1480 erbautes Wachthaus am Tabor (Burgberg) bewohnte, jedoch 1528 in die Turmstube der Stadtpfarrkirche übersiedelte.[29]
Die Turner spielten eine ganze Familie von Blechblasinstrumenten, deren Benennungen zwischen “Trompete“ und „Posaune“ schwanken; daneben wurde oft noch das ältere “Turnerhorn” verwendet (» E. Hörner- und Trompetenschall). Schon 1509 ist auch der Zink (cornetto) als Türmerinstrument abgebildet.[30] Instrumente für die Turner bereitzustellen war Aufgabe der Stadtverwaltungen. Das Besitzinventar des Wiener Stadtkämmerers von 1435 nennt “zwo trummeten die hat der Wachter”, sowie “ain seidene freuntschen [Futteral] zu ainer trummetn”.[31] Eine weitere Trompete wurde 1441 für 4 gr. angefertigt.[32] Der Salzburger Rat beschaffte 1486 von dem Büchsenschmied und Munitionsmeister Niclas Kaltsmid zwei Posaunen, die er offenbar von auswärts gekauft hatte und “verlängern” musste, und ein Turnerhorn für (insgesamt nur) 6 fl. 6 s. 4 d.[33] In Hall wurde 1502 “zum Bedarf der Turner” ein Horn aus Messing zum “klein blasen” aus Nürnberg bestellt, was einschließlich des Fuhrlohns 18 lb. 1 kr. 3 d. kostete.[34]
Repräsentation und Unterhaltung: Turmbläser und Stadtpfeifer
So wie die Trompeter zugleich dem Signalwesen und der Repräsentation dienten, so umfasste die Funktion der Stadtpfeifer Repräsentation und Unterhaltung. Besonders bei öffentlichem Musizieren waren Repräsentation und Unterhaltung (“Kurtzweil”) weitgehend dasselbe. Martin L. Fiala sieht in Steyr einen historischen Zusammenhang zwischen Stadtpfeiferei und Stadtturnermeister:
“Bei Festveranstaltungen der Bürgerschaft und auch bei offiziellen Anlässen spielte bereits im 15. Jahrhundert eine eigene Stadtkapelle auf, die vermutlich aus der im Mittelalter vorhandenen Stadtpfeiferei hervorgegangen ist. Diesen Verband der Musiker leitete der Stadtturnermeister, dem drei bis vier Gesellen und einige Lehrlinge unterstellt waren.”[35]
Die Entwicklung der Stadtmusik war kein geradliniger Fortschritt von Signalfunktion zu musikalischer Unterhaltung. Die Aufgaben der Turmbläser und der Stadtpfeifer entwickelten sich nebeneinander, wobei (jedenfalls in Wien und Hall i.T.) die Letzteren eine Art Junior-Gruppe ohne ganzjährige Besoldung bildeten. Die Türmer durften sich wegen ihrer besonders verantwortlichen Funktion anderen Stadtmusikern überlegen fühlen, waren aber durch vielseitigen Einsatz für Sicherheit und Repräsentation oft an musikalischer Entfaltung gehindert, wie sie vor allem von den Stadtpfeifern geleistet werden konnte, so etwa beim Aufspielen in Rat- und Bürgerhäusern. Doch passten sich die Türmer musikalisch den Zeiten an.[36] Zweistimmiges Turmblasen ist erstmals 1497 in Basel nachgewiesen; die Rolle der Stadtpfeiferei übernahmen dort allmählich die Turmbläser.[37] Auch in Österreich beginnt die Geschichte der polyphonen Turmmusik etwa um 1500. In Brügge waren schon 1486 die Stadtmusiker (“menestruels vander stede”) vom Stadtturm mit einer “Motette” zu hören.[38]
Während die Zusammensetzung der Stadtpfeiferensembles in süddeutschen Städten relativ genau bekannt ist (auch in ihrer Variabilität),[39] lässt sich in österreichischen Archivalien bisher kaum Entsprechendes nachweisen. Offiziell werden z.B. in Wien nur “Trummeter” durchgehend besoldet, obwohl bei zahlreichen Anlässen Instrumentalisten der alta capella auf Schalmeien, Blech- und Schlaginstrumenten zur Unterhaltung musizierten und dafür entlohnt wurden (» E. Städtisches Musikleben). Das rot-weiße städtische “Hofgewand” wurde auch “Pfeifern” verabreicht, vor allem damit sie bei Zeremonien sichtbar waren; nur sind die Ausgaben dafür in den Stadtrechnungen nicht eigens spezifiziert. Das Ensemble, das bei Festen in Bürgerhäusern und Adelssitzen zum Tanz aufspielte, umfasste andererseits in Wien und Hall i.T. auch Posaunisten und Trompeter; dasselbe war die Praxis in Nürnberg, 1490.[40]
In der Stadt lebende Musiker waren regelmäßig an geistlichen und weltlichen Spielaufführungen beteiligt. Wir erfahren dies öfters aus den Spielanweisungen selbst, wenn z.B. Instrumentalmusik einen szenisch-akustischen Rahmen für die Auftritte der Hauptdarsteller bilden soll:
“Ibi tanguntur Instrumenta musicalia. Post hoc Saluator cantat” (Hier werden Musikinstrumente gespielt. Danach singt der Erlöser.),
oder wenn gegen Ende einer Aufführung “Spielleute” zum Einsatz kommen:
“Rex dicit: Nue schlat uff ir spellute,/ und pauck frolichen hute,/ und czyn wir alle hen mit salden,/ daz ez got von hymmel muz walden” (Der König sagt: Nun schlagt auf, ihr Spielleute, und paukt heute fröhlich, und ziehen wir alle von hinnen mit Segen, dass Gott vom Himmel es beschütze).[41]Dies noch ganz abgesehen von den zahlreichen vokalen und tänzerischen Musikeinlagen der Hauptdarsteller und den Chören der Engel, Grabwächter, Soldaten und Teufel. Im kirchlichen Umfeld einer Stadt wie Bozen wurden sicher Chorsänger der Schule herangezogen; gern würde man wissen, ob die singenden, tanzenden oder schreienden Teufel geistlicher wie weltlicher Spiele von Berufsmusikern verkörpert wurden.[42] Öffentliche Aufzüge theatralischen Charakters, z.B. Oster- und Fronleichnamsprozessionen, wurden typischerweise von Spielleuten (“Pfeifern”) begleitet, was ebenso wie das Zimmern und Malen von Requisiten von den Stadtverwaltungen vergütet wurde (» Abb. Ausgaben zum Osterspiel).
Es scheint, dass das Repertoire städtischer Berufsmusiker in Österreich schon seit dem 15. Jahrhundert anspruchsvolle und z.T. polyphone Musik umfasste.[43] Dieses Panorama entspricht durchaus den Verhältnissen in anderen Städten und Regionen des römischen Reiches.[44] Und ebenso wie dort sind viele Musiker der österreichischen Region auch namentlich bekannt.
