Lupis Umwelt
Der beachtliche Wohlstand, der in Johannes Lupis Testament bezeugt ist, ergibt sich zu einem Teil aus seinen materiellen Besitztümern, von denen viele für Musik bestimmt waren: Er besaß eine (Klein-)Orgel, ein Schaftpret, ein Clavicymbolum (Cembalo), ein Clavicordium und zwei Lauten! (Zu diesen Instrumenten vgl. » C. Orgeln und Orgelmusik) Seine Musikinstrumente, Haushaltsgeräte und liturgischen Bücher vermachte Lupi seinen Kollegen am Trienter Domkapitel sowie den Kaplänen, den Kirchendienern bis hin zum Glöckner und seinem persönlichen Diener, dazu dem Bischof (Georg Hack) und der Pfarre Kaltern, wo sein Nachfolger amtieren würde. Im Vermächtnis der Orgel an die Pfarrkirche Kaltern schreibt er:
„Item lego et ordino supradicte plebi organum vel positivum/cum duobus vollis ita quod uti debet ad laudem dei omnipotentis// et eciam ut sindici faciant michi obsequias…”[8]
(Ebenso verschreibe und vermache ich der erwähnten Pfarrkirche mein Orgelpositiv mit zwei Blasbälgen, das sie zur Ehre des allmächtigen Gottes verwenden sollen, und damit die Testamentsvollstrecker mir die Obsequien feiern können.)
Von noch bedeutenderem Wert waren die Rent- und Schuldbriefe, die Lupis verstreuten Immobilienbesitz in den Orten Trient, Kaltern und Bozen belegen. Manche Renten wurden nicht mit Geld, sondern in Naturalien bezahlt, z. B. erwartete er von einem Schuldner „quattuor plaustra vini“ (vier Wagenladungen Wein). Eine dieser Renten schuldete ihm „von altersher“ die Bruderschaft der Korbbinder (coczelpinter) an der St.-Jakobskapelle bei der Pfarrkirche Bozen, wo er eine Kaplanei innehatte. Es handelte sich um jährlich 25 lb. „Berner“ (Veroneser) Pfennige; im laufenden Jahr waren noch 18 lb. zu bezahlen. Diese Rente wurde der Bruderschaft geschenkt. Eine andere schuldete ihm ein gewisser Radschmid für eine Liegenschaft „am Placz“ (heute Obstplatz, schon damals Geschäftszentrum und Marktplatz von Bozen). Sie hatte den Wert von 5 lb. und wurde dazu verwendet, Vigilien, Offizien und Messen zu halten, was in einem Testament genauer expliziert werden müsste, falls es hier zum ersten Mal beschlossen würde: Lupi muss also bereits davor einen dementsprechenden Stiftbrief verfasst haben. Die Bruderschaft war mit dieser jährlichen Rente für seine Totengedächtnisfeiern an der Pfarrkirche Bozen zu bezahlen. Denn dort, und nicht in Trient, hat Johannes Lupi seine Jahrtage (Anniversarien) bestiftet. Auch die Verschreibung der Orgel an die Pfarre Kaltern erfolgte unter der Bedingung, dass man für ihn beten sollte, und bei der Verteilung der Hausgeräte an die Trienter Domkollegen bat Johannes Lupi noch einmal ausdrücklich „orate pro lupo“ (betet für den Wolf).
