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Uhren

Reinhard Strohm

Viele Arten von Klängen, die man in der mittelalterlichen Stadt hörte, wurden nicht nur als musikalische Töne empfunden, sondern auch als Signale verstanden. Die „Klangtopographie“ einer Stadt sollte vielleicht zusammen mit einer „Klangchronologie“ entworfen werden: Es geht nicht nur darum, was man hörte, sondern auch wann man es hörte. Aus dem späten Mittelalter sind Uhrwerke und Turmuhren öfters erhalten (wie z. B. die berühmte astronomische Uhr am Prager Rathaus von 1410) und diese konnten meist durch ein einfaches zusätzliches Räderwerk auch die Stunden anschlagen. Es ist zu unterscheiden zwischen Schlaguhren, die mittels einer angeschlossenen Metallglocke die Stunden auch in einiger Entfernung hörbar machten, und sogenannten Türmeruhren, die in der Art eines Weckers nur dem Türmer stündliche Signale gaben, die große Kirchenglocke anzuschlagen.[9] Von letzterer Art soll die Turmuhr von St. Stephan um 1380 gewesen sein. Seit dem frühen 15. Jahrhundert war jedoch eine mechanische Schlaguhr unterhalb der Türmerstube eingerichtet, die nach einem Brand in der Türmerstube 1449 ein neues Zifferblatt bekam.[10] Der Wiener Stadtrat hatte in seinem Sold einen „Uhrmeister zu St. Stephan“, der dort die Turmuhr betreute.[11] Außer St. Stephan verfügte keine Wiener Kirche über eigene Türmer; einige Klöster dürften allerdings weithin hörbare Schlaguhren besessen haben.

Der regelmäßige Stundenschlag war in größeren Ansiedlungen schon deshalb erforderlich, weil die verschiedenen Kirchen und Klöster ihre Gottesdienste nicht genau zur selben Zeit begannen: Die Zeitangabe einer zentralen Turmuhr – sei es auf dem wichtigsten Kirchturm, sei es am Rathaus – legte sich wie ein allgemeines akustisches Raster über die vielen einzelnen Glockenzeichen und half wohl auch, kirchliche und städtische Funktionen aufeinander abzustimmen. Jedenfalls diente die Turmuhr den Einwohnern nicht nur als „Klingender Kalender“ des Tagesablaufs, sondern auch als räumliches Zentrum der urbanen Kommunikation. Wolfgang Schmeltzl beschreibt in seinem Lobspruch der Stadt Wien (1547) die Turmuhr von St. Stephan mit den Worten: „Künstlich gemacht, gerecht sie geht, danach sich jeder hab zu richten, wiewohl die Ziffer klein […]“.[12]

[9] Ein Beispiel der letzteren aus dem 15. Jahrhundert bei Schusser 1986, 13, Nr. 3.

[10] Fenzl/Zehetner 2009, 1–3.

[11] Genannt wird z. B. “Hans Hofmann” im Jahre 1481 (OKAR 45 (1481), fol. 21v).

[12] Fenzl/Zehetner 2009, 2.