Namen und Wohnorte städtischer Musiker
Familiennamen entstanden im späteren Mittelalter oft aus Berufsbezeichnungen, auch bei Musikern. In Archivalien werden öfters Musikberufe als Zusätze zum Vornamen zitiert – Pfeifer, Singer, Fidelspieler, Lautenschlager usw. – wobei nicht immer klar ist, ob die betreffende Person diese Tätigkeit selbst ausübte oder den Zunamen bereits ererbt hatte. Anscheinend erwiesen sich musikalische Fähigkeiten oder Tätigkeiten zur Identifizierung von Personen als besonders geeignet und setzten sich deshalb relativ oft als Namen fest. In Villach wird in den Jahren 1386 und 1393 ein “Herwort der Turner” mit seiner Schwester Perchte als Hausbesitzer genannt, ohne dass bekannt ist, ob Herwort tatsächlich Turner (Türmer) war oder den Namen bereits ererbt hatte.[45] In Wiener Quellen des 14. Jahrhunderts werden ein Wolfhard, ein Henricus und ein Chunrat als “lawttenslaher” (Lautenschlager) identifiziert: sei es, dass der Registrator den Beruf zur Identifizierung einsetzte, sei es, dass die Berufsbezeichnung schon zum Namen geworden war; jedenfalls übten alle drei den Musikberuf tatsächlich aus. Viele weitere Bezeichnungen dieser Art finden sich in Archivalien bis zum 16. Jahrhundert.[46]
Dass es im spätmittelalterlichen Wien eine “Trompetergasse” gab, die vor dem Widmertor im Süden der Stadt lag ( » E. Kap. Klang-Aura und soziale Strukturen), war keine Besonderheit. “Spielmannsgassen” oder ähnlich benannte Adressen sind aus vielen damaligen Städten bekannt: aus Köln (schon 1231), Halle/Saale (1300), Amiens, Schwäbisch Gmünd, Basel, Mainz, Leipzig, Strassburg, Salzburg, Sevilla und anderen Orten.[47] In Salzburg wohnte Paul Hofhaimer in der Pfeifergasse 18 (» Abb. Hofhaimers Gedenktafel); der Ankauf seines Hauses am 26. November 1529 ist urkundlich belegt.[48] In Wien gab es vor dem Widmertor (heutiger 7. Bezirk) nicht nur eine einzelne Musikergasse. Die Grundbücher nennen häufig die Adressen Neulucke und Fudluke. [49] Bei Musikern bürgerlichen und geistlichen Standes war eigener Haus- und Grundbesitz die Norm.[50]
Häusliches, privates und zunehmend bürgerliches Musizieren gab es mancherorts in Europa seit dem 14. Jahrhundert. Christopher Page illustrierte das stattliche Haus des Spielmanns Nicholas aus Geoffrey Chaucers Canterbury Tales, in dem selbstverständlich viel musiziert worden sein muss.[51] In den Haushaltsrechnungen des englischen Hofs zählt Richard Rastall sechs Citolenspieler, die im frühen 14. Jahrhundert dort angestellt waren und teils reiche Entlohnungen erhielten. Mindestens einer von ihnen, Thomas Citoler, konnte ein Haus in London unterhalten.[52]
Die Wohnungen der Wiener Stadtmusiker dürften nicht allzu laut gewesen sein: Abgesehen von der Ausbildung der Kinder hatten sie ihren Beruf anderswo in der Stadt auszuüben, wohin die älteren Knaben oft mitgenommen wurden. Stadtmusiker besaßen auch kollektive Niederlassungen oder Grundbesitz. Die Wiener Spielleutebruderschaft besaß 1387–1389 ein Haus in der Wipplingerstraße und von 1445 bis mindestens 1451 einen Gutshof in Schwechat.[53] In Hamburg gab es spätestens seit 1466 ein “Pfeiferhaus”, das die Ratsmusiker vermutlich wie ein Kontor oder eine Burse benutzten.[54]
Die Wiener Grundbucheinträge vermitteln nicht den Eindruck, zwischen städtischen Türmern, Stadttrompetern, Stadtpfeifern und weiteren Musikern habe es besondere soziale oder wirtschaftliche Abstufungen gegeben. Musiker aller Art wohnten nebeneinander, vor allem vor dem Widmertor, und waren auch Nachbarn vermögender Bürgerfamilien. Ansässige Musiker waren ebenso oft in Geldnot wie andere Stadtbewohner; einen vielleicht typischen Fall registriert 1445 die Kirchenrechnung von St. Michael:
“Item so hab ich auch widerumb ausgelihen Kristoffen Schurffeysen dem trummeter und seiner hausfrawn auf Ir haus vor Widmertor, das gelt das ich von des pharrer gruntbuch von hof hab Ingenomen, davon man zu des Kyenast Jartag dienen sol, alle jar 2 tl.d. ut litera…16 tl.d.”[55]
Der Kirchmeister von St. Michael stundete also dem Trompeter und seiner Frau die jährliche Pachtsumme für das Haus vor dem Widmertor, die sie dem Pfarrer vom Hof schuldeten und die für einen von diesem Pfarrer gestifteten Jahrtagsgottesdienst bestimmt war. Ein Grund für solche Liberalität könnte gewesen sein, dass sich Schurffeysen für die Kirche verdient gemacht hatte – natürlich war er Mitglied der Nikolausbruderschaft an St. Michael. 1445 wurde das Haus allerdings an den königlichen Trompeter Kunz verkauft.[56] Noch 1448 war es mit dem jährlichen Pachtzins von 2 tl. belastet; wir wissen nicht, ob er dann bezahlt wurde.
Instrumentalisten und ihre Kunden
Über 100 in Wien lebende Instrumentalmusiker des 14. bis frühen 16. Jahrhunderts sind heute namentlich bekannt. Die umfangreichste Liste, die auch Instrumentenbauer und Glockengießer einbezieht (Czernin 2011, 97-103), beruht hauptsächlich auf Wiener Grundbüchern im Wiener Stadt- und Landesarchiv sowie auf Veröffentlichungen von Anton Malecek und Richard Perger.[57] Wir erfahren hier die Namen von 8 Pfeifern, 10 Fidelspielern und Lautenmachern (darunter einem Saitenmacher), 13 Lautenisten, 31 Trompetern, 4 Paukern, 6 Orgelbauern, 8 Organisten und 9 Glockengießern. Malecek zählt weitere 25 Namen von Musikern auf, die im 14. Jahrhundert in der Neuluke vor dem Widmertor wohnten und Hofdiener waren; es waren Pfeifer, fistulatores (Flötisten), Trompeter, Posauner und vier Pauker.[58] Weitere Namen aus der Nikolausbruderschaft an St. Michael hat Richard Perger ermittelt,[59] und zusätzliche Namen erscheinen in Urkunden und Stadtrechnungen. Allein die Zahlen legen nahe, dass in Wien Musiker aller möglichen Dienstherren wohnten: 28 der genannten Trompeter sind in den Jahren 1440–1470 belegt, während die Stadtverwaltung damals nur zwei offizielle Stadttrompeter beschäftigte. Namentlich genannte Stadttrompeter sind ein Oberndorffer, abgelöst 1444 von Hanns Peugker; Mathes Preuss, 1443–1450; Hans von Aichstat, 1456, Niclas Vorster und sein Geselle Wilpolt, 1456, und Peter Auernhaimer, 1458–1468.[60] Zwei der Organisten (M. Jodocus und Her Ott) wirkten im Stift Klosterneuburg; der Wiener “Orgelmeister” Perchtold Mörly errichtete ebendort 1437 eine große Orgel.[61] Von Trompetern und Pfeifern ist bis 1438 öfters erwähnt, dass sie im Dienst der Landesfürsten (Albrecht IV. bzw. Albrecht V.) standen; Simon Salat diente 1437 Königin Elisabeth von Ungarn und Böhmen; zwei Wiener Trompeter waren um 1452–1462 Gefolgsleute der Grafen von Schaunberg (OÖ).[62] Mit Ausnahme des Trompeters Kunz (1444) ist keiner der Instrumentalisten König Friedrichs III. (ab 1440) in den Wiener Grundbüchern als solcher identifiziert, vielleicht aus politischen Rücksichten. Die Stadt Wien beschäftigte auch Lautenisten in offizieller Funktion, z.B. Steffan Scherer, der 1438 beim Festzug zur Königskrönung Albrechts II. als städtischer Musiker teilnahm; für einige Jahre erließ ihm der Stadtrat die Pachtschuld für sein Haus auf dem Graben vor dem Widmertor.[63]
Mehrere Lautenschlager mit Namen Hans lebten um die Jahrhundertmitte in Wien, darunter der Lautenist und Sänger Hans Schüstl (oder Hans der Schüchtlein), der gegen Ende seines Lebens mehrere Weingärten besaß, jedoch zeitweise nicht einmal ein Haus hatte und möglicherweise einige Jahre im Gefängnis zubrachte; freilich kommen dafür auch zwei andere “Hans Lautenschlager” in Frage, deren einer 1453 von seinem Vater Andre Pfeifer einen Weingarten erbte.[64]
Das Geflecht der Musikernamen ist jedoch nicht völlig unentwirrbar. Viele Musiker hatten andere Musiker zu Nachbarn oder erbten bzw. kauften deren Häuser, so dass zumindest temporäre Beziehungen zwischen ihnen ermittelbar sind. Einige Familiengruppen treten zutage, z.B. die Lautenmacher-Dynastie der Volrat, mit Peter (Lebensdaten ca. 1380–1441), Hans (aktiv 1435–1458) und dessen Sohn Erhart (aktiv 1435–1459), wobei die Zeitgleichheit des Wirkens von Vater und Sohn auffällt. Auch die Trompeter Erhart und Frank Lindner (1476) waren Vater und Sohn.[65] Ein Pfeifer Michael Murr (1436) und ein Trompeter Hans Murr (1424–1449) können Verwandte gewesen sein. Leonhard Haberland, Pfeifer (nachweisbar 1423–1438), war mit der Tochter des (auswärtigen) Pfeifers Andreas von Linz verheiratet. Mehrere Träger des Namens Egkenfelder, unter ihnen der Lautenmacher Friedrich (1456, 1460) können einen Familienclan gebildet haben: Malecek zählt nicht weniger als sieben Egkenfelder auf.[66] Diesen Daten zufolge übte Friedrich als einziger einen musikalischen Beruf aus; die anderen waren bürgerliche Handwerker (Fasszieher, Zimmermann) oder Intellektuelle, wobei der Schulmeister Liebhard Egkenvelder (» C. Kap. Eine studentische Neidhartsammlung) noch nicht einmal berücksichtigt ist.
