Klösterliche Mehrstimmigkeit. Arten und Kontexte
Der mehrstimmige cantus planus
Alexander Rausch erinnert zu Recht daran, dass die Musikpraxis der klösterlichen Mehrstimmigkeit für die Ausführenden und Hörer ihrer eigenen Zeit wohl eher kunstvoll und festlich geklungen haben dürfte als “primitiv”, “archaisch”, “peripher” oder “retrospektiv” (» A. Kap. Klösterliche Mehrstimmigkeit – primitiv und archaisch?). Die letzteren Bezeichnungen für solche Musik wurden von Forschern des 20. Jahrhunderts eingeführt, die gelegentlich, um eine negative Wertung auszuschließen, auch Begriffe wie “einfach”, “früh”, “liturgisch”, „organal“, “usuell” oder gar “bodenständig” verwendeten. In der Pluralität der Bezeichnungen spiegelt sich ein Interesse der internationalen Forschung des 20. Jahrhunderts, das freilich außerhalb von Spezialstudien noch wenig zur Sprache gekommen ist.[1] Der Grund dafür ist leicht zu erkennen: “Mittelalterliche Musik” wird in die Bereiche “einstimmig” und “mehrstimmig” eingeteilt. Den ersteren Bereich bildet die große Tradition des lateinischen Kirchenchorals und die volkssprachliche Sangdichtung (Troubadours, Minnesänger usw.); der letztere ist die Polyphonie seit dem Organum der Karolingerzeit, die sich über die Kunst der Notre-Dame-Schule und der Ars Nova des 14. Jahrhunderts zur Renaissance-Polyphonie und zur heutigen Musik fortentwickelte. “Einfache” Mehrstimmigkeit kann in diesem allgemeinen Schema nur den Platz einer zweitrangigen Variante der kunstvollen Mehrstimmigkeit einnehmen. Ihr fehlt einerseits die Würde des unbegleiteten Kirchenchorals, andererseits die künstlerische Fortschrittlichkeit der Polyphonie.[2]
Musikhandschriften, Traktate sowie archivalische und literarische Quellen der Zeit selbst unterscheiden jedoch weniger deutlich zwischen “Monophonie” und “Polyphonie”; keiner der beiden Begriffe war damals im Gebrauch. Die zeitgenössischen Begriffe “diaphonia”, “organum” oder “discantus” (mit ihren Varianten) bezogen sich auf spezifische Techniken innerhalb des Bereichs, den wir unter Polyphonie verstehen. Andererseits war der cantus planus, das überkommene Repertoire des liturgischen Chorals, nicht auf eine einzige Vortragsweise beschränkt. Der Choral konnte in besonderen Fällen verziert oder instrumental (vorzugsweise mit der Orgel) begleitet werden, so wie er auch häufig mit textlichen und musikalischen Zusätzen (Tropen) ausgestattet wurde.[3] Stimmverdopplungen im Quint- und Oktavabstand, ja sogar in wechselnden Intervallen, hoben den Charakter des cantus planus nicht unbedingt auf. Der scheinbar widersprüchliche Name “cantus planus binatim” (“Choralgesang zweifach”) von Prosdocimus de Beldemandis, um 1410, bestätigt diesen Zusammenhang.[4]
Wie Rausch darlegt (» A. Kap. Zweistimmiges Singen) wurde mehrstimmiges Singen im Gottesdienst in den einstimmigen Vortrag mancher Gesänge eingebettet. Als eine Art ad-libitum-Vortragsweise war es nicht auf bestimmte Gattungen beschränkt, obwohl es für einige Gattungen der Messe und des Stundengebets bevorzugt wurde. Die Praxis war regional und chronologisch unterschiedlich; kaum ein einziger Gesang ist mehrstimmig überliefert, der nicht anderswo auch einstimmig vorgetragen wurde. Sehr wahrscheinlich wurden oftmals zusätzliche Stimmen extemporiert, die man nicht notierte.