Die kulturelle Bedeutung der Bozner Pfarrkirche und ihres Personals im 15. Jahrhundert wird in » E. Bozen beschrieben, wo besonders auf die führende Rolle der Kirchenverwaltung und ihres Vorstandes, des Kirchprobstes, hingewiesen wird. Kirchprobst war zur Zeit der Abfassung von Lupis Testament Christoph Hasler jun., der später auch Bürgermeister von Bozen wurde: ein ehrgeiziger und talentierter Mann, der gerade um 1453–1460 sein großes „Urbar“ verfasste, das die Grundlage für die Kirchendienste bilden sollte (» Abb. Haslers Urbar). Hasler ist in Lupis Testament mehrfach erwähnt, denn er war der Bozner Testamentsvollstrecker seines langjährigen musikalischen Kollegen. Er hatte vor allem dessen umfangreiche Jahrtagsstiftung mit Gottesdiensten und Musikaufführungen zu organisieren. In diesem Zusammenhang lässt sich erst ermessen, wieso Johannes Lupis Vererbung seiner Musikmanuskripte an die Bozner Kirchenfabrik keine zufällige oder leichtfertige Bestimmung gewesen sein kann: Christoph Hasler wusste um Lupis Kantionalien, kannte wohl auch die Musik und hatte sicher bereits andere Male entsprechende Aufführungen durch die Chorschüler und Junkmeister bezahlen lassen, wie es seine Pflicht war. Auch wenn dabei von anderer Hand geschriebene Kopien verwendet wurden: Das Repertoire von Lupis Manuskripten – sehr wahrscheinlich der älteren Trienter Codices » I-TRbc 87 und » I-TRbc 92 – war nicht nur in Trient, sondern erst recht in Bozen zu Hause.
[8] Wright 1986, 268.
[1] Lunelli 1927; Spilsted 1976; Wright 1986; Wright 1989, 95–113. Lunelli 1927 reagierte auf Wolkan 1921, dem es um die Herkunft vor allem der späteren Codices (» I-TRbc 88, I-TRbc 89, I-TRbc 90, I-TRbc 91 und I-TRcap 93*) ging; doch hat Lunelli wichtige biographische Dokumente zu Lupi erstmals beigebracht. Wright 2013 bietet die bislang ausführlichste Beschreibung der Codices Trient 87-1 (I-TRbc 87) und 92-2 (I-TRbc 92).
[2] Nach Wright 1986, 265, mit kleinen Modifikationen (vgl. das dortige Faksimile).
[3] Vgl. Wright 1986, 252–254.
[4] Vgl. Gozzi/Curti 1994, 106.
[5] Wright 1986, 266.
[6] Vgl. Strohm 2014, 25–26.
[7] Das Wort “figuratus” (figuriert) bezeichnet in der Terminologie des Mittelalters und der frühen Neuzeit nicht einen mit Figuren oder Koloraturen ausgezierten Gesang, sondern einen mit besonderen Figuren, d. h. Mensuralnoten, aufgezeichneten Gesang. Der Gegensatz zum cantus figuratus ist der cantus planus, der einstimmige Choral.
[8] Wright 1986, 268.
[9] Zusammengefasst bei Wright 1986, 255–258.
[10] Diese Kaplanei war vielleicht nicht hoch dotiert, aber wegen ihrer zentralen städtischen Bedeutung (u. a. als Sitz einer wohlhabenden Zunft und später der Fronleichnamsbruderschaft) schon fast seit der Zeit ihrer Gründung durch reiche Bürger im Jahre 1378 von dem Tiroler Herzog und dem Trienter Domkapitel umkämpft. Dass Lupi bereits jener gelehrte „Hanns von Wien“ gewesen sein könnte, der 1423 von den Bozner Bürgern als Kaplan eingesetzt werden sollte, jedoch vom Herzog nicht geduldet wurde, bleibt bisher Hypothese; vgl. Haslers Urbar (» E. Bozen), fol. 98v. Jedenfalls war die Bestallung Lupis 1431 die erste seit Jahrzehnten, die im Einvernehmen zwischen Domkapitel und Herzog zustande kam.
[11] Es ist die Motette Argi vices Polyphemus, vielleicht von Nicolaus Zacharie: vgl. Strohm 1993, 116–117. Zu Herzog Friedrich IV., Lupi und den Konzilien vgl. Strohm 2013.
[12] Zu dieser Frage vgl. Wright 1982 und Strohm 2013.
[13] Vgl. Wright 1989, 108.
[14] Vgl. Wright 1982.
[15] Weiteres bei Strohm 2013.