Musikalisch bedeutsame Beziehungen waren Lehrverhältnisse, die freilich nur mit Vorsicht rekonstruierbar sind. Sie setzten immerhin Ortsbindung voraus. Hans Schüstl soll Singen und Lautenspiel bei Steffan Scherer dem Lautenschlager erlernt haben. Der Lautenmacher und -spieler Heinrich der Zinczendorfer hatte den Lautenmacher Peter Volrat zum “Gesellen”, was bedeuten mag, dass er seine Instrumente zum eigenen Spiel und vielleicht Weiterverkauf von diesem bestellte. Solche Geschäftsbeziehungen konnten überregional sein. Heinrich hinterließ ein Testament (1423) mit Angabe des Wertes seiner Lauten; einer seiner Erben war der Lautenschlager Albrecht, der damals Herzog Ernst von Bayern diente; zu seinen Schuldnern gehörten Philipp Lautenmacher von München und “Jörg des Zinzendorfer” Fidler.[67]
Die früheste Namensnennung eines Wiener Orgelbauers ist wahrscheinlich eine Zahlung von 25 lb. an “petro organiste” in der Stadtrechnung von 1369, da das lateinische Wort “organista” sowohl “Organist” als auch “Orgelmeister” (d.h. Orgelbauer) bedeutet. 1379 erscheint wohl derselbe als “petrein orgelmaister” und erhält 15 lb.[68] Die Beträge erscheinen für Organistendienste zu hoch, während Orgelbauer stattlich verdienten. Trotzdem geriet der Orgelbauer Hanns im Jahre 1417 in Schulden gegenüber dem Kirchmeister von St. Stephan.[69] Jörg Behaim, der aus Böhmen stammte, wird 1391 erstmalig als Orgelbauer am Stephansdom erwähnt; er blieb in Wien ansässig. Orgelbauaufträge wurden oft überregional vergeben; die berühmtesten “Orgelmeister” wirkten in vielen verschiedenen Städten.[70]
Anton Malecek schließt zu Recht aus Testamenten von Wiener Stadtbewohnern, dass der Besitz und das Vererben von Musikinstrumenten auf privates Musizieren deutet. So hinterließ 1397 ein Johannes Wächerl (dessen Beruf unbekannt ist) der Witwe des Lautenmachers Konrad eine Summe Geld und ihrem Wirt, “dem Eberharde”, eine “cyprezzein lawten”.[71] Ebenfalls 1397 konnte ein Johannes von Zwikkau seinen Erben gleich drei Musikinstrumente hinterlassen, nämlich “ain clavichordium, ayn lawten und ein quintern”.[72] Besaitete Tasteninstrumente waren, noch mehr als Lauten, typische Hausinstrumente, die privat gespielt oder zur Musiklehre verwendet wurden. Aber sie dienten auch professionellen Organisten, z.B. als Instrumente zum Üben.[73] Ein akademisch gebildeter Musiker war Magister Hermann Poll, der 1396 von Wien nach Pavia zur Fortsetzung seines Medizinstudiums ging; er hatte offenbar in seinen Wiener Jahren das Clavicembalo erfunden (» G. Hermann Poll).
Die Kunden der Berufsmusiker und Instrumentenmacher müssen zahlreich gewesen sein, vor allem zum Ankauf privater Instrumente und zur Spielunterweisung.[74] In dem Maße, in dem sich das Stadtbürgertum zunehmend zum Erlernen von Instrumenten bereitfand, wurde Privatunterricht eine neue Einkommensquelle für Berufsmusiker. In Wien dürfte die Anwesenheit von Universität, Kaufmannschaft und Herzogshof solche Verdienstmöglichkeiten gefördert haben. In Nürnberg notierte sich der Patrizierssohn Johannes Schedel, Bruder von Hartmann Schedel, den Beginn seiner Unterweisung auf der Harfe: „acht tag an sant kathrein tag oder acht tag noch sant merten tag 1463 Vnn an dem selbigen tag“ [18. November] “lernt ich auff der harpffen zum aller ersten mein traut geselle.”[75] Spezifische Mitteilungen von anderswo betreffen den jüdischen Musiker Mosse von Lissabon, der 1449 in Avignon einen Universitätsstudenten in explizit genannten Tanzmelodien auf Laute oder Harfe unterwies, und den Minstrel Thomas Rede, der 1474 in Calais einem englischen Kaufmann mehr als 40 Melodien auf Harfe und Laute und dazu die entsprechenden Tanzschritte beibrachte.[76]
Musikergenossenschaften
Seit langem (vgl. Moser 1910) interessiert sich die Forschung für die Genossenschaften und religiösen Bruderschaften der Musiker, vor allem weil sich in ihnen der besondere Sozialstatus dieses Berufsstandes spiegelte. Drei Funktionen dieser Vereinigungen können unterschieden werden: Sie waren zum Schutz vor Übergriffen und Ausbeutung durch die ständische Gesellschaft gedacht; sie ermöglichten (wie Zünfte und Zechen im Allgemeinen) ein internes korporatives und religiöses Leben, und sie stärkten die wirtschaftliche Position der Mitglieder durch berufliche Qualitätskontrolle, Ausbildung und Kundschaftswerbung. Die ältesten bekannten Musikervereinigungen, die Confrérie von St. Martin von Fécamp und die Confrérie der Sainte-Chandelle von Arras, auch “Puy d’Arras” genannt (12. Jahrhundert), setzten sich sowohl religiöse als auch rechtliche Aufgaben.[77] Seit dem 13. Jahrhundert unternahmen auch Musikerbruderschaften aus anderen Städten, z.B. aus Brügge, Pilgerfahrten nach Arras.[78] Kultische Präsenz und städtische Kundschaft waren neben dem Mäzenatentum der Fürsten unabdingbar für wirtschaftliches Überleben.
Hierzu, und nicht nur zu internem Informationsaustausch, waren die “Spielleuteschulen” (écoles des ménéstrels) bestimmt, die im 14. Jahrhundert meist zur Fastenzeit und zu Messen und Jahrmärkten gehalten wurden.[79] Höfische Auftraggeber sandten ihre Spielleute auf eigene Kosten dorthin, um deren Standards zu verbessern. In Padua gab es 1372 eine Vereinigung, deren Ziel es war:
“… tenere stacionem sive scholas ad pulsandum lautos et citaras prout ad presens sunt et de quolibet alio instrumento de quo sciunt docere unumquemque volentem adiscere.”(…zu halten einen Standort oder eine Schule für das Spiel von Laute und Cetra, wie es derzeit der Fall ist, und für jederlei andere Instrumente, von denen sie Kenntnis haben, jeden, der es wünscht, zu unterrichten).[80]
Zwecke dieser Vereinigung dürften zunftinterne Schulung ebenso wie Unterrichtserteilung an Amateure gewesen sein.
Die Wiener St. Nikolausbruderschaft der Spielleute (auch Pfeiferzeche, Trompeterzeche u.ä. genannt) verdankt ihren Namen dem St. Nikolausaltar in der Pfarrkirche von St. Michael, an dem sie ihre Gottesdienste hielt. Der Altar ist erstmalig 1288 erwähnt (als er eine verbrannte Nikolauskapelle auf dem Friedhof ersetzte); man hat dieses Datum lange für das Gründungsjahr der Bruderschaft selbst gehalten. Jedoch ist nach Richard Perger deren Existenz erst 1377 sicher belegt; weitere Dokumente stammen von 1382, 1384, 1391 und aus dem 15. Jahrhundert.[81] 1498 wird die Genossenschaft zum ersten Mal “Lautenschlagerzeche” genannt: Lautenisten und Lautenmacher waren schon immer zugelassen gewesen und befanden sich nun vielleicht sogar in der Mehrheit. Vgl. » Abb. Urkunde der Nikolausbruderschaft (Trompeterzeche) an St. Michael, 1459.
Abb. Urkunde der Nikolausbruderschaft (Trompeterzeche) an St. Michael, 1459
Pergamenturkunde vom 7. November 1459. St. Michael Kollegsarchiv, Abt. II, 4b. “Ich Peter Temerly Spilgraf Ich Larencz Lauttenmacher dieczeit Zechmaister Und wir die Zechleut der Trumetter Zech sand Niclas/pruderschafft dacz sand Michel zu Wienn …”. © Archiv des Salvatorianerkollegs zu St. Michael, Wien. Mit Genehmigung des Archivars.
Die Mitglieder der Bruderschaft versprechen die Abhaltung eines Jahrtags am dritten Sonntag nach Ostern mit gesungenem Seelamt, 24 Steckkerzen und 4 Windlichtern für den verstorbenen Kaplan Thomas Petzleinstorffer, der ihnen eine silberne Monstranz und eine vergoldete Corporaltafel hinterlassen hat; seine Mutter Margrethe hat dazu 1/4 Weingarten bei St. Ulreich in der Strupel gestiftet.[82] Diese Jahrtagsstiftung der Nikolausbruderschaft ist eines von vielen typischen Beispielen solcher Gottesdienste zum Totengedächtnis (Requiems); ungeachtet der musikalischen Qualifikation der Mitglieder wurde das Seelamt nur von Kaplänen und vielleicht Schulknaben gesungen.