Nach Theodor Göllner hatte die “frühe Mehrstimmigkeit” (wie er sie nannte) vor allem den Zweck, “eine gegebene Melodie in einen Klang einzubetten”.[5] Diese Bereicherung oder Ausschmückung des Melodievortrags durch Zusatzstimmen förderte die Lebendigkeit des Ritus; sie existierte neben anderen festlichen Vortragsarten wie Verzierung, Tropierung, Instrumentalbegleitung, kontrapunktischen Formen wie Organum und Discantus, oder einstimmig-rhythmisiertem Vortrag (vgl. » A. Cantus fractus). Rhythmus und Deklamation waren jedoch vom Wortvortrag bestimmt, nicht durch schriftlich fixierte Rhythmen individuell verändert. Diese Art der Mehrstimmigkeit nimmt deshalb einen Platz unter anderen Ausführungsweisen des Kirchenchorals ein, die alle zu verschiedenen Zeiten und in mehr oder weniger kunstvollen Formen geübt wurden, ohne einen eigenen Platz in der Entwicklungsgeschichte der Polyphonie zu beanspruchen. Vgl. » Abb. Ausführungsweisen des Kirchenchorals.[6]
Zum Begriff der nichtmensuralen Mehrstimmigkeit
F. Alberto Gallo, der in einem wegweisenden Beitrag die Bezeichnung “cantus planus binatim” für die gesamte Tradition der einfachen Mehrstimmigkeit Italiens einführen wollte, hat Letztere auch als “non-mensural polyphony” charakterisiert, und Rudolf Flotzinger verwendet die Bezeichnung „non-mensural“ im Titel seiner Einführung in die österreichischen Quellen dieser Tradition.[7] “Nichtmensural” ist in der Tat die beste Beschreibung dieser Musikpraxis, die zumindest in Zentraleuropa auch außerhalb des kirchlichen Ritus geübt wurde, z.B. in volkssprachlichen geistlichen Liedern, lateinischen Cantionen und weltlichen Autorliedern (etwa des Mönchs von Salzburg und Oswalds von Wolkenstein). Die weltliche Praxis beschreibt Marc Lewon in » B. Non-mensural polyphony in secular repertories; hier soll die kirchliche, vorwiegend klösterliche, Tradition der Region Österreich und angrenzender Gebiete behandelt werden.
Mit „nichtmensural“ ist eine Aufführungsweise gemeint, die ohne Kenntnis der Regeln der Mensuralmusik des 13. bis 16. Jahrhunderts funktionierte, die das genaue arithmetische Verhältnis verschiedener Notenwerte in der Notation festlegten.[8] Offenbar wurde die Beherrschung dieses Regelsystems noch bis Ende des Mittelalters als besondere Geschicklichkeit angesehen: Sie wurde in eigenen Traktaten gelehrt und in Kirchen und Klöstern, wenn überhaupt, nur von Spezialisten gepflegt. Die entsprechende Musik galt als “cantus mensurabilis” (mensurierbarer Gesang) oder “cantus figuratus” (figurierter Gesang), weil die Notendauern durch besondere Zeichen (figurae) wie rhombische Form, Fähnchen, Kolorierung, Divisionspunkte, Mensurzeichen und notenwertbestimmende Ligaturen festgelegt wurden. Die nichtmensurale mehrstimmige Praxis dagegen erforderte nur die traditionellen Notationsmittel der Choralschrift: Einzelzeichen und Ligaturen ohne Notenwertbedeutung. Die Stimmen wurden durch den gleichzeitigen Vortrag des Textes und durch mündlich vereinbarte Konventionen koordiniert, wie es seit jeher auch im einstimmigen Choral praktiziert worden war. So bildet die nichtmensurale Mehrstimmigkeit des Spätmittelalters, zu der die klösterliche Mehrstimmigkeit als weitaus wichtigste Untergruppierung gehört, tatsächlich einen eigenen Bereich gegenüber der mensuralen Polyphonie. Sie unterscheidet sich von ihr in dreierlei Weise: kulturell, musiktechnisch und historisch.
Kulturelle, musiktechnische und historische Aspekte nichtmensuraler Mehrstimmigkeit
Kulturell: Die nichtmensurale Mehrstimmigkeit entsprach besonders der rituellen Praxis und der Lebensanschauung regulierter geistlicher Gemeinschaften. Sie wurde aber nicht nur in Klöstern gepflegt, sondern auch in weltkirchlichen Institutionen (z.B. Domkapiteln, Kollegien, Pfarrkirchen und Schulen). Da sie keine Beherrschung der mensuralen Regeln erforderte, konnte sie von Mitgliedern des allgemeinen Chores erwartet werden, die auch für das einstimmige Choralrepertoire zuständig waren. Allerdings wurde sie gern geübteren Sängern anvertraut, die vorzugsweise die Solopartien der Choralgesänge auf diese Art hervorhoben. Man entwickelte auch neue mehrstimmige Stücke, etwa für Weihnachten und andere Hochfeste, und schuf viele neue Texte mit ihren Melodien: Tropen, Conducten und Cantionen.
Musiktechnisch: “Discantus” und “cantus figuratus” sind in vielen Schriften des späten Mittelalters äquivalente Benennungen. Entscheidend war für beide, dass die Intervalle auf Fortschreitungsregeln des Kontrapunkts (Note-gegen-Note, die einfachste Form regulierter Polyphonie) beruhen sollten.[9] Diese vertikale Komponente, die Harmonie, hing jedoch mit der horizontalen, dem Rhythmus, ursächlich zusammen. Denn imperfekte Konsonanzen und Dissonanzen konnten unter der Bedingung in den Satz einbezogen werden, dass sie auf kürzere Notendauern (Durchgangsnoten) erklangen oder durch Verschiebung der Stimmen gegeneinander (Vorhalte) hervorgerufen und wieder aufgelöst wurden. Dazu war mensurale und „kontrapunktische“ Rhythmik notwendig.[10] Die unterschiedlich notierten Notenwerte des cantus figuratus erlaubten, einen ganz aus perfekten Konsonanzen bestehenden homorhythmischen Satz durch Abwechslung zwischen verschiedenen Klangqualitäten aufzulockern, z.B. indem Sexten zwischen Quinten oder Dissonanzen zwischen Konsonanzen eingeschoben wurden. Nichtmensural konnte man solche Einschübe zwar praktisch ausführen, aber nicht im Notenwert genau fixieren. Dasselbe galt für die beliebte Borduntechnik („Haltetonstil“), d.h. Koloratur in einer Stimme gegen festgehaltene Tonhöhe in einer anderen, wo die Notendauer dissonierender Intervalle ganz dem Vortrag überlassen blieb.
