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Stadt- und Hoftrompeter

Reinhard Strohm

Das ursprünglich den Fürsten und dem Adel vorbehaltene Recht, Trompeter zu beschäftigen, war seit dem 14. Jahrhundert von der jeweiligen Obrigkeit auch an manche Stadtgemeinden erteilt worden.[29] Wien hatte jedenfalls bereits vor 1400 eigene Stadttrompeter; wie im Fürstendienst waren ihre Instrumente mit Standarten oder „Panieren“ ausgestattet, auf die das Stadtwappen gemalt war. Sabine Żak bringt in Erinnerung, dass spätestens seit dem Hochmittelalter lauter Schall („schal“, lat. „clamor“) als würdiges Symbol von Herrschaft galt und dass auch musikalische Formen davon vor allem zur Repräsentation dienten, weniger zur musikalischen Unterhaltung.[30]

Außer den zwei, später drei amtlich angestellten und besoldeten Trompetern des Wiener Rats gab es wohl ein Dutzend andere, die zwar in der Musikerzeche registriert sein mussten, um in der Stadt arbeiten zu können, die aber nur kurzzeitig zu festlichen Anlässen und ansonsten vor allem in Kriegssituationen eingesetzt wurden (» E. Städtisches Musikleben; » E. Musiker in der Stadt). Hinzu kamen die Trompeter der Fürsten und auswärtiger Herren, die bei wichtigen Ereignissen in der Stadt zusammenkamen. Fürstliche Trompeter reisten gewöhnlich entweder mit ihrer Herrschaft oder allein bzw. zu zweit, meist zu Pferde. Zwei Spielkarten aus dem Wiener Hofämterspiel zeigen königliche Trompeter, wie sie gastweise in der Stadt aufgetreten sein mögen; sie spielen Zugtrompeten mit verschiebbarem Mundstück und führen Maskottchen mit sich (» Abb. Berittener Trompeter, Böhmen; » Abb. Berittener Trompeter, Ungarn).[31]

 

Abb. Berittener Trompeter, Böhmen

Abb. Berittener Trompeter, Böhmen

Kolorierte Spielkarte (Hofämterspiel), Wien um 1455, 13,9 x 9,9 cm. Kunsthistorisches Museum Wien, KK 5103. Tracht und Wappen Böhmens beziehen sich wahrscheinlich auf die böhmische Königswürde von Ladislaus Postumus (1453). Zugtrompete mit verschiebbarem Mundstück.

 

Abb. Berittener Trompeter, Ungarn

Abb. Berittener Trompeter, Ungarn

Kolorierte Spielkarte (Hofämterspiel), Wien um 1455, 13,9 x 9,9 cm. Kunsthistorisches Museum Wien, KK 5088. Tracht und Wappen Ungarns beziehen sich wahrscheinlich auf die ungarische Königswürde von Ladislaus Postumus (1440). Zugtrompete mit verschiebbarem Mundstück.

 

Bei festlichen Umzügen im September 1452 zum Empfang des ungarischen und böhmischen Thronfolgers Ladislaus Postumus registrieren die Stadtrechnungen Entlohnungen an insgesamt 16 verschiedene Trompetergruppen auswärtiger Herrschaften, also etwa 32 Personen (» E. Städtisches Musikleben, Kap. Freudenempfänge). Es ist leider kaum bekannt, wo und wann diese Gruppen spielten, ja nicht einmal, inwieweit jede Gruppe für sich allein zu Gehör kam oder auch mehrere gleichzeitig am selben Ort. In der Konstanzer Konzilschronik von Ulrich von Richental heißt es gelegentlich, die Trompeter (und anderen Musiker) hätten „in widerstrit“ gespielt, d. h. regellos gleichzeitig und vielleicht mit dem Versuch, die Konkurrenz zu übertönen.[32] In Wien ist öfters bezeugt, dass auswärtige Trompeter in der Stadt umherritten;[33] so verschaffte man ihnen weit und breit Gehör bei der Bevölkerung, auch wenn sie keine besondere Mitteilung zu machen hatten und nur die Anwesenheit ihres Dienstherrn in der Stadt demonstrierten. 1441 wurden königliche Trompeter fast wie große Herren begrüßt, als sie von einer militärischen Expedition zurück in die Stadt kamen: „Den trummetern vor dem volkch herein in di stat und in der stat als dasselbe volkch von Ydungspewgen kom und sind des Kunigs trummeten gewesen facit 1 tl.“[34]

Es stellt sich die Frage, ob Trompeter unterscheidbare Signale, Fanfaren oder gar Melodien spielten, die vielleicht analog zur heraldischen Semantik aufgeschlüsselt werden konnten. Gab es eine „Trompetensprache“? Hypothesen hierzu, die sogar von „klingenden Wappen“ bzw. „tönender Heraldik“ sprechen, sind für die späteren Jahrhunderte vorgeschlagen worden.[35] Diese erscheinen jedoch für die Zeit vor 1500, aus der keinerlei schriftliche Zeugnisse für eine solche Praxis vorhanden sind, etwas zu romantisch. Im Krieg waren andererseits erkennbar differenzierte Signale lebenswichtig. Die Erforschung dieser Tradition hat erst begonnen (» D. Krieg und Zeremonie).

[29] König Sigismund erteilte auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) Trompeterprivilegien an die Freien Reichsstädte Konstanz, Augsburg, Nürnberg und Ulm (Żak 1979, 149–155).

[30] Żak 1979, 7–21.

[31] Vgl. Schusser 1986, 164, Nr. 151 (Ziegler) und die Abb. auf S. 48.

[32] Vgl. Strohm 1993, 107, und Schuler 1966, beide mit weiteren Beispielen.

[33] So z. B. die Trompeter König Albrechts II. nach seiner Krönung in Prag im Juni 1438 (OKAR 5 (1438), fol. 62r).

[34] OKAR 7 (1441), fol. 110r. Für „Ydungspewgen“ lies „Jedenspeigen“ (im Marchfeld; Sitz einer aufständischen Adelsfamilie). Unter “volckch” sind die städtischen Söldner zu verstehen.

[35] Vgl. Żak 1979, 55, 59–61.