An St. Michael gab es seit ca. 1402 eine Gottsleichnamsbruderschaft, der im Unterschied zur Nikolausbruderschaft viele Adlige und Patrizier angehörten.[83] Für die Ausführung ihrer Festgottesdienste und Umzüge könnte sie von der Nachbarschaft zur Pfeiferzeche profitiert haben. Ähnliches mag für die an St. Michael seit 1345 bezeugte Liebfrauenbruderschaft und die 1483 erstmalig erwähnte Sebastiansbruderschaft gelten. In Innsbruck wurde 1507 die städtische “Gesellschaft der trommeter sambt iren mitverwandten” sogar eingeladen, sich der bürgerlichen St.-Barbara-Bruderschaft der Maler und Goldschmiede anzuschließen, die damit u.a. ihren Mitgliederstand anheben wollte. Metzger, Schuster und Schneider unterstützten den Vorschlag. Der Rat war zunächst dagegen, gab aber dann vorbehaltlich kaiserlicher Genehmigung nach; den Trompetern wurde die Mitwirkung an den gestifteten Gottesdiensten aufgetragen, darunter der Fronleichnamsprozession. In dieser sollten zuerst die Priester mit Fahnen und Kerzen gehen, gleich nach ihnen die Trompeter, “die ja zu ihnen gehören”.[84]
Musiker bürgerlichen Standes waren oft Mitglieder anderer Bruderschaften. Die Gebetsbruderschaft des hl. Hippolytus am Chorherrenstift zu St. Pölten, der auch Henricus Isaac angehörte (» Abb. Isaac und St. Pölten), hatte um 1500 einen “dominus Johannes Deperis” [?] “presbiter et organista” zum Mitglied.[85] Isaac war auch Mitglied der Bruderschaft des Augustiner-Chorherrenstifts Neustift/Novacella bei Brixen. Die Wiener Liebfrauenzeche (Marienbruderschaft) an St. Stephan verzeichnet in ihrem Bruderschaftsbuch (A-Wda Cod. 2) neben Goldschmieden, Apothekern, Zinngießern usw. auch “Sigmund kunigswiser, cantor” (fol. 6v), der 1430 als Schulkantor der Bürgerschule zu St. Stephan belegt ist, und einen “Steffan orgelmaister & uxor” (fol. 7v): vielleicht Steffan Schabenke, 1430 in Wien als Orgelbauer nachgewiesen.[86] Die Nürnberger Mendelsche Zwölfbrüderstiftung, eine Art Seniorenheim, verzeichnet unter ihren Mitgliedern seit der Gründung 1388 zwei Stadttrompeter:
Abb. Turmtrompeter in Nürnberg
Stadtbibliothek Nürnberg (D-Nst), Amb. 2° 317, fol. 6r: „Der XVII Bruder, der do starb der hieß Peter und was ein Turner.“ Hausbuch (Obituarium) der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung im Kartäuserkloster (gegründet 1388), Beginn des 16. Jahrhunderts. Der 17. Bruder müsste in den 1390er Jahren verstorben sein. Auch der 255. Bruder (gest. 1509), der ein städtischer Türmer war, ist im Hausbuch abgebildet: vgl. Green 2011, fig. 3. Wiedergabe mit Genehmigung der Stadtbibliothek Nürnberg.
Die Magdalenenkapelle auf dem Wiener Stephansfriedhof (über dem “Neuen Karner” und der Erasmus- bzw. Virgilkapelle) gehörte der einflussreichen Wiener Schreiberzeche, also der Genossenschaft der Beamten und Notare. Vielleicht waren auch Musiker von Stand hier zugelassen: Es mag kein Zufall sein, dass die Stephanskantorei um 1440 direkt an die Magdalenenkapelle angebaut wurde (» Abb. Kantorei und Magdalenenkapelle), was den Mitgliedern der Schreiberzeche vielleicht nicht unlieb war.[87] In gewissem Sinn war die gesamte Örtlichkeit nahe der Südwestecke des Stephansdomes – der Stephansfriedhof – musikalisch konnotiert:[88] Hier befindet sich das “Singertor”, mit Beziehung auf das gegenüberliegende Schulgebäude bzw. die Kantorei, von woher die Chorschüler in die Kirche einzogen, und gleich daneben das Neidhartgrab mit den angeblichen Überresten des Minnesängers Neidhart und seines Nachahmers Neidhart Fuchs (» B. Kap. Das Neidhartgrab; » Abb. Das Neidhartgrab).
Seit dem 13. Jahrhundert existierten in verschiedenen Gegenden Europas überörtliche Musikergesellschaften. Sie waren einerseits Strukturen der Selbstverwaltung oder Ständevertretungen, andererseits Herrschaftsinstrumente, durch die die besondere zivil- und strafrechtliche Stellung der Musiker reguliert werden konnte. Die “Spielmannskönige” oder “Spielgrafen” hatten Exekutivgewalt über die Spielleute ganzer Territorien, unterstanden aber selbst den Fürsten. So war der “roy des ménéstrels” der Pariser Spielmannszunft (1321), obwohl von den Zunftmitgliedern gewählt, dem König als ständischer Sprecher verantwortlich. Nichtsdestoweniger genossen Spielgrafen oder Spielmannskönige hohes Ansehen und wurden Gegenstand von Zeremonien und sogar “Krönungen”.[89] Kaiser Karl IV. verlieh 1355 Johann dem Fidler den Titel eines “Königs aller Spielleute im gesamten Heiligen Römischen Reich” (rex omnium histrionum per totum sanctum imperium).[90] Im Herzogtum Österreich unter der Enns unterstanden (seit 1354?) die Spielleute dem obersten Kämmerer des Landes (einem der Freiherrn von Ebersdorf). Es gab einen Spielgrafen in Wien, der der Nikolausbruderschaft angehörte, und sieben weitere in verschiedenen Sprengeln des Landes; jedoch ist eine “Zusammenführung” oder gar Identifizierung zwischen Nikolausbruderschaft und dem “landesfürstlichen Erbamt”[91] des Spielgrafen nicht sicher nachgewiesen.[92] Das Spielgrafenamt und das Amt des Zechmeisters (Vorsitzenden) der Nikolausbruderschaft wurden “turnusmäßig” von Vertretern verschiedener Berufssparten ausgeübt.[93] Im Jahre 1459 war Peter Temerly Spielgraf und Laurenz Wildfang Zechmeister (» Abb. Urkunde der Nikolausbruderschaft).
Über die Spielmannskönige im habsburgisch verwalteten Elsass hat Hans Joachim Moser berichtet.[94] 1468 wurde in Innsbruck Hans Lang aus Überlingen, der wie die meisten Innsbrucker Musiker im Dienst des Herzogs stand, Spielgraf der Innsbrucker Spielmannszeche; er hatte einen Trompeterknecht zum Diener.[95]
Musiker zwischen Stadt, Kirche und Hofgesellschaft
Ob permanent oder kurzfristig angestellt, viele Musiker verdankten ihren Lebensunterhalt der Stadtverwaltung und der urbanen Erwerbsgemeinschaft. ‘Nebeneinnahmen’ – auch in Naturalien – waren für viele das Haupteinkommen. Trompeter, Pfeifer und Lautenisten wurden besonders in der Fronleichnamsprozession beschäftigt und dafür mit Geld oder Trank und Speise belohnt, z.B. in Bozen (» E. Kap. Geistliches Spiel und Umzug) und Wien (OKAR 1436, fol. 100r).[96] Entweder der Stadtrat oder die Kirche konnten hier der Dienstgeber sein. Festangestellte Musiker erhielten wie andere städtische Beamte saisonbedingte Zuschläge. Der Hamburger Magistrat bewirtete die eigenen Stadtspielleute jährlich mit einem Festessen zu Neujahr:[97] Entsprechendes dürfte in der Region Österreich Sitte gewesen sein.
Die Beteiligung der Kirche an der Finanzierung öffentlicher Feste, und umgekehrt, diejenige der Stadt an der Finanzierung von Kirchenfesten, hat allerdings geschwankt. Der Organist von St. Stephan wurde bis 1436 für das Spielen bei Kirchenfesten von der Stadt bezahlt, doch anschließend sollte der Kirchmeister von St. Stephan dafür aufkommen (» E. Kap. Kirchen- und Stadtrechnungen). 1417 entlohnte der Kirchmeister die “Trompeter und Pauker am Fronleichnamstag” mit ½ tl.[98] Eine solche Zahlung ist sonst nicht belegbar; die Musiker waren sicher städtische Angestellte. Die Salzburger Stadtpfarrkirche belohnte 1487 den erzbischöflichen Hoftrompeter, der “vor dem sacrament dient” (für die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession) sowie zwei Lautenschlager und andere, was “die zech zu ordnen hatte”: nämlich städtische Musiker im Dienst der Fronleichnamsbruderschaft.[99]
Auch Hofmusiker gehörten in vieler Hinsicht zur Wiener Stadtbevölkerung, zumindest wenn sie außerhalb der Hofburg wohnten, nämlich vorzugsweise vor dem Widmertor. 1398 waren in Wien sechzehn Musiker Herzog Albrechts IV. – drei fistulatores (Flötenspieler), drei Pfeifer, zwei Trompeter, zwei Posauner, drei Pauker, ein leyrer (Drehleierspieler), ein Fidelspieler und ein Lautenschlager – dem Schottenkloster zins- bzw. mietpflichtig.[100]
Das höfische Mäzenatentum war die älteste, auch innerhalb der Stadt weiterhin wichtige Existenzgrundlage der Berufsmusiker. Die Hofgesellschaft veranstaltete seit dem 14. Jahrhundert ihre Tänze, Turniere und Hochzeiten oft in der Stadt und nicht nur in den eigenen Palästen oder Burgen.[101] Was Turniere betrifft, hatten Stadtbewohner sowohl den Ehrgeiz als auch ein finanzielles Interesse, an diesem besonders privilegierten Sport rahmengebend teilzunehmen. Sie konnten vielerorts den Marktplatz als Austragungsort anbieten.[102] Der Stadtplatz von Hall i.T. sollte 1503 für Turniere zu Ehren Maximilians I. und Philipps des Schönen dienen, obwohl bemängelt wurde, dass sich das Terrain in der Mitte etwas absenkt.[103] Musikalische Dienste zum Turnier selbst und allen begleitenden Zeremonien (öffentliche Ankündigung, Einzug der Teilnehmer, Überprüfung der Wettkämpfer usw.) wurden nicht allein von den Musikern der adligen Herrschaften ausgeführt: Musiker aus der gastgebenden Stadt und aus dem Gefolge des anwesenden Feudaladels, zu denen sich oft auch wandernde Musikanten gesellten, trugen das Ihre zu dem festlichen Gepränge bei.[104] Somit kann nicht immer entschieden werden, ob bei Hoffesten abgebildete Musiker wirklich Hofdiener, Stadtmusiker oder „Fahrende“ waren.