Historisch: Der allgemeine Status der europäischen Mehrstimmigkeit bis zum 12. Jahrhundert war nichtmensural. Das bedeutete, wohlgemerkt, nicht die Abwesenheit von Rhythmus, denn wie in der Einstimmigkeit konnte man auch mehrstimmig rhythmisch singen, vor allem bei simultanem Textvortrag und nach mündlicher Absprache über die regelmäßige Verteilung langer und kurzer Noten. Erst die Mensuralmusik der Ars antiqua des 12.-13. Jahrhunderts änderte dies mit ihrer schriftlichen Regelung der Notendauern, zunächst durch das System rhythmischer Modi und später durch mensurale Festschreibung jeder einzelnen Stimme und Note. Nach Göllner und anderen bewahren die Zeugnisse der “frühen Mehrstimmigkeit” eine ältere Praxis, die von der Pariser Ars antiqua bereits verlassen worden war. Deren Mensuralsystem habe überhaupt erst das schriftliche Komponieren ermöglicht; [11] es war jedenfalls eine Voraussetzung für komplexe Polyphonie. Es förderte die im 13.-14. Jahrhundert beliebten Gattungen der Motette, des Hoquetus und der fuga (Kanon, Imitation), die kürzere Notenwerte zulassen und jeder Stimme einen verschiedenen Textvortrag erlauben. Weil viele Institutionen und ihre Musiker aber weiterhin bei älteren, nichtmensuralen Praktiken blieben und geistliche Autoritäten den Discantus oft bekämpften (» Kap. Ablehnung der Mehrstimmigkeit), war die Tradition nun gespalten. Nichtmensurale Mehrstimmigkeit befand sich im Spätmittelalter zwischen Einstimmigkeit und Mensuralmusik.[12] Sie entwickelte sich aber in regionaler und stilistischer Abschattierung weiter, beeinflusste neuere Entwicklungen wie den protestantischen Kantionalsatz und den italienischen falsobordone und blieb mancherorts bis ins 20. Jahrhundert im Gebrauch.
Ablehnung der Mehrstimmigkeit
Seit Jahrhunderten war der christliche Kirchengesang, wie die Kirche als Ganzes, Gegenstand von Reformbestrebungen, die vor allem vom Klosterleben die Rückkehr zu Demut, Enthaltsamkeit und Einfachheit forderten. Kirchliche Mehrstimmigkeit, die viele als Verweltlichung betrachteten, fand wohl in demselben Maße neue Gegner, in dem sie weithin verbreitet wurde.[13] Die ablehnenden Äußerungen aus kirchlichen Kreisen selbst, z.B. in Traktaten, Synodalbeschlüssen und pastoralen Empfehlungen, waren jedoch nicht einheitlich gegen jede Art von Mehrstimmigkeit gerichtet, sondern bezeugen überwiegend die Unterscheidung zwischen mensuraler und nichtmensuraler Praxis.
Das oft genannte Dekret Docta Sanctorum Patrum von Papst Johannes XXII. (1324/25) tadelt Verzerrungen des Choralgesangs, die durch mensural fixierte Rhythmen zustandekommen, nämlich Hoqueti, Discantus und Motetten:[14]
“Doch einige Anhänger der neuen Schule, die um Zeitmessung bemüht sind, führen neue Notenzeichen ein, wollen ihre eigenen Gesänge singen anstatt die alten und zertrümmern die Noten des Kirchenchorals in Semibreven und Minimen. Sie zertrennen die Choralmelodien durch Hoqueti, balsamieren sie mit Discantus, unterdrücken sie oft mit Triplumstimmen und volkssprachlichen Motetten.”[15]
Doch sollte eine gewisse Art der Mehrstimmigkeit erlaubt sein:
“Allerdings wünschen wir nicht zu verbieten, dass manchmal, vor allem an Festtagen oder in missae solemnes und den genannten Stundengebeten, bestimmte Konsonanzen, die der Melodie entsprechen, wie etwa Oktaven, Quinten, Quarten und ähnliche, zusätzlich zum Kirchenchoral erklingen können – jedoch so, dass die Einheit der Choralmelodie unbeschadet bleibt.”[16]
Papst Johannes XXII. erlaubt also nichtmensurale Mehrstimmigkeit in Festmessen und besonderen Stundengebeten, lehnt mensurale jedoch ab, vor allem weil sie die melodische Einheit der Choralmelodien (und damit auch ihrer Texte) “zertrümmere”. Dies sei besonders bei Hoqueti, Motetten und Discantus der Fall. „Discantus“ bedeutet hier die rhythmisch-kontrapunktische Musik etwa der Discantuspartien der Ars antiqua*, nicht Mehrstimmigkeit schlechthin.
