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Stadttrompeter: Signalwesen und Repräsentation

Reinhard Strohm

Reguläre Dienste für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Signalwesens und der städtischen Repräsentation wurden naturgemäß von vertraglich fest angestellten und entlohnten Personen durchgeführt.[18] In Wien nehmen seit ca. 1440 die besoldeten “trummeter” eine ganze Seite der Jahresrechnung für sich ein. Sie sind städtische Angestellte und erhalten ihren “sold”: 1444 waren es vierteljährlich je 6 lb. 4 s.[19] Außerdem wird den Trompetern, Pfeifern, Paukern und Herolden – ebenso wie anderen städtischen Bediensteten – jedes Jahr ein in den Stadtfarben gehaltenes “Hofgewand” angewiesen, das sie öffentlich zum Zweck der Repräsentation tragen. Es besteht 1444 aus 12 Ellen „rotem Tuch“ (85 d. pro Elle), einem Viertel “weißem Fridberger” (60 d.) und als Unterkleidung 12 Ellen weißem Tullner Tuch (24 d.). » Abb. Stadttrompeter in Wien 1444: Sold und Hofgewand.

 

Abb. Stadttrompeter in Wien, 1444: Sold und Hofgewand

Stadttrompeter in Wien, 1444: Sold und Hofgewand

„Ausgeben auf trumeter I[h]r[e]n Sold das jar [1444]“. Genannt sind Matthes Prewss, der im ganzen Jahr 26 tl. erhält, sowie (als zweiter Trompeter.mit gleichem Gehalt) Oberndorffer und Hans Peugker, der Oberndorffer ablöst. Das Hofgewand aus rotem und weißem Tuch erhalten sie „zu Pfingsten“.

Wiener Stadt- und Landesarchiv, Oberkammeramtsrechnungen (OKAR) B.1/1, Reihe 8, 1444, fol. 130v. Quelle: WStLA (CC BY-NC-ND 4.0), nicht bearbeitet.

 

Personaländerungen werden in den Rechnungen genau registriert; so bezahlt der Wiener Stadtkämmerer 1438 “dem alten trummeter auf dem turn von weichnachten unz [bis] an vasschang [Fastnacht] 8 wochen per 60 d. facit 2 lb.d.”, und “dem newn trummeter von vaschang unz auf weichnachten macht 44 wochen per 40 d. facit 7 tl. 80 d.”[20] Der Neuanfänger erhielt also einen merklich geringeren Lohn (2/3) als der Vorgänger am Ende seiner Karriere. Die Gehälter schwankten ohnehin in der Zeit zwischen 1438 und 1452 zwischen zwei und fünf Schillingen (60-150 d.) pro Woche.

In Wien gab es zwei, am Ende des Jahrhunderts drei festbesoldete Turmwächter. Sie wohnten auf dem Stephansturm, wo sie nachts und auch zur Winterszeit ausharren mussten. Wegen dieser regulären Wachdienste konnten sie nicht zu jedem Anlass in der Stadt auftreten; jedoch wurden sie je nach Eignung auch zu Festlichkeiten oder zum Kriegsdienst herangezogen und dann zeitweise auf dem Turm durch andere ersetzt. Das betraf z.B. den Trompeter und Turmwächter Meister Erhart Lindner, der 1476 mit seinem Sohn Frank zu Erzherzog Maximilian gesandt wurde (» Kap. Verschiedene Aufgaben). Die Trompeter, die bei öffentlichen Anlässen wie Scharlachrennen, Fürstenempfängen und Fronleichnamsprozessionen auftraten, waren natürlich vorzugsweise die offiziellen Stadttrompeter, denen je nach Bedarf andere Musiker beigesellt wurden, z.B. Pfeifer und öfters ein Pauker. 

Viele nichtmusikalische Wachdienste auf Tortürmen und Mauern wurden an temporär beschäftigte Personen vergeben: Unter ihnen waren besonders in Kriegszeiten auch ehrbare Bürger, wie z.B. 1457 der vormalige Stephanskantor Hermann Edlerawer (» E. Kap. Trompeter als Turmwächter).

In Hall i.T. konnte der Stadtrat dank einer Stiftung Herzog Rudolfs IV. den Wächtern auf dem Turm der St.-Nikolaus-Pfarrkirche ein Jahresgehalt von je 80 lb. zugestehen.[21] Die Wachtleute waren in “Tagwachter” und “Nachtwachter” eingeteilt; diese Unterscheidung liegt auch der Salzburger Dienstordnung von 1503 zugrunde (» E. SL Dienstregelung der Salzburger Nachtwächter). Außerdem unterschied man in Hall zwischen “Wachtern” und “Turnern”.[22] Die letzteren waren Trompeter und hatten neben ihren Hauptaufgaben, dem Wachen und täglichen Signalblasen zum Morgen und Abend, viele andere öffentliche Zwecke zu erfüllen, vor allem das Begrüßen prominenter Gäste und Verkünden wichtiger Ereignisse. 1484 kamen die Turner “12 Tage nicht vom Turm”, da sie wegen der Innsbrucker Herzogshochzeit so viele Gäste anblasen mussten.[23] Andererseits erwähnt eine Innsbrucker Dienstordnung des 16. Jahrhunderts die Pflicht des Turners, nicht vom Turm herabzugehen, “er blase denn jemand an”: Er befand sich dazu also auf der Straße.[24]