Stadtmusiker erhielten einerseits Trinkgelder von Fürsten für das Aufspielen in der Stadt, andererseits wurden besuchende fürstliche Musiker für ihre dortigen Darbietungen vom Stadtrat belohnt (» E. Städtisches Musikleben) – und schließlich traten Stadtmusiker, seien sie offiziell besoldet oder nicht, in fremden Städten auf, um dort ihr heimatliches Einkommen aufzubessern. Das taten sie auch dann, wenn sie in einem Auftrag reisten, z.B. als Boten. Im Ergebnis waren in den Städten der Region häufig öffentliche Klänge fremder Musiker zu hören; die Kunst selbst und ihre Voraussetzungen (wie z.B. die Instrumente) müssen sich europaweit verbreitet haben.
Der Wiener Stadtrat hieß 1452 die Pfeifer der Stadt Regensburg und die Stadttrompeter aus Brünn und Landshut willkommen (» E. Kap. Festlichkeiten für Ladislaus Postumus), und immer wieder fremde Hofmusiker, “Hofierer”, Herolde (“Persoventen”) und Sänger.
In Hall i.T. sind zahlreiche Besuche von Trompetern aus anderen Städten, sowie von Hoftrompetern und Herolden fremder Herren, registriert, die alle vom Stadtrat belohnt wurden – wobei nicht immer belegt ist, ob sie, oder welche von ihnen, überhaupt spielten. 1412 kam “meins herrn herzog Ernst karalo persefant” [Herold] “von der hochzeit” und erhielt 7 fl.[105] 1429 erschienen Trompeter, Pfeifer und Pauker mit Herzog Friedrich (IV., von Tirol) und seinen Vettern Herzog Friedrich (V., späterer König Friedrich III.) und Albrecht V.; sie erhielten zusammen 8 lb. zum Geschenk (“in propinacione”).[106] Namhafte Spenden an auswärtige Musiker, ob sie nun mit oder ohne ihre Herrschaften reisten, entrichtete der Haller Stadtrat auch in vielen anderen Jahren.
Mäzenatentum der Fürsten für städtische Musiker
Der Innsbrucker Hof war freigebig gegenüber fremden Musikern und wurde von diesen oft aufgesucht. Unter den Besuchern waren auswärtige Stadtmusiker sowie Kapellsänger und einzelne MusikerInnen, die bei Hofe vortrugen (» D. Hofmusik. Innsbruck). Zum traditionellen Mäzenatentum der Fürsten kam im 14.-15. Jahrhundert eine verstärkte Reisebewegung in den eigenen, z.T. weit verstreuten Territorien (» D. Advenisti. Fürsten). Herzog Friedrich IV. (1406–1439) gab trotz seines Beinamens “Friedel mit der leeren Tasche” erhebliche Beträge auf Reisen aus, so etwa im Rechnungsjahr 1416–17 allein in Sterzing 13 mr. 7 lb. (137 lb.) für “Spielgeld, Opfergeld, Trinkgeld, Schulergeld” und für die “Hoftöchter”, wobei das “Trinkgeld” Musikern und anderen Hofierern zukam.[107] Von “einer oberösterreichischen Fürstin” (Friedrichs Gemahlin Anna von Braunschweig?) erhielten 1431 in München ein Lautenschlager und ein Harfner 2 fl., die Stadtspielleute in Augsburg 5 fl.[108] Friedrichs Sohn Erzherzog Siegmund vergnügte sich gern auf Reisen; am 21. Oktober 1454 entlohnte er “vier Pfeifer, die dem Herzog zu Bozen in des Gfellers Haus zum Tanz gepfiffen”, mit 4 fl.[109] In Siegmunds späteren Raitbüchern kommen gelegentlich Zahlungen an städtische Musiker vor, z.B. belohnte er 1463 die Stadtpfeifer von Lindau mit 1 rheinischen Gulden in Gold, und 1467 die Pfeifer von Villingen (Schwarzwald) mit 4 lb.[110]
Von hervorragender Bedeutung für die Geographie des Spielmannswesens sind die Reiserechnungen Erzherzog Albrechts VI. von Österreich aus den Jahren 1443–1446.[111] Der freigebige, ja vergnügungssüchtige Fürst reiste einerseits zwischen Residenzen in der Steiermark, Kärnten und Wien hin und her, andererseits besuchte er die Vorlande mit den habsburgischen Niederlassungen Freiburg i.Br., Villingen und Rottenburg/Neckar. Die Ausgaben für städtische Musiker, die Herzog Albrecht auf seinen Reisen hörte, waren folgende:[112]
1444 (Hs. 158):
Wien, „der burger trummeter“ 14 s. (fol. 8r);Straubing, “der stat zu Straubing pheiffern” 2 lb. 6 d. (fol. 30r);Regensburg, “der stat pheiffern” 2 fl. (= 10 s. 20 d.) (fol. 30v);Nürnberg, “der stat pheiffern und trummetern” 2 fl. (= 10 s. 24 d.) (fol. 33r);[113]Schwabach, “dem turner” 28 d. (fol. 38v);Ulm, “der stat pheiffern” 3 fl. (fol. 39r)Ulm, “des vom helffenstain und der stat zu ulm lautenslahern” 1 fl. (fol. 39v);Reutlingen, “der stat pheiffern” 11 s. 12 d. (fol. 40r);Rottenburg/Neckar, “der stat pheiffern” 3 fl. (fol. 40v);Rottenburg/Neckar, “zwayn leyrern” 38 d. (fol 40v);Rottweil, “der stat pheiffern” 2 fl. (fol. 41r);Villingen, “der stat pheiffern” 1 fl. (fol. 41v);Freiburg i.Br., “der stat pheiffern” 1 fl. (fol. 72v);Winterthur, “der stat pheiffern” 2 fl. (fol 76v);Konstanz, “dreyn pheiffern” 1 fl. (fol. 82v);1445 (Hs. 203, Heft 1):
Riedlingen, “den pheiffern” 3 gr. (fol. 2v);Villingen, “den trommittern und pheifern” 10 gr. (fol. 3r);Regensburg, “den pheiffern” 24 d. (fol. 5r).Während solche gewohnheitsmäßige Freigebigkeit gegenüber Musikern noch die Tradition fürstlicher milte (Freigebigkeit) widerspiegeln mag und bei Albrecht VI. politische Motivationen hinzukommen (er versuchte seinem älteren Bruder, König Friedrich III., an Beliebtheit den Rang abzulaufen), kann damals und in der Folgezeit auch die breite Entwicklung städtischer Musikpflege selbst eine Rolle gespielt haben.[114]
Musik im Dienst des städtischen Bürgertums
Die Mitwirkung von Musikern am städtischen Festkalender ist in der Region Österreich ebenso reich belegt wie anderswo. Immer wiederkehrende, typische Anlässe waren städtisch-kirchliche (Prozessionen mit Reliquien, usw.), städtisch-höfische (politische Feiern, Fürstenempfänge, Freudenfeste),[115] und private oder korporative (Hochzeiten, Zunftfeste, Fastnachtstänze und -umzüge, Universitätsfeste). Für die städtisch-höfischen und städtisch-kirchlichen Anlässe war die Stadtverwaltung administrativ und finanziell verantwortlich, teilweise in Zusammenarbeit mit Hof und Kirche (» Kap. Musiker zwischen Stadt, Kirche und Hofgesellschaft). Viele andere Anlässe jedoch wurden von den privaten oder korporativen Veranstaltern – also den Bürgerfamilien selbst – veranstaltet und bezahlt, weshalb ihre Details heute schwieriger nachweisbar sind.[116] Ein beredtes Bildzeugnis vom Musizieren bei einem stadtbürgerlichen Fest ist Wilhelm Zieglers Gemälde einer Patrizierhochzeit in Rothenburg ob der Tauber, 1538, heute im Schlossmuseum Linz (» Abb. Patrizierfest mit Musik, Tanz und Turnier). Diese Darstellung ist mit ihrer simultanen Zusammenstellung verschiedenster Aktivitäten zwar nicht realistisch,[117] sie demonstriert jedoch die seit etwa 1490 eingetretene Privatisierung, Vielfalt und Vermischung ständischer Unterhaltungsformen auf anschauliche Weise. Ziegler war als Schüler Hans Burgkmairs wahrscheinlich mit den narrativen Bildprogrammen des maximilianeischen Hofes vertraut.
Vor einem weiten Panorama mit Stadt, Burg bzw. Rathaus, Fluss, Brücke und Berg (das fast ebensogut die Stadt Linz, von Osten gesehen, darstellen könnte) findet im freien Gelände außerhalb der Stadtmauern ein Festgelage statt; an einem gedeckten runden Tisch sitzen sechs Damen und Herren. Davor befindet sich ein vom Liebesgott überwachtes quadratisches Brunnenbecken. Im Hintergrund vergnügen sich vermutliche Festgäste mit Hirschjagd, Fischen, Baden, Ballspielen, Schwertkampf, Akrobatik, Steinstoßen und anderer Kurzweil; es werden zwei Turniere zu Pferd mit Trompeter und Herolden veranstaltet. Nahe der Stadtmauer sind tanzende oder haschende Mädchen in Konviktkleidung zu sehen. Unter den vielen heraldischen Symbolen, die auf Wappen an den Häusern und auf Kleidern erkennbar sind, ist auch der kaiserliche Doppeladler (der freien Reichsstadt Rothenburg angemessen), jedoch sonst keines, das Fürsten oder Hochadel gehören könnte. Zwei andere Wappen treten mehrmals auf, vor allem als Embleme des ganzen Gemäldes links und rechts vorne. Nach Angaben des Museums sind es die Familienwappen der Rothenburger Familien Wernitzer und Berler. Sie sind auch an zwei Häusern sichtbar, koordiniert mit den Initialen “KW” und “BW” bzw. “B”. Viele Leute betrachten die Ergötzlichkeiten vom Balkon und den Fenstern aus.