Wirkungen und Umformulierungen dieses Dekrets sind vor allem in monastischen Quellen der Folgezeit öfters festzustellen, nicht zuletzt in den Visitationsberichten der Melker Reform (» A. Melker Reform).[17] Ähnliche Ansichten äußerte man in Kreisen der niederländischen devotio moderna und den Augustinerklöstern der Windesheimer Kongregation: Unter anderen wendeten sich John Cele, der Rektor der Stadtschule von Zwolle, der Kartäuser Heinrich Eger von Kalkar und der Augustiner Thomas a Kempis gegen cantus fractibilis oder fractio vocis (“gebrochene Noten”), also gegen Mensuralmusik, während Mehrstimmigkeit in einfacher Form und zu besonderen Gelegenheiten in diesen Kreisen eher gebräuchlich war.[18]
Typische Gesangsgattungen klösterlicher Mehrstimmigkeit
Immer wieder hat die Forschung festgestellt, wie viele Gattungen der Choraltradition in nichtmensuraler Mehrstimmigkeit vorgetragen werden konnten, wobei die tatsächliche Praxis sicher noch viel weiter gestreut war als die erhaltenen schriftlichen Quellen verraten.[19] Arnold Geering (1952) unterschied für das deutsche Sprachgebiet zwischen Gesängen des Messordinariums, Kompositionen zum Benedicamus Domino, Gesängen des Messpropriums und des Offiziums (Stundengebets), Lektions-Kompositionen, lateinischen Cantionen und Liedern in der Volkssprache.[20] Theodor Göllner (1961) identifizierte in einer einzigen liturgischen Quelle, der aus Südbayern oder Prag stammenden Handschrift » GB-Lbl add. 27630,[21] zwölf verschiedene Gattungen tropierter und untropierter Gesänge des Offiziums und der Messe. Rudolf Flotzinger (1989) gliederte den in österreichischen Quellen überlieferten Bestand (140 Stücke in 31 Handschriften)[22] in Messordinarium, Messproprium, Messen-Akklamationen, „Offizium“ (untropierte Benedicamus domino), Benedicamustropen, Invitatorium, Antiphonen, Responsoriumsverse, Hymnen, Lesungen, Motetten, Conducten und Fragmente in einem nichtmensuralen Stil.
Wahrscheinlich überschritt diese Praxis den vom päpstlichen Dekret (» Kap. Ablehnung der Mehrstimmigkeit) empfohlenen Rahmen hochfestlicher Gottesdienste. Doch betraf ein Haupteinwand des Dekrets ja die Zerstörung der Einheit des Kirchenchorals durch mensurale Rhythmen, was voraussetzte, dass überhaupt Melodien des traditionellen cantus planus verwendet wurden. In vielen tropierten Gesängen war das nicht der Fall: Zu neuen Tropustexten wurden oft neue Melodien eingeführt. Auch das „Auskomponieren“ und Weiterspinnen überlieferter Choralmelodien, mit Einschaltungen und Vorschaltungen melodischer Abschnitte, war häufig. Papst Johannes hatte diese Tendenz ebenfalls bemerkt und kritisiert: „[sie] wollen ihre eigenen Gesänge singen anstatt die alten“. Es ist also zu unterscheiden, ob die Mehrstimmigkeit „alte Gesänge“ (d.h. den cantus planus) durch Zusatzstimmen ausschmückt, durch textliche und musikalische Tropierungen erweitert, oder ganz unbeachtet lässt und dem mehrstimmigen Gesang neue Melodien zugrundelegt. Auch waren die verwendeten Choralmelodien in ihrer einstimmigen Form oft in chorisch und solistisch gesungene Abschnitte gegliedert: blieb diese eingeübte Praxis bei mehrstimmigem Vortrag erhalten? Es gab z.B. die Optionen der chorischen Mehrstimmigkeit, der Abwechslung zwischen Chor und Solisten, oder des chorischen Vortrags der Grundstimme mit solistischen Zusatzstimmen.
Nichtmensurale Mehrstimmigkeit kommt in folgenden typischen Gattungen und Ausführungsweisen vor:
- Choraliter gesungene Stücke in Offizium und Messe mit Choralgrundlage. Hierzu gehören vor allem Ordinariumssätze (Kyrie, Credo, Sanctus, Agnus Dei), Propriumssätze (Graduale, Sequenzen) und chorische Offiziumsgesänge (Hymnen, Antiphonen). Die letztgenannten sind wesentlich seltener mehrstimmig überliefert.
