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Trompeter als Turmwächter

Reinhard Strohm

Der Hauptaufenthaltsort der Stadttrompeter scheint nicht die Straße gewesen zu sein und auch nicht das Rathaus, sondern der Kirchturm und der Wachtturm. Dort waren jene Trompeter lokalisiert, die als Turmwächter regelmäßig besoldet wurden, wie z. B. die Stadtrechnungen von 1451 und 1452 aussagen:
„Item zwain Turrnern in Sant stephans Turn lii wochen alle wochen vi s. d. facit xxxviiii tl. d.“[36];
„Item ii trummetern im turn lii wochen sold […] alle wochen vi s. d. Facit  xxxviiii tl. d.“[37].
Es handelt sich offensichtlich um dieselben zwei Turmtrompeter.
Im Jahr 1458 wurden den Trompetern auf dem Turm die Kosten von acht Fudern Waldholz einschließlich des Holzhackens erstattet: gewiss, weil sie dort oben im Winter offenes Feuer machten.[38] Leider war dementsprechend 1451 zu beklagen, dass einer der Türmer vom „wild feur verprennt“ worden sei (Brandverletzungen erlitten habe), weshalb er 8 tl. d. Kompensation erhielt; sein Arzt, Meister Niclas Vörstl, wurde mit 3 tl. 6 s. d. bezahlt und der Knecht, der „in seiner Krankheit für ihn dienen“ musste, mit 10 s. d.[39] Zu anderen Zeiten gab oder erstattete man den Türmern auch einen „Wachtpelz“.[40] Ohnehin waren diese städtischen Beamten seit der Mitte des 15. Jahrhunderts Anwärter auf ein jährliches „Hofgewand“, wie es damals in vielen städtischen und höfischen Diensten üblich war.[41]

Mit dem Dienst auf St. Stephan war die Wächterfunktion der Stadttrompeter jedoch nicht erschöpft. Vor allem in Kriegszeiten dürften alle wichtigen Wachttürme der Stadt mit Trompetern besetzt gewesen sein – nämlich das Stubentor im Osten, das Kärntner Tor im Süden, das Widmertor im Südwesten, das Schottentor im Nordwesten und das Werdertor und der Rote Turm im Norden. Laut Verordnungen des Stadtrats, z. B. von 1454 und 1457, waren in Krisenzeiten immer nur vier Tore passierbar (Stubentor, Kärntner Tor, Schottentor und Roter Turm). Auf den Toren wachten von der Stadt ernannte ehrbare Bürger – darunter im November 1457 der vormalige Stephanskantor Hermann Edlerawer (» G. Hermann Edlerawer) – und diesen Wachmännern waren auch Trompeter zugesellt. Ihre Warnsignale bei feindlichen Angriffen oder Feuer waren innerhalb der Stadt durch Berittene an die anderen Turmtrompeter weiterzugeben, da die Entfernungen für direkte akustische „Stafetten“ wohl zu groß waren (doch ist darüber noch wenig bekannt). Selbstverständlich ertönten Warnsignale von Trompeten auch in der Nacht, so z. B. 1477 bei der Belagerung Wiens durch die Ungarn (14. August bis 20. Dezember), als die Trompeter des an der Stadtverteidigung beteiligten Grafen Wilhelm von Sternberg eigens dafür entlohnt wurden.[42] Es gab auch städtische Wachttrompeter in den Vorstädten, z. B. 1463 einen „Hansen trummeter zu sand tiebold“ (d. h. am Theobaldkloster vor dem Widmertor).[43]

[36] OKAR 11 (1451), fol. 56r.

[37] OKAR 12 (1452), fol. 75r.

[38] OKAR 12 (1452), fol. 75r.

[39] OKAR 11 (1451), fol. 56r. Es handelt sich wohl um den Turmbrand von 1449, dem auch das Hornwerk und das Ziffernblatt der Turmuhr zum Opfer fielen (vgl. Kap. Hornwerke).

[40] OKAR 38 (1475), fol. 34v.

[41] Vgl. weiter zu den städtischen Musikern und ihren sozialen Belangen » E. Städtisches Musikleben.

[42] OKAR 40 (1477), fol. 115r.

[43] OKAR 21 (1463), fol. 37r.