Im Mittelgrund und Vordergrund wird Musik gemacht. Links blasen vier Männer einer alta capella auf Zugtrompeten, begleitet von einem Kesselpauker – alle in schwerem roten “Hofgewand”. Rechts tanzt man einen Reigen, ohne eigene Tanzmusik, die wahrscheinlich von der alta capella beigesteuert wird (» Abb. Patrizierfest, Detail: Blasmusik zu Bankett und Reigentanz).
Davor sind drei kleinere Szenen privaten Musizierens zu erkennen: Links singt ein Liebespaar aus einem gemeinsamen Musikbuch, von einem Harfner begleitet (zwei Knaben sehen erstaunt zu); in der Mitte spielen Dame und Herr ein Blockflötenduett; rechts versucht sich ein Paar auf Laute und Gambe (» Abb. Patrizierfest, Detail: leise Musik). Der Harfner ist wohl der einzige Berufsmusiker in diesen drei Szenen.
Den vorderen Rand nimmt eine Kette von sieben vornehmen Paaren im Paartanz ein; ihre Tanzmusik wird überraschenderweise von den Kriegsinstrumenten Schwegelpfeife (Querpfeife) und Trommel gespielt. Das Patrizierwappen auf der Trommel und die steinerne Plattform mit der eingemeißelten oder aufgemalten Jahreszahl “1538”, auf der die Musiker stehen, betonen ihre offizielle Funktion (» Abb. Patrizierfest, Detail: Paartanz zu Querpfeife und Trommel). Die soziale Elite der Stadt ist hier öffentlicher Veranstalter und tritt als städtische Autorität und Kriegsmacht auf, der städtische Militärmusiker für private “Kurtzweil” zur Verfügung stehen.
Kriegsdienste
Stadtmusiker leisteten im 15. Jahrhundert oft Kriegsdienste, jedenfalls insoweit ihre Stadt kriegführende Mitverantwortung hatte. Dies war z.B. 1438 der Fall, als sich die Stadt Wien an Herzog Albrechts V. letzten Kampagnen gegen die Hussiten beteiligen bzw. diese subventionieren musste. Städtische Trompeter und “Hofierer” (Spieler leiser Instrumente), Lautenschlager und sogar “Schüler” zogen nach Laa a.d. Thaya, Znaym, Iglau, Drosendorf, Eggenburg und anderen Orten, um die Kriegsleute dort zu unterstützen. “Als man sich für den Thabor gelegt hat” (OKAR 1438, fol. 85r) – wohl bei Jihlava/Iglau – dienten neben diesen Stadtmusikern auch die Trompeter der Herrn von Liechtenstein, des Obersten Marschalls von Österreich (Reinprecht von Wallsee), die Trompeter und Lautenschlager der Herzöge von Meißen und Braunschweig, der Grafen von Schwarzburg, Cilli, Herzog Friedrichs IV. von Tirol und viele andere, die dann ebenfalls von der Wiener Stadtverwaltung entlohnt wurden. Die umfangreiche Kampagne kostete die Stadt 333 lb. 5 s. 10 d.[118]
Eine kleinere Expedition führte städtische Musiker 1441 nach Jedenspeigen im Marchfeld (» E. Kap. Stadt- und Hoftrompeter). Sehr bald begannen auch Feldzüge und diplomatische Kontakte nach Ungarn, bei denen berittene Stadttrompeter dienten. Die erfolglose erste Belagerung Wiens durch König Matthias Corvinus von Ungarn (14. August-20. Dezember 1477) erforderte verstärkte Besatzung auf Mauern und Toren, bei der zahlreiche Musiker verbündeter Fürsten mithalfen.[119]
Bei einem Angriff auf eine damalige Stadt wurden Glocken und Blasinstrumente zur Warnung eingesetzt. Die Turner von Hall i.T. hatten bei Kriegshandlungen zunächst das bürgerliche Aufgebot in der Stadt akustisch zu unterstützen, die “Werbetrommel zu schlagen”; anschließend zogen sie öfters mit ins Feld und spielten die Marschmusik.[120] Bei solchen Gelegenheiten wurden nicht nur Trompeten, sondern vor allem Trommel und Schwegelpfeife benutzt (» vgl. Instrumentenmuseum Einhandflöte & Trommel). Die Stadt Bozen bezahlte 1512 “den trummenschlagern so den knechtn umb geschlagn habn als die knecht in das Pustertal sein hin und her gezogn in herbergn zu bleibn”, 3 lb. als Übernachtungskosten während des Hin- und Rückweges mit den Kriegsknechten.[121]
Oswald von Wolkenstein war einer der Adligen, die sich aus Geldnot oder Ehrgeiz Kriegszügen anschlossen und dabei musikalisch aktiv waren. So ist bemerkt worden, dass sich in seiner Burg Hauenstein zwei Pauken und eine Trompete befanden, die er auf nähere und weitere Kriegszüge mitgenommen haben dürfte.[122] Diese Instrumente wurden von ihm sicher nach Art der adligen Kavallerie zu Ross gespielt (» D. Advenisti. Fürsten).
Es ist nicht ganz klar, inwieweit Turner (Trompeter) und Stadtpfeifer beim Kriegsdienst unterschieden wurden. Normalerweise dienten Spielleute als Trommler und Pfeifer dem Fußvolk, berittene Feldtrompeter dagegen der Kavallerie, waren also oft Hofdiener, jedoch wurden auch Stadtmusiker als berittene Feldtrompeter ausgesandt, wenn die Stadt selbst als Kriegsherr auftrat (» E. Kap. Verschiedene Aufgaben). Diese Einteilung kann je nach Stadt und Kriegsschauplatz verschieden gewesen sein. Haller Stadträte reisten bisweilen sogar mit ins Feld und entlohnten die dort rekrutierten Stadtmusiker; in einem anderen Fall wurden kriegsdienende Haller “pheifer und trummer” vom Ratsmitglied Hanns Pircher in der Stadt selbst beherbergt.[123] In der Tat waren musikalische Kriegsdienste sehr wohl innerhalb der Stadtmauern erforderlich. Aus dem Krieg der Stadt Nürnberg gegen Albrecht Achilles von Brandenburg (1449-50) verlautet, dass beim Alarmsignal “Feind” der Turmwächter die vier Stadttrompeter durch alle Gassen liefen und die Reiterei zusammen trompeteten, während Sackpfeifer und Trommler das Fußvolk riefen.[124]
Im Hochmittelalter wurden “fahrende Spielleute” nicht zum Kriegsdienst bestellt.[125] Dies änderte sich später, da für die Marsch- und Feldmusik Berufsmusiker erfordert wurden. Kriegsdienst befähigte manche Stadtmusiker, das Bürgerrecht zu erwerben, z.B. in Basel gegen Ende des 15. Jahrhunderts.[126] Das Sesshaftwerden der Musiker und die Entstehung der frühneuzeitlichen Kriegsmusik waren offenbar miteinander verknüpfte Entwicklungen.[127]
Musiker in Tavernen
Dass Musiker in Wirtshäusern aufspielten, war schon deshalb sinnvoll, weil sie selbst auf Reisen dort unterkamen und zum Geldverdienen auf Kontakt mit anderen Reisenden angewiesen waren. Nach Wolfgang Hartung versichert eine deutsche Zech- und Spielrede des 14. Jahrhunderts: “wer parat welle lernen, der uar in diese tauernen”, d.h. man konnte in Tavernen musikalische und rhetorische Kunstgriffe (parat) von den Spielleuten erlernen.[128]
Es mangelt nicht an Tatsachenberichten. Felix Faber erzählt in seinem Evagatorium (Reisebericht seiner Reisen ins Heilige Land) aus Trient, 21. April 1483 (» J. SL Singen und Pilgern):
“Als es Abend geworden war und wir uns alle zum Mahl niedergesetzt hatten, kam ein gewisser Spielmann [joculator] mit seiner Flöte [fistula], und mit ihm seine Frau, die zum Flötenspiel sang, mit guter Melodie. Der Mann jedoch, obwohl er klug war, machte während des Spiels närrische Gesten [gesticulationes fatuorum], durch deren Ungeschicklichkeit er zum musikalischen Vergnügen großes Gelächter hervorrief. Als das Spiel beendet war, diskutierten die Barone und Adligen untereinander nach Herrenart über den Lohn, der dem Spielmann gegeben werden sollte.”[129]
In der Tat gab es anschließend eine theologisch-moralische Debatte darüber, ob man gottlosen Menschen wie Spielleuten Trinkgeld geben dürfe, die aber zu deren Gunsten entschieden wurde.