- Solistisch vorgetragene Abschnitte responsorialer Gesänge in Messe und Offizium: Graduale, Alleluia, Responsorien des Offiziums.
- Lesungen des Stundengebets und der Messe, besonders zum Weihnachtsfest.
- Tropen zu Messe und Offizium, besonders zum Benedicamus Domino, und Cantionen (Strophenlieder).
- Conducten und Motetten in nichtmensuralen Rezeptionsfassungen.
Zweistimmige Kyriesätze
Zweistimmige Kyriesätze – tropiert und untropiert – sind in der Region, wie in ganz Europa, eine der häufigsten Gattungen nichtmensuraler Mehrstimmigkeit. Sie haben oft die einfachst mögliche Faktur (Note-gegen-Note-Satz). Das Kyrie eleison mit seinen neun Anrufungen (von denen meist nur drei notiert sind) wurde gern alternierend zwischen Einstimmigkeit und Mehrstimmigkeit ausgeführt, wobei die Zusatzstimmen der mehrstimmigen Abschnitte Solisten anvertraut sein konnten. Da die Satztechnik der überlieferten Stücke jedoch die beiden Stimmen technisch fast gleich behandelt, ist auch an rein chorische Ausführung zu denken, wobei sich der Chor bei den zweistimmigen Anrufungen in zwei Gruppen teilte.[23]
Im Graduale » A-Gu Cod. 9 (frühes 15. Jahrhundert) aus dem Zisterzienserkloster Neuberg an der Mürz (Steiermark), sind auf fol. 167r-168v drei tropierte zweistimmige Kyriesätze aufgezeichnet.
Abb. Kyriesätze Neuberg (3 Seiten) / Fig. Kyrie settings Neuberg (3 pages) (3 Abbildungen)
Graduale » A-Gu Cod. 9 aus dem Zisterzienserkloster Neuberg an der Mürz (Steiermark), fol. 167r-168r. Drei zweistimmige Kyriesätze mit Tropen. © Universitätsbibliothek Graz. / Gradual >> A-Gu Cod. 9 from the Cistercian monastery Neuberg an der Mürz (Styria), fol. 167r-168r. Three two-voice Kyrie settings with tropes. © University Library, Graz.
Die Kyrie Magne deus potencie [24] (fol. 167v-168r) und Rex virginum amator (fol. 168r-168v) haben nur je einen Text, der der unteren Stimme des Systems unterlegt ist; die originale Choralmelodie liegt in der oben notierten Stimme und hat lediglich die Initiale „K“ (für Kyrie) bzw. „X“ (für Christe). Bei „Rex virginum“, wo der Tropustext ohne das Wort „Kyrie“, also mit „R“ beginnt (Abb. S. 3), hat die Choralstimme trotzdem eine „K“-Initiale: Es war also gemeint, dass einige Sänger den herkömmlichen Kyrie-Text vortragen sollten, während gleichzeitig andere die durchtextierte Tropusstimme „Rex virginum“ sangen.[25] Die Wortunterlegung der textierten Stimmen ist präzise festgelegt, unter anderem durch die Ligaturschreibung und durch vertikale Abteilungsstriche zum Zweck der Worttrennung – eine Sorgfalt, die besonders für den Zisterzienserchoral charakteristisch war.
Das erste Kyrie (Abb. S. 1-2) hat zwei verschiedene Texte. Kyrie fons bonitatis ist der Stammtext (der übliche Tropustext) zu dieser Choralmelodie, Kyrie divinitatis amator die Alternative. Jedoch ist der Alternativtext der originalen Choralmelodie unterlegt, der Stammtext der Zusatzstimme. Die Stimmen passen nicht nur intervallisch zusammen, sondern auch im Textvortrag, mit genau abgezählten, gleichen Silbenzahlen in jeder Zeile. Nur manchmal ergibt sich die Worttrennung nicht an derselben Stelle, so dass der Abteilungsstrich ein Wort des Alternativtextes durchschneidet (z.B. bei „amator inclite“, Abb. S. 1). Es ist zu schließen, dass der Alternativtext als neuer Tropus dem schon bestehenden zweistimmigen Satz in Neutextierung unterlegt wurde.[26] Er erwähnt zwar einmal „Maria“, scheint aber sonst dem liturgischen Status von Kyrie fons bonitatis zu entsprechen, der in der Konkordanzhandschrift » A-Gu Cod. 10, fol. 178r, als „in summis festivitatibus“ (an höchsten Festen) bestimmt wird.[27] Sollte man annehmen, dass beide Texte zusammen erklangen, wie eine Art von Simultantropus, oder wurde jeweils nur ein Tropustext gesungen, während die andere Stimme das originale melismatische „Kyrie“ vortrug?