Die Arbeitsteilung war in Hall i.T. meist so, dass der Turner die Tagwacht und einen Teil der Nachtwacht übernahm; er bewohnte auf dem Turm die stattliche Turnerstube, wo ihm tagsüber seine Familie und mehrere Knechte Gesellschaft leisten konnten. Für den Rest der Nacht waren nur die Wachter oben.[25] Im Jahre 1412 bezahlte man den Wachtern ein Seil, damit sie sich das Essen hinaufziehen lassen konnten.[26] Bis 1520 gab es in Hall gewöhnlich nur einen festangestellten Turner mit einem Assistenten, der ab 1517 “Zuhälter” genannt wird.[27] Der Überblick über Rekrutierungen (oft aus anderen Städten) und Entlassungen der Turner deutet auf ein hartes Berufsleben;[28] die Musiker gingen öfter freiwillig fort als sie entlassen wurden, obwohl ihre Besoldung im Vergleich mit anderen Städten hoch war.

Aus Steyr wird berichtet, dass der Turnermeister ein 1480 erbautes Wachthaus am Tabor (Burgberg) bewohnte, jedoch 1528 in die Turmstube der Stadtpfarrkirche übersiedelte.[29]

Die Turner spielten eine ganze Familie von Blechblasinstrumenten, deren Benennungen zwischen “Trompete“ und „Posaune“ schwanken; daneben wurde oft noch das ältere “Turnerhorn” verwendet (» E. Hörner- und Trompetenschall). Schon 1509 ist auch der Zink (cornetto) als Türmerinstrument abgebildet.[30] Instrumente für die Turner bereitzustellen war Aufgabe der Stadtverwaltungen. Das Besitzinventar des Wiener Stadtkämmerers von 1435 nennt “zwo trummeten die hat der Wachter”, sowie “ain seidene freuntschen [Futteral] zu ainer trummetn”.[31] Eine weitere Trompete wurde 1441 für 4 gr. angefertigt.[32] Der Salzburger Rat beschaffte 1486 von dem Büchsenschmied und Munitionsmeister Niclas Kaltsmid zwei Posaunen, die er offenbar von auswärts gekauft hatte und “verlängern” musste, und ein Turnerhorn für (insgesamt nur) 6 fl. 6 s. 4 d.[33] In Hall wurde 1502 “zum Bedarf der Turner” ein Horn aus Messing zum “klein blasen” aus Nürnberg bestellt, was einschließlich des Fuhrlohns 18 lb. 1 kr. 3 d. kostete.[34]

[18] » E. Kap. Hörner- und Trompetenschall» E. Stadt- und Hoftrompeter. Die Aufgaben der Wachtleute und Türmer in süddeutschen Städten resümiert Green 2011, 8-19, mit weiterer Literatur. Vgl. auch Polk 1987 und Polk 1992.

[19] Wien, Stadt- und Landesarchiv (A-Wsa)OKAR B.1/1 Reihe 8, 1444, fol. 135v. Währung: 1 Pfund (tl.) = 8 große („lange“) Schillinge (s.) = 240 Pfennige (d., denarii).

[20] Wien, Stadt- und Landesarchiv (A-Wsa)OKAR B.1/1 Reihe 5, 1438, fol. 19r.

[21] Seit spätestens 1411 werden 40 lb. pro Quatember (Vierteljahr) abgerechnet, wahrscheinlich für zwei Personen: Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 1, 1411, fol. 53r und öfter.

[22] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 2, 1429, fol. 103v. Senn 1938, 77–93, berichtet über die Haller Stadttürmer, mit einer Namensliste für die Zeit von 1411 bis 1702. In dieser Namensliste wird niemals dieselbe Person einmal als “Wachter”, ein anderes Mal als “Turner” bezeichnet. Für süddeutsche Städte kann Green 2011, 8-19, eine deutliche Unterscheidung zwischen Turmwächtern (City watchmen) und Stadttrompetern (City trumpeters) feststellen.

[23] Senn 1938, 80.

[24] Senn 1938, 79.

[25] Senn 1938, 77, 90–93. Fast zur selben Zeit wie in Wien, 1451, brach in der Haller Turmstube ein Brand aus (» E. Kap. Trompeter als Turmwächter).

[26] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 1, 1412, fol. 80v.

[27] Senn 1938, 77.

[28] Senn 1938, 82–84.

[29] Fiala 2013, 175.

[30] Green 2011, 5-11, mit Abb. S. 10 (das Instrument ist hier nicht identifiziert); zum Zink/cornetto vgl. Polk 1992, 143-144. Zu Hörnern » E. Kap. Hörner- und Trompetenschall.

[31] Wien, Stadt-und Landesarchiv (A-Wsa), OKAR 1435, fol.

[32] Wien, Stadt-und Landesarchiv (A-Wsa), OKAR 1441, fol. 112v.

[33] Archiv der Stadt Salzburg (A-Ss), BU 263, fol. 24v. „fl.“ = Gulden (Florin), etwa 10-11 s.

[34] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 9 (1502), fol. 6v.