Die venezianischen Gesandten Contarini und Pisano in Trient, 1492 (» D. Advenisti. Fürsten):
“Am 17. des Monats kamen die Gesandten nach Trient, einer Bischofsstadt, von Rovereto 12 Meilen entfernt. … Der Stadthauptmann empfing sie am Eingang der Stadt … und begleitete sie bis zur Hosteria della Rosa. Dort stiegen sie vom Pferd ab und speisten; mitten während des Mahles erschien ein Narr [buffone], der seltsame Instrumente spielte, und mit ihm eine Frau, eine Saitenspielerin [cythareda], die viele deutsche Lieder sang, wobei sie zugleich ganz sicher ihre Rebec [Rubeba] spielte. Der Narr spielte zusammen mit ihr verschiedene, sehr phantastische Blasinstrumente [sibioti: wohl Hirtenflöten], und zwischen ihnen war wunderbare Konsonanz. Der Narr war komödienhaft gekleidet, und seinem närrischen Brauch entsprechend hatte er gewisse Ohren aus Schaffell [panno euside] auf dem Kopf, von denen er einmal das eine, dann das andere bewegte, und manchmal beide zusammen, was wirklich sehr zum Lachen war. Nachdem sie gespielt hatten, wurden sie reichlich belohnt und beschenkt.”[130]
Vielleicht sah das Narrenkleid des Mannes ungefähr so aus wie im Wiener „Hofämterspiel“ aus dem Umkreis König Lasslas, 1455: » Abb. Musizierender Narr.[131]
Man darf vermuten, dass das von Faber 1483 und von den Venezianern 1492 beobachtete Musikerpaar dasselbe war. Das würde bedeuten, dass die Spielfrau in der Zwischenzeit zusätzlich zu ihrem Gesang auch gelernt hatte, sich selbst auf der Rebec zu begleiten, während ihr Mann immerhin das Manipulieren langer Narrenohren einstudiert hatte. Es dürfte auch bedeuten, dass das Paar in der Stadt Trient sesshaft war. Sollten es verschiedene Personen gewesen sein, dann müsste es sich um individuelle Nachahmung oder eine allgemeinere Tradition bestimmter Tricks (lazzi) handeln. Beide Reisegesellschaften logierten vermutlich im selben Gasthaus (1492 “della Rosa” genannt).
Die Frage, wie verbreitet das Musizieren in Tavernen insgesamt gewesen ist, wer daran beteiligt war und welche Gebräuche es gab, wird besonders vom venezianischen Reisebericht aufgeworfen, der mehrere solche Darbietungen erzählt. In den Tiroler Städten Klausen, Brixen und Sterzing wurde den Gesandten von Schulknaben vorgesungen. Die Orte waren jedenfalls Gasthäuser: Dasjenige in Klausen hieß “zum Agnus Dei” (» D. Advenisti. Fürsten). Das oben erwähnte Musizieren für den reisenden Herzog Albrecht VI. (» Kap. Mäzenatentum der Fürsten) muss zum Teil im Freien, zum Teil aber auch in Tavernen stattgefunden haben. Hier waren auch nicht-professionelle Musiker beteiligt.
[1] Moser 1910 (repr. 1929), Salmen 1960, Żak 1979, Schwab 1982, Hartung 1982, Salmen-Kaufmann-Reisner 1983; Strohm, Bruges 1985, 73–79, Bachfischer 1998, Hartung 2003, Green 2011. Zur Tradition des “wandernden Spielmanns” vgl. » F. Musiker aus anderen Ländern.
[2] Einzelstudien sind Malecek 1947, Malecek 1957/58, Perger 1988, Schusser 1986, 120–122 (Richard Perger).
[3] Vor allem aus Żak 1979, Schwab 1982, Green 2006, Green 2011.
[5] Dort spielten zwei Pfeifer “mit verschieden großen Pfeifen” während des Mahles: Vale 1943, 228; Federhofer 1996, 302; vgl. » D. Advenisti: Fürsten und Diplomaten.
[6] Diese übergreifende Entwicklung ist Hauptthema von Schwab 1982.
[7] Kramml 2003, 605.
[8] Zak 1979, 149; Green 2011, 4.
[9] Zu Hofmusikern vgl. » D. Hofmusik, » Nicolaus Krombsdorfer, » G. Schubinger, » Life as an Emperor’s Musician, und » Instrumentalkünstler.
[10] Vgl. Schusser 1986, 13, mit Abb. Kat. Nr. 3.
[11] Uhlirz 1902, 344; auch der geringe Lohn widerspricht der Ansicht, im Jahre 1417 sei eine Räderuhr mit Schlagwerk “angefertigt worden” (Schusser 1986, 13). Ein Hanns von Prag bzw. ein Schlosser Hans von Pehaim (Böhmen) ist in den Dombau-Rechnungen seit 1404 erwähnt.
[13] A-Wn Cod. 14234 (Wiener Stadtrechnung 1368–1403), fol. 42r.
[15] Czernin 2011, 103, nach Weissenbäck-Pfundner 1961.
[16] A-Wn Cod. 14234 (Wiener Stadtrechnung 1368–1403), fol. 15v; Schusser 1986, 123 (Zoltan Falvy).
[17] Wessely 1951, 105.
[18] » E. Kap. Hörner- und Trompetenschall, » E. Stadt- und Hoftrompeter. Die Aufgaben der Wachtleute und Türmer in süddeutschen Städten resümiert Green 2011, 8-19, mit weiterer Literatur. Vgl. auch Polk 1987 und Polk 1992.
[19] Wien, Stadt- und Landesarchiv (A-Wsa), OKAR B.1/1 Reihe 8, 1444, fol. 135v. Währung: 1 Pfund (tl.) = 8 große („lange“) Schillinge (s.) = 240 Pfennige (d., denarii).
[20] Wien, Stadt- und Landesarchiv (A-Wsa), OKAR B.1/1 Reihe 5, 1438, fol. 19r.
[21] Seit spätestens 1411 werden 40 lb. pro Quatember (Vierteljahr) abgerechnet, wahrscheinlich für zwei Personen: Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 1, 1411, fol. 53r und öfter.
[22] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 2, 1429, fol. 103v. Senn 1938, 77–93, berichtet über die Haller Stadttürmer, mit einer Namensliste für die Zeit von 1411 bis 1702. In dieser Namensliste wird niemals dieselbe Person einmal als “Wachter”, ein anderes Mal als “Turner” bezeichnet. Für süddeutsche Städte kann Green 2011, 8-19, eine deutliche Unterscheidung zwischen Turmwächtern (City watchmen) und Stadttrompetern (City trumpeters) feststellen.
[25] Senn 1938, 77, 90–93. Fast zur selben Zeit wie in Wien, 1451, brach in der Haller Turmstube ein Brand aus (» E. Kap. Trompeter als Turmwächter).
[26] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 1, 1412, fol. 80v.
[29] Fiala 2013, 175.
[30] Green 2011, 5-11, mit Abb. S. 10 (das Instrument ist hier nicht identifiziert); zum Zink/cornetto vgl. Polk 1992, 143-144. Zu Hörnern » E. Kap. Hörner- und Trompetenschall.
[31] Wien, Stadt-und Landesarchiv (A-Wsa), OKAR 1435, fol.
[32] Wien, Stadt-und Landesarchiv (A-Wsa), OKAR 1441, fol. 112v.
[33] Archiv der Stadt Salzburg (A-Ss), BU 263, fol. 24v. „fl.“ = Gulden (Florin), etwa 10-11 s.
[34] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 9 (1502), fol. 6v.
[35] Fiala 2013, 175–176.
[36] Green 2011, 16: “Despite the fact that the performances of the watchmen generally demanded lesser musical skill than those of their Stadtpfeifer peers,” […] “the array of instruments at their disposal would nonetheless have allowed the performance of more challenging and elaborate signals in their day-to-day duties, suggesting that these were often musicians of notable ability.”
[38] Strohm 1985, 87. Allerdings geschah dies zu einem besonderen Anlass, nämlich der Einweihung des fertiggebauten Obergeschosses des Stadtturms (Beffroi); musikalisch anspruchsvolle Aufführungen der Stadtpfeifer fanden öfter auf Straßen und Plätzen statt, auch auf eigens errichteten Podien.
[40] Green 2011, 21. Vgl. auch » Kap. Musik im Dienst des städtischen Bürgertums.
[41] » H. Kap. Die geistliche Spieltradition (Andrea Grafetstätter).
[42] » H. Kap. Musik und Tanz in der Neidhartsspieltradition (Andrea Grafetstätter).
[43] Brown-Polk 2001, 124-131; Strohm 1992.
[44] Green 2011, 26-30.
[45] Federhofer 1996, 373 (nach A-Wn Cod. 1417, fol. 29r), der ersteres vermutet.
[46] Malecek 1957/58; » H. Lautenisten und Lautenspiel (Kateryna Schöning).
[47] Vgl. Salmen 1983, 59; Schwab 1982, 33–37, mit weiteren Angaben zur Sesshaftigkeit der Musiker; Busch-Salmen 1992. Die Spelmansstraat in Brügge befindet sich an der Stätte hinter dem ehemaligen Karmeliterkloster, wo schon 1318 Spielmanssschulen gehalten wurden: Strohm 1985, 67 und 78.
[48] Archiv der Stadt Salzburg (A-Ss), SLU I, 1529 XI 26 (Original im Salzburger Museum); Älteres Städtisches Archiv, Urkundenreihe I, 1522-03-07. Vorbesitzer waren u.a. der erzbischöfliche Jäger Jörg Dörr und ab 1522 der Notar und Chorherr Leonhard Khumer; das Burgrecht gehörte den Erben des Ritters Jörg Wissbecker. Dass weitere Musiker dort (noch) ansässig waren, scheint somit zweifelhaft. Vgl. auch Busch-Salmen 1992, 59, 65f.