Mehrstimmige Soloabschnitte von Graduale und Responsorium
Obwohl solche mehrstimmigen Abschnitte gern isoliert aufgezeichnet wurden, muss man sich die Aufführungen meist als planvolle Abwechslung von Chor und Soli, von cantus planus und oft stärker verzierten oder neu erfundenen solistischen Einschüben vorstellen.[28]
Ein auffallendes Beispiel ist die zweistimmige Einleitung zum Graduale der dritten Weihnachtsmesse Viderunt omnes fines terrae in der Handschrift » A-Iu, Cod. 457, fol. 79v-80r: » Abb. Viderunt omnes/Vidit rex; » Hörbsp. Viderunt omnes/Vidit rex.[29]
In diesem Stück ist derselbe Textabschnitt, „Viderunt omnes“, zweistimmig vertont, der in berühmten Pariser Organumkompositionen von Magister Leoninus (oder Leonius, ca. 1150-1200) und Perotinus (um 1200) zweistimmig bzw. vierstimmig gesetzt worden war. Es ist der vom Cantor solistisch anzustimmende Beginn des Gradualresponsoriums. Die nur zehn verschiedenen Töne, die in der zugrundeliegenden Choralmelodie den Worten „Viderunt omnes“ zugeteilt sind, werden in diesen Kompositionen mit überreich melismatischen Zusatzstimmen im Organumstil oder „Haltetonstil“ ausgestattet. Im zweistimmigen Organum von Leoninus unterbricht den Fluss der Koloratur nur ein kurzer rhythmisierter Abschnitt („Diskantuspartie“) bei der Silbe „om-“.[30] Cod. 457 bietet eine andere Zusatzstimme, die etwas häufiger konsonant ist und viele Dreiklangsmotive enthält. Sie kreuzt manchmal unter die Choralstimme, liegt aber meist darüber und hat den beträchtlichen Gesamtambitus f-c” (ihre einzige Phrase über g‘ erklingt allerdings erst gegen Ende bei den Worten „traditur et capitur“). Wo die Choralstimme die Tonhöhe ändert, trifft die Zusatzstimme mit ihr im Einklang oder Quintabstand zusammen. Die Zusatzstimme wurde geschaffen, um den Tropustext Vidit rex omnipotens vorzutragen, der gleichzeitig mit der Choralmelodie gesungen wird. Er lautet:
Vidit rex omnipotens quod ex culpa patris Ade
filii caruerunt quod patres possiderunt,
restituit filiis hodie quod patres perdiderunt.
Qua racione, quo consilio nostra paretur restauracio,
nobis condoluit dei miseracio?
Quia si corruit humana propago, venit nos redimere dei miseracio,
patris obediens sic imperio, caro virginis fit in gremio?
O beata dei miseracio, [quae] traditur et capitur, occiditur et moritur,
cuius morte sanantur omnes.[31](Es sah der allmächtige König, dass durch Adams Schuld
Die Kinder entbehrten, was die Väter besaßen:
Er gab den Kindern heute zurück, was die Väter verloren.
Aus welchem Grund, welchem Ratschlag wird unsere Wiederherstellung bereitet werden,
und hatte Gottes Erbarmen Mitleid mit uns?
Warum, wenn das Menschengeschlecht verdarb, kam Gottes Erbarmen uns zu retten,
indem es so dem Befehl des Vaters gehorchte, im Schoß der Jungfrau Fleisch wurde?
O seliges Erbarmen Gottes, das verraten und gefangen wird, getötet wird und stirbt,
durch dessen Tod alle geheilt werden.) (Übersetzung R. Strohm)Der Tropustext ist so verfasst, dass er alle Bestandteile der Choralworte „Viderunt omnes“ an strukturbestimmenden Stellen erklingen lässt (Hervorhebung im Druck) und dadurch selbst in die Choralworte eingebettet erscheint. In der Handschrift ist der Tropustext unter die aus repetierenden Einzelnoten gebildete Wellenlinie der originalen Choralmelodie geschrieben (vgl. »Abb. Viderunt omnes/Vidit rex). Die wenigen Silben des Gradualtextes jedoch stehen unter der Zusatzstimme: eine Vertauschung, die an das Kyrie fons bonitatis in A-Gu Cod. 9 erinnert. Trotzdem muss der Tropustext von der Zusatzstimme vorgetragen werden, zu der er in meist syllabischer Deklamation (abgesehen von einem eröffnenden Melisma) genau passt.
Mehrstimmige Responsoriumsverse des Offiziums sind in der Region gelegentlich überliefert; eine größere Gruppe davon steht in den Antiphonarien aus St. Lambrecht, » A-Gu Cod. 29 und » A-Gu Cod. 30.[32] Der zweistimmige Vers Tamquam sponsus zum Weihnachtsresponsorium Descendit de celis wurde wahrscheinlich eher in Böhmen gepflegt.[33] Die Sammlung A-Iu Cod. 457 bietet gleich zu Beginn ein herausragendes Beispiel dieser Gattung: das Responsorium Iudea et Ierusalem zur ersten Weihnachtsvesper mit dem Vers Constantes estote.[34] (Vgl. » Abb. Iudea et Ierusalem.)
