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Freudenempfänge

Reinhard Strohm

Schon seit dem frühen Mittelalter waren Herrscherempfänge (lat. adventus) immer von Musik und Gesängen bzw. Akklamationen begleitet (» B. Kap. Akklamation). Die Praxis implizierte die religiöse Metapher der Ankunft Christi und älteste Ritualtraditionen. Im 14. und 15. Jahrhundert wurden aufwändige Herrscherempfänge im politischen Leben der Städte besonders wichtig. Für den Namen joyeuse entrée, damals geläufig in Frankreich und den Niederlanden, gibt es zwar kein Äquivalent in österreichischen Quellen, doch die Sache war genau dieselbe: zeremonieller Empfang auswärtiger Würdenträger mit ihrem Gefolge, die gewöhnlich am Stadttor bewillkommnet und unter Baldachinen mit Trompetenschall und Glockenläuten zum Rathaus, zur Burg oder zur Kirche geführt wurden; Festgottesdienst, Festbankett und möglicherweise Musikdarbietungen, Tanz und Turniere.[17]

Als Kaiser Sigismund im Jahre 1435 Wien besuchte (zum ersten Mal nach seiner Kaiserkrönung in Rom, 1433), war dies eher ein Zwischenaufenthalt vor seinem Besuch in Brünn und feierlichen Einzug in Prag am 23. August. Gleichwohl wurde er in Wien am Tor begrüßt und unter einem eigens angefertigten Baldachin in die Stadt geleitet; des Kaisers sowie der Stadt Trompeter wurden entlohnt; die fürstlichen Besucher erhielten Geschenke und wurden “von den Frauen geehrt”. Unter Sigismunds Begleitern befanden sich der Graf von Cilli und der König von Bosnien, Stjepan Trvtko II. (» Empfang auswärtiger Fürsten).

 

 

Abb. Empfang auswärtiger Fürsten in Wien, 1435

Besucher waren u.a. Kaiser Sigismund, Graf Ulrich von Cilli und der König von Bosnien, Stjepan II. Trvtko.

Wiener Stadt- und Landesarchiv, Oberkammeramtsrechnungen (OKAR), B. 1/1, Reihe 3, 1435, fol. 42v–43r.

Quelle: WStLA (CC BY-NC-ND 4.0), nicht bearbeitet.

 

Der am 2. Februar 1440 neugewählte König Friedrich III. wurde festlich in Wien empfangen, als er aus Wiener Neustadt ankam. Die Stadt bezahlte das Glockenläuten, den Organisten für das Spielen des Te Deum, sechs Knechte, die den Baldachin trugen, und andere, die die Fahnen zwischen den Heiltümern trugen – es gab also auch eine Prozession mit den Reliquien der Kirche. Die Fahnen bzw. Paniere waren neu bemalt worden, sicher mit dem Stadtwappen (» Abb. Wappen der Stadt Wien).

Auch aus anderen Städten sind öfters festliche Fürstenempfänge belegt, vor allem in der Zeit Maximilians I. und später (zu Empfängen von Karl V. in Innsbruck, München und Augsburg » D. Musik für Kaiser Karl V.). Die Bürger und Bürgerinnen von Hall i.T. begrüßten z.B. ihre vornehmen Gäste, indem sie ihnen an die Schiffslände des Inn entgegenzogen, gewöhnlich mit vom Stadtrat bezahlten Pfeifen und Trommeln, wie die Haller Stadtrechnungen von 1517 für einen Empfang von “kayserin und künigin” bezeugen.[18] Diese Stadtrechnungen lassen zudem vermuten, dass man seit dem späteren 15. Jahrhundert laute Ensembles von Pfeifen und Pauken bzw. Pfeifen und Trommeln (d.h. die Militärmusik) auch für bürgerliche Feste bevorzugte; Lautenisten wurden in der Öffentlichkeit seltener beschäftigt. Bei den Feiern zur Königswahl Karls V. im Jahre 1519 gab es nicht nur Trompetenschall für den Festzug, sondern auch Böllerschüsse vom Kirchturm, während die vorgeschlagene Zurschaustellung zweier Bären offenbar dankend abgelehnt wurde.[19]

Wiener Empfänge von Fürsten, Adligen, Prälaten und Gesandtschaften sind in den Stadtrechnungen und anderen Quellen in dichter Folge aufgezählt. Bedeutsam ist, dass bei solchen Veranstaltungen immer Musiker verschiedener Herren zusammenkamen; zumindest die ortsansässigen Trompeter und Pauker trafen mit Kollegen anderer Herrschaften zusammen; beide Gruppen wurden gewöhnlich von beiden ­Dienstherren belohnt, wofür sie selbstverständlich spielen mussten. Niemand scheint bisher zu wissen, wie die Musiker sich akustisch aufeinander einstellten bzw. inwieweit dies überhaupt möglich war. Trompeter, Pauker, Lautenisten, Pfeifer, Posaunisten, Herolde, “Sprecher”, >Persevanten< (Tanz- und Zeremonienmeister), Hofnarren, Türhüter und Gaukler wurden ebenso wie ihre Herren gastlich empfangen; die Stadtrechnungen ordnen diese Vorgänge unter “Schankung und Erung” ein, weil nicht nur die vornehmen Gäste, sondern auch deren Musiker mit Geschenken geehrt wurden. Diese aus der feudalen Fürstentradition stammende Praxis kontrastierte erheblich mit der Respektlosigkeit, die führende Theologen dieser Berufsgruppe entgegenbrachten (» H. Tanz und Verderben).