Aufführungsmotivation und -belege
Zu keinem anderen Legendenspiel haben sich auch nur annähernd so viele Aufführungsberichte vor 1600 erhalten wie zum Dorothea-Spiel. Förderlich für dessen Popularität war sicherlich, dass der Dorothea-Feiertag, der 6. Februar, in der theateraffinen Faschingszeit liegt. Als thematische Anbindung für Heischegänge und Schulaufführungen bot sich das Motiv des Knaben mit dem Früchte- und Blumenkorb an, das die Dorotheenlegende von den schematisierten Abläufen ähnlicher Märtyrerinnengeschichten abhob. Die Bedrohung des Glaubens und die Beschwörung christlicher Standhaftigkeit wiederum macht es nachvollziehbar, warum der Stoff zumal in Krisenzeiten Anklang fand. Eine besondere Rolle spielte dabei offenbar der Deutsche Orden, der der Heiligen seit dem frühen 14. Jahrhundert eine besondere Verehrung zukommen ließ.[12] Förderer des Ordens waren als deutsche Kaiser auch die Habsburger, die in Wien den Dorotheenkult seit spätestens der Mitte des 14. Jahrhunderts massiv unterstützten.[13] (» I. Frauen)
Im deutschen Sprachraum haben sich bislang zumindest 17 Hinweise auf Aufführungen eines Dorothea-Spiels gefunden. In Kremsmünster selbst ist keine belegt, aber vom benachbarten Kloster Lambach wurde, schon lange bevor der Codex A-KR Cod. 81 nach Oberösterreich kam, von einem alljährlichen „löbleichen gesang“ zu Ehren der Hl. Dorothea berichtet; die dafür verwendete stolze Summe von „acht pfunt Wienner phenning“[14] lässt eine aufwändigere Inszenierung vermuten.
[12] Nachdrücklich weist Jefferis 2010, passim, auf diese Beziehung hin.
[13] Ausführlicher dazu Wolf 2006, 26, 115, 149, 152 und 231.
[14] Neumann 1987, 819.
[1] Vgl. u. a. Müller 2004 und Fischer-Lichte 2004.
[2] Dies im Unterschied zu anderen Gattungen des mittelalterlichen Dramas, z. B. den Passions- und Osterspielen.
[3] „Johannes Seld de Lewbsa“, Sohn des Ulreich Seld, immatrikulierte 1401 an der Wiener Universität. 1433 verpfändete er für ein Darlehen eineinhalb Joch eines in Langenlois gelegenen Weingartens an den Kremsmünsterer Abt. Nicht zu verwechseln mit dem späteren Rektor „Johannes Seld de Wyenna“, vgl. Uiblein 1999, 108f.
[5] Vgl. Ukena 1975, 337–349.
[6] Vgl. A-Iu Cod. 960, fol. 4v, bzw. Thurnher /Neuhauser 1975, unpaginiert.
[7] Vgl. Treutwein 1987, S. 280.
[8] Vgl. Milchsack 1881, S. 13.
[9] Pfeiffer 1862, 29–47, hier 43. Zu Berthold von Regensburg vgl. auch » J. Formen der Laienfrömmigkeit und » Abb. Berthold von Regensburg.
[10] Vgl. Stalmann/Ameln 1997, 120 und Becker 2001, 42–50.
[11] Zur Funktion und Aufteilung der Silete-Rufe vgl. Biermann 1977, 47–52. Vgl. auch » H. Sterzinger Spielarchiv.
[12] Nachdrücklich weist Jefferis 2010, passim, auf diese Beziehung hin.
[14] Neumann 1987, 819.