Responsorium zur 1. Weihnachtsvesper. Es sind nur die zweistimmigen Abschnitte aufgezeichnet. Nach „Iudea et Ierusalem“ wird zunächst einstimmig weitergesungen. In Parallelhandschriften sind diese Anfangsworte weggelassen, da sie ebenfalls einstimmig gesungen wurden.[35] Am Ende der Seite: Beginn des Benedicamustropus Procedentem de thalamo (» Kap. Tropen, Benedicamus domino, Cantionen).
Was diese Niederschrift des Responsoriums von anderen (in den Handschriften » CH-EN Hs. 314 und » GB-Lbl add. 27630) unterscheidet, ist die mehrstimmige Ausführung nicht nur des Verses Constantes estote, sondern auch der Einleitung zum Responsorium selbst und dazu des abschließenden Gloria patri: Damit sind alle solistisch vorzutragenden Gesangsabschnitte durch zweistimmig-klangliche Ausgestaltung hervorgehoben. In dem Fragment A-Wn S.n. 228 (aus Salzburg? 14. Jahrhundert) erscheint das Responsorium Notum fecit dominus mitsamt seinem Vers Ante conspectum sogar durchgehend zweistimmig; ihm folgt ein durchgehend zweistimmiges Responsorium In principio erat verbum mit zweistimmigem Gloria patri.[36]
Lesungen und Lektionseinleitungen
Mehrstimmige liturgische Lesungen des Offiziums und der Messe sind im zentraleuropäischen Bereich außer Kyrie und Benedicamus domino die häufigste und charakteristischste Gattung klösterlicher Mehrstimmigkeit.[37] Die Choralgrundlage, der Lektionston, ist meist vorhanden und wird klanglich ausgeschmückt, auch dreistimmig. Üblich sind hinzugesetzte Lektionseinleitungen und Tropen auf oft frei erfundene Melodien, einstimmig wie mehrstimmig. Die Lektionen der Weihnachtsmatutin stehen mit etwa 30 verschiedenen überlieferten Vertonungen an der Spitze; es kommen dazu Lektionen der Weihnachtsmesse, u.a. die Epistel Populus gentium nach Ysaias und das Evangelium Liber generationis,[38] sowie Lektionen zu Marienfesten und zur Kirchweih. Mehrstimmig ausgeführt wird vorwiegend der Lektionstext selbst, oft auch die vorhergehende Segensbitte („Iube domne benedicere“ u.a.) und nicht selten tropierende „Lektionseinleitungen“, die strophische Lieder sein können. Die Mehrstimmigkeit beschränkt sich manchmal auf die Zeilenschlüsse der Texte, was besonders an die polyphon ausgearbeiteten Kadenzen im späteren rezitierenden falsobordone*-Stil gemahnt. Die Tradition der mehrstimmigen Passionsvertonung (seit ca. 1430) geht auf die Evangeliumslektionen der Messe mit Rezitation dreier verschieden hoher Stimmen zurück.[39] Wichtigstes musikalisches Merkmal der Lesungen ist das tonrepetierende Deklamieren auf einem Rezitationston (tuba), der in der Mitte des verwendeten Tonumfangs liegt, ähnlich wie bei der liturgischen Psalmodie. Nur die melodischen Einleitungs- und Schlußwendungen wenden sich dem Rezitationston zu oder von ihm ab. Bei Mehrstimmmigkeit ist die Rezitation in einen stehenden Klang eingebettet, meist die Quint, oder bei Dreistimmigkeit Quint und Oktave. Ein einfaches Beispiel der beliebten zweiten Weihnachtslektion „Jube Domne benedicere – Consolamini“, steht in dem Prozessionar » A-Wn Cod. 1894, fol. 44v-46r: » Abb. Jube Domne – Consolamini.[40]
Nicht alle mehrstimmigen Lektionen sind „durchkomponiert“. Möglichkeiten zur Abwechslung zwischen Chor und Soli, ähnlich wie bei responsorialen Gesängen, sind auch bei liturgischen Lesungen schon im einstimmigen Choral gegeben. Oft wurde vorgeschrieben, dass sich zwei oder gar drei Lektoren im Vortrag der langen Lesungen abwechseln sollten. In mehrstimmigen Fassungen wird die vorausgehende Segensbitte („Jube domne benedicere“ usw.) manchmal einstimmig gesungen. (Ihr folgt in jedem Fall die gesprochene oder rezitierte Segenserteilung des Priesters.)
Zusätzlich haben viele Fassungen noch eine eigene Lektionseinleitung, die wie ein gereimtes Lied gebildet und einstimmig oder mehrstimmig sein konnte. Sie ist gelegentlich nach, nicht vor der eigentlichen Lesung notiert und kann als tropierender Rahmen der gesamten Aufführung gedient haben. Die einstimmige Lektionseinleitung Nascitur de virgine ist in A-Iu, Cod. 457, fol. 72v, so notiert, dass nach jeder Textzeile eine Rubrik „Chorus“ den chorischen Vortrag eines textlosen Melismas fordert, und zwar immer desselben: Hier musste der allgemeine Chor nur ein paar Noten lernen, konnte aber am Singen des Tropus teilnehmen.
