Nun bitten wir den Heiligen Geist
Bei der Spieleröffnung verweist der Praecursor zunächst auf die Nothelfer- und Fürbitterin-Funktion der heiligen Dorothea („daz vnz der hulfe werde me“), um dann das Volk aufzufordern, im gemeinsamen Gesang um die Gnade des Heiligen Geists zu bitten (» Kap. Codex Cremifanensis 81):
„Nu singe wir alle dysen leys. Nu bitte wir den heyligen geyst etc. et cantat omnis populus.“
(Nun bitten wir den heiligen Geist usw., und alle Leute singen.)
Der Leis Nun bitten wir den Heiligen Geist (» Hörbsp. ♫ Nun bitten wir), der bis heute zu den bekanntesten Beispielen dieser Liedform zählt (» B. Geistliches Lied), hatte eine zentrale Rolle in der gottesdienstlichen Praxis, zu der ja auch das geistliche Spiel zählte. Im theatralen Kontext ist der deutschsprachige Leis in ganz ähnlicher Funktion im Neustifter-Innsbrucker Spiel von Mariae Himmelfahrt,[6] in der Alsfelder Dirigierrolle[7] oder auch noch in Burkard Waldisʼ Parabel vom verlorenen Sohn[8] erwähnt. Inspiriert von der lateinischen Sequenz Veni Sancte Spiritus, wird dieser wohl in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene, ursprünglich einstrophige Leis bereits in der (Berthold von Regensburg zugeschriebenen) Predigt Von drin lâgen (um 1250?) als „ein nütze sanc“[9] präsentiert.
Zum ersten Mal mit deutschem Text und sicher lesbarer Melodie begegnet uns Nun bitten wir den Heiligen Geist als Tenor (unterste Stimme) einer dreistimmigen Motette, die um 1440 in Wien aufgezeichnet wurde:
Eine dreistimmige Vertonung des Textes findet sich auch im Glogauer Liederbuch (PL-Kj Berol. Mus. ms. 40098) von ca. 1480 (Nr. 123).[10] Die pentatonische Melodie könnte ursprünglich mit Böhmen zu tun haben, denn sie ähnelt jener des tschechischen Jhesu Kriste-Leis, der als Nummer 53 im hussitischen Kantional von Jistebnice (» CZ-Pnm Ms. II C 7, um 1420) eingetragen ist.
[6] Vgl. A-Iu Cod. 960, fol. 4v, bzw. Thurnher /Neuhauser 1975, unpaginiert.
[7] Vgl. Treutwein 1987, S. 280.
[8] Vgl. Milchsack 1881, S. 13.
[9] Pfeiffer 1862, 29–47, hier 43. Zu Berthold von Regensburg vgl. auch » J. Formen der Laienfrömmigkeit und » Abb. Berthold von Regensburg.
[10] Vgl. Stalmann/Ameln 1997, 120 und Becker 2001, 42–50.
[1] Vgl. u. a. Müller 2004 und Fischer-Lichte 2004.
[2] Dies im Unterschied zu anderen Gattungen des mittelalterlichen Dramas, z. B. den Passions- und Osterspielen.
[3] „Johannes Seld de Lewbsa“, Sohn des Ulreich Seld, immatrikulierte 1401 an der Wiener Universität. 1433 verpfändete er für ein Darlehen eineinhalb Joch eines in Langenlois gelegenen Weingartens an den Kremsmünsterer Abt. Nicht zu verwechseln mit dem späteren Rektor „Johannes Seld de Wyenna“, vgl. Uiblein 1999, 108f.
[5] Vgl. Ukena 1975, 337–349.
[6] Vgl. A-Iu Cod. 960, fol. 4v, bzw. Thurnher /Neuhauser 1975, unpaginiert.
[7] Vgl. Treutwein 1987, S. 280.
[8] Vgl. Milchsack 1881, S. 13.
[9] Pfeiffer 1862, 29–47, hier 43. Zu Berthold von Regensburg vgl. auch » J. Formen der Laienfrömmigkeit und » Abb. Berthold von Regensburg.
[10] Vgl. Stalmann/Ameln 1997, 120 und Becker 2001, 42–50.
[11] Zur Funktion und Aufteilung der Silete-Rufe vgl. Biermann 1977, 47–52. Vgl. auch » H. Sterzinger Spielarchiv.
[12] Nachdrücklich weist Jefferis 2010, passim, auf diese Beziehung hin.
[14] Neumann 1987, 819.