[49] Malecek 1957/58, 72–84; Czernin 2011, 97–104.
[50] Eine Stadtplanabbildung des verstreuten Londoner Grundbesitzes von John Dunstaple (ca. 1390–1453) bieten Clive Burgess and Andrew Wathey, Mapping the Soundscape: Church Music in English Towns, 1450–1550, in: Early Music History 19 (2000), 1–46: 23, fig. 3.
[52] Rastall, Richard: ‘Citolers in the Household of the King of England’, The British Museum Citole: New Perspectives, London: The British Museum, 2015 (Research Publication 186), S. 45–50, hier S. 49.
[53] Schusser 1986, 121 und 142–144, Nr. 123 (Richard Perger).
[54] Koppmann 1869–1951, Bd. 2, 285, Bd. 3, LXX.
[55] St. Michael Kollegsarchiv, Kirchmeisterraittungen Abt. XI, 1445, fol. 30v.
[56] Czernin 2011, 100.
[57] Malecek 1947, Malecek 1957/58; Perger 1988; Schusser 1986, 120–122 (Richard Perger).
[58] Malecek 1947, 7–8. Zur Geschichte der Pauke und des Paukenspiels im höfisch-städtischen Rahmen vgl. Żak 1979, 298–300.
[59] Perger 1988, 29–30.
[60] Die ersten drei in A-Wsa OKAR 1444, fol. 135v; Aichstat, Vorster und Wilpot in OKAR 1456, fol. 31v.
[61] Flotzinger 1995, Bd. 1, 90.
[63] Malecek 1957/58, 80–82; OKAR 1441, fol. 13v (Steffan zahlt der Stadt 45 d. Mietzins oder Pacht).
[64] Ausführliche biographische Angaben bei Malecek 1957/58, 76–80.
[66] Malecek 1947, 20–21.
[67] Malecek 1957/58, 73–75.
[68] A-Wn Cod. 14324, fol. 15v bzw. 39r.
[69] Uhlirz 1902, 345
[70] » C. Kap. Orgelbauer. Um 1480-1500 war Burkhard Distlinger aus Ingolstadt in ganz Österreich und Oberitalien tätig; » E. Bozen/Bolzano, Kap. Orgelbau.
[71] Malecek 1947, 9.
[72] Malecek 1947, 10. Zu den Instrumenten vgl. Instrumentenmuseum Clavicytherium, Laute, Quinterne.
[75] Kirnbauer 2001, 79, nach D-Mbs cgm 409, fol. 1r; vgl. Lewon 2018, 147. Das Lied „Mein traut geselle“, überliefert im Lochamer-Liederbuch, im Buxheimer Orgelbuch und in der Wolfenbütteler Lautentabulatur (Lewon 2018, 146-151), verwendet einen Text des Mönchs von Salzburg, aber nicht dessen Melodie.
[76] Schriftlich belegt durch Verträge zwischen Musikern und Kunden: Strohm 1993, 348 bzw. 393.
[77] Hartung 2003, 267–274.
[78] Strohm 1985, 90.
[79] Schwab 1982, 46–51. Spielleuteschulen in der Region Österreich sind bisher nicht bekanntgeworden. Vgl. aber » F. Musiker aus anderen Ländern.
[80] Kreutziger-Herr 1991, 109, nach Cattin 1981, 281. Für die Übersetzung “cithara” = “cetra” danke ich Marc Lewon und R. Crawford Young. » Instrumentenmuseum Cetra.
[81] Perger 1988, 29–30.
[82] St. Michael Kollegsarchiv Abt. II, 4b. Siegel und Petschaft sind erhalten. Nach Malecek 1947, 22, soll die Urkunde das Datum 1288 als Gründungsjahr der Bruderschaft erwähnt haben, was aber nicht der Fall ist.
[83] Perger 1988, 29.
[84] Tiroler Landesarchiv Innsbruck (A-Ila), Hs. 497: Bruderschaftsbuch der St.-Barbara-Bruderschaft (Abschrift um 1590); Steinegger 1954, 23.
[85] A-SP Hs. 55 (Necrologium Sanhippolitanum), S. 1.
[86] Czernin 2011, 102.
[87] Zum Antiphonar der Magdalenenkapelle (heute Győr, R.K. Seminarium, Ms. A. 2) vgl. Schusser 1986, 68–69; ich danke David Merlin für weitere Auskünfte.
[88] Freundlicher Hinweis von Marc Lewon.
[89] Hartung 2003, 286–287.
[90] Hartung 2003, 287.
[91] Czernin 2011, 104.
[92] Schusser 1986, 121–122 (Richard Perger).
[93] Schusser 1986, 121 (Richard Perger).
[96] Zur Musik in der Fronleichnamsprozession vgl. Altenburg 1984.
[97] Koppmann 1869–1951, Bd. 4, 75.
[98] 1417 fol. 18v: Uhlirz 1902, 338.
[99] Archiv der Stadt Salzburg (A-Ss), BU 263, fol. 29v (1487). Zu den erzbischöflichen Bläsern vgl. Welker 2005, 84.
[100] Żak 1979, 299–300 (nach Moser 1910, 19), mit dem Hinweis, dass die genannten Musiker auf Grund dieser Quelle (Gültenbuch des Schottenklosters) nicht in bestimmte Ensembles gruppiert werden können. Zur Drehleier vgl. » Instrumentenmuseum Drehleier.
[101] » E. Kap. Tanzfeste, Hochzeiten. Zur Turniermusik unter Maximilian I. vgl. Fink 1992.
[102] Belege außerhalb der Region gibt es z.B. für England, Flandern und Paris: vgl. Bowles 1977, 68–77; Strohm 1985, 79–84.
[103] Es ist nicht sicher, dass die Turniere ausgeführt wurden (freundliche Auskunft von Stadthistoriker Dr. Alexander Zanesco).
[104] Bowles 1977, 70.
[105] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 1 (1412), fol. 77r.
[106] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 2 (1429), fol. 103v.
[107] Tiroler Landesarchiv Innsbruck (A-Ila), Hs. 114 (Rechnung der Amtleute an der Etsch), fol. 16v. Vielleicht ist dieser enorme Betrag anders erklärbar, etwa als Jahresabrechnung aller derartigen („aintzigen“) Ausgaben, die aus irgendeinem Grund in Sterzing vorgenommen wurde. Vgl. » D. Hofmusik. Innsbruck.
[108] Tiroler Landesarchiv Innsbruck (A-Ila), Hs. 155, fl. 2r.
[110] Tiroler Landesarchiv Innsbruck (A-Ila), Raitbuch 3 (1463), fol. 624r bzw. Raitbuch 4 (1466/67), fol. 317v.
[111] » D. Advenisti. Fürsten und Diplomaten. Auszug in Strohm 1993, 309–312.
[112] Foliozahlen nach Tiroler Landesarchiv Innsbruck (A-Ila), Hs. 158 und Hs. 203. Verrechnet werden auch Soldzahlungen an eigene Musiker in Judenburg, Wien, Enns und Villingen. Die Stadtväter von Regensburg und Nürnberg bezahlten auch den Trompetern Herzog Albrechts (sowie anderer Besucher) ebenso hohe Trinkgelder, normalerweise 1 fl. (= rheinische Gulden) pro Person.
[113] Die zwei verschiedenen Kurse für fl. (rheinische Gulden) sind in der Rechnung angegeben.
[114] Weiter zu süddeutschen Musikern unter der Herrschaft Maximilians I. vgl. » H. Minstrels und Instrument-Makers (Helen Coffey).
[116] Vgl. weiterhin » I. Musik für die Familie Fugger in Augsburg.
[117] Als Bildtypus entspricht ihr schon um 1430/31 Jan van Eycks (?) verschollenes Gemälde “Jagdfest einer Hofgesellschaft Philipps des Guten”, vgl. Bowles 1977, 91; das Bildthema der Unterhaltungsformen wurde später berühmt in Pieter Brueghels dörflichen Panoramen.
[118] A-Wsa OKAR 1438, fol. 82v–85v.
[119] A-Wsa OKAR, 1477, fol. 114v–115r.
[121] Bolzano/ Bozen, Archivio Istorico/Historisches Archiv (I-BZac), ABZ. 1.3 Hs. 182, 1512, fol. 40v.
[122] Schwob 1999, Bd. 1, 284-301: 301.
[123] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 9, 1504, fol. 103v bzw. fol. 91r; vgl. auch Senn 1938, 80–81.
[124] Żak 1979, 134; Green 2011, 16.
[125] Salmen 1983, 25.
[126] Wenzel 2018, 61.
[127] Zum sozialen Status und Dienst der „Musiksöldner“ vgl. Wenzel 2018, 53–83.
[128] Hartung 2003, 282, leider ohne Beleg, und 295–299 für weitere Angaben.
[129] Hassler 1848/1849, Bd. 3 (1849), 75; Übersetzung R.S.
[130] Simonsfeld 1903, 284; Übersetzung R.S.
[131] Vgl. auch » E. Kap. Stadt- und Hoftrompeter.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhard Strohm: Musiker in der Stadt, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich < https://musical-life.net/essays/musiker-der-stadt> (2020)