Analyse des Spiels
Die Märtyrerlegende kombiniert zwei dreiteilige Schemata: zum einen das Legendenschema von Konfrontation, Glaubensbeharren trotz Folter und Martyrium mit Mirakel, zum anderen das Schema: sündhaftes Leben, Umkehr durch göttliches Wirken und Hinrichtung. Auch im Dorothea-Spiel finden wir diese Struktur, zumindest deutet im erhaltenen Teil alles darauf hin. Es beginnt mit der moralisierenden Einleitung des Praecursors, der Aufforderung an alle, ein Kirchenlied gemeinsam zu singen, und der erzählten Vorgeschichte. Die dramatische Handlung weicht von der Legende u. a. in der Gestaltung der Schwestern ab, deren Glaubensabfall vor den Folterungen in Szene gesetzt wird, um ihre Wiederbekehrung und ihren Märtyrertod stärker zu akzentuieren. Der Text bricht aber schon etwa bei seiner Hälfte ab, unmittelbar nach der Zerstörung des Götzenbilds und den folgenden Bekehrungen. Die Figurenkonstellation verbindet Rollen aus der Legende mit eigenen Erfindungen: Den zentralen Gestalten Fabricius und Dorothea stehen ein Dämon bzw. ein Engel bei. Dem in der Legende nicht vorgebildeten Gefolge des Statthalters gehören sein Hauptmann Grim und der Herold Ewer sowie die Folterknechte Notopolt und Tarant an, stumpfe, gierige Gewaltmenschen, die Dorothea vor der Ölfolter die Kleider vom Leib reißen. Zu den 15 Sprechrollen zählen neben dem Prologisten u. a. noch die Schwestern sowie vier Heiden; Theophil wäre im zweiten Teil aufgetreten. Statisten stellen Soldaten, Heiden, Engel und Volk dar.
[1] Vgl. u. a. Müller 2004 und Fischer-Lichte 2004.
[2] Dies im Unterschied zu anderen Gattungen des mittelalterlichen Dramas, z. B. den Passions- und Osterspielen.
[3] „Johannes Seld de Lewbsa“, Sohn des Ulreich Seld, immatrikulierte 1401 an der Wiener Universität. 1433 verpfändete er für ein Darlehen eineinhalb Joch eines in Langenlois gelegenen Weingartens an den Kremsmünsterer Abt. Nicht zu verwechseln mit dem späteren Rektor „Johannes Seld de Wyenna“, vgl. Uiblein 1999, 108f.
[5] Vgl. Ukena 1975, 337–349.
[6] Vgl. A-Iu Cod. 960, fol. 4v, bzw. Thurnher /Neuhauser 1975, unpaginiert.
[7] Vgl. Treutwein 1987, S. 280.
[8] Vgl. Milchsack 1881, S. 13.
[9] Pfeiffer 1862, 29–47, hier 43. Zu Berthold von Regensburg vgl. auch » J. Formen der Laienfrömmigkeit und » Abb. Berthold von Regensburg.
[10] Vgl. Stalmann/Ameln 1997, 120 und Becker 2001, 42–50.
[11] Zur Funktion und Aufteilung der Silete-Rufe vgl. Biermann 1977, 47–52. Vgl. auch » H. Sterzinger Spielarchiv.
[12] Nachdrücklich weist Jefferis 2010, passim, auf diese Beziehung hin.
[14] Neumann 1987, 819.