Eine bestechend einfache, liedhafte Lektionseinleitung war Universi populi, das in der Handschrift Engelberg (» CH-EN Hs. 314) zusammen mit zwei anderen zweistimmigen Einleitungen separat aufgezeichnet wurde und wohl verschiedenen Lesungen zugeordnet werden konnte. Isoliert steht es auch im Musikanhang der Wiener Handschrift » A-Wn Cod. 4702, fol. 91r (» E. Kap. Kirchenlieder in Wiener Überlieferung): vgl. » Notenbsp. Universi populi, a und b.
Tropen, Benedicamus Domino, Cantionen
Wenn der einstimmige Kirchenchoral, der selbst bereits in chorisch und solistisch vorgetragene Abschnitte gegliedert war, durch Tropierung und/oder Zusatzstimmen ausgeschmückt wurde, ergaben sich zahlreiche Gliederungsungsmöglichkeiten im Vortrag eines liturgischen Gesanges. Bereits innerhalb der Einstimmigkeit gab es komplexe Anordnungen oder geradezu „Inszenierungen“ solcher vielgliedrigen Gesänge.[41] Beim Einbeziehen von Mehrstimmigkeit waren vorzugsweise die geübteren Chormitglieder für Tropen, Solostrophen und Zusatzstimmen verantwortlich.[42] Hinzukommt, dass Tropustexte oder versus schon seit dem 11. Jahrhundert (u.a. in der aquitanischen Polyphonie) manchmal in strophischer Form mit Refrains gesungen wurden, was eine weitere Abwechslung zwischen solistischer Strophe (in unseren Quellen versus genannt) und chorischem Refrain (repeticio) innerhalb des neugeschaffenen Gesangsabschnitts ermöglichte.
Ungeachtet ihrer manchmal komplizierten Herleitung von Choralmelodien erreichten viele Tropen im 13.-14. Jahrhundert den Status eigener Gesänge.[43] Solche Tropen sind öfters in nichtmensuraler Mehrstimmigkeit überliefert, z.B. der Prozessionstropus Alle dei filius zur Osterantiphon Cum rex glorie, der durch Austextierung des die Antiphon beschließenden Alleluia entstand, aber als zweistimmiges Lied Triumphat dei filius bis in die Neuzeit weitergelebt hat (vgl. » A. Kap. Die Osterprozession; » Notenbsp. Triumphat dei filius).
Wenn mehrstimmige Tropen an besonders populäre Gesänge der Liturgie angebunden wurden, dürften sie selbst weit bekannt geworden sein. Tropen zum Salve regina, Ave regina celorum und anderen Mariengesängen sind oft zweistimmig notiert. Besonders gut bekannt waren der Salve regina-Tropus Virgo mater ecclesie und der Tropus Ab hac familia zum Marienoffertorium Recordare virgo.[44]
Viele Kirchenlieder, die das 16. Jahrhundert aus dem Mittelalter ererbt hat, waren ursprünglich aus Tropen entstanden; die für diese Entwicklung wichtigste Gattung war das Benedicamus domino. Es wurde alternierend zwischen Solisten und Chor (Respons „Deo gratias“) am Ende der größeren Stundengebete und z.T. der Messe gesungen; mehrstimmige Fassungen der verschiedenen Choralmelodien gibt es seit dem 12. Jahrhundert. Aus den oftmals tropierten Versionen des 12. bis 14. Jahrhunderts entstanden strophische Cantionen mit Vers und Refrain, auch auf neu erfundene Melodien, und schließlich Kirchenlieder.[45] Besonders alte Benedicamustropen, die in Europa weithin als mehrstimmige Lieder bekannt waren, sind Ad cantus leticie und Dies est leticie. Der zweistimmige Weihnachtstropus Procedentem sponsum de thalamo, mit einem literarisch anspruchsvollen Text, ist offenbar unabhängig von einer Choralmelodie als zweistimmiges Lied geschaffen worden: Die Stimmen kreuzen sich mehrmals und sind genau gleichberechtigt; das Stück ist aus etwa 25 Quellen bekannt, aber offenbar nie einstimmig überliefert, was eine Ausnahme wäre (vgl. » A. Kap. Weihnachtliches Hohelied: Göttweig, mit » Notenbsp. Procedentem und » Hörbsp. Procedentem).
Conducten und Motetten in nichtmensuraler Rezeption
Aus Gesängen zur Lektionseinleitung, die den Lektor zum Lesepult begleiteten, entstand in Westeuropa (11.-12. Jahrhundert) die Gattung des mehrstimmigen Conductus, der meist ohne Choralgrundlage komponiert wurde und liturgisch wie außerliturgisch verwendbar war. Von den modal- oder mensuralrhythmischen Conducten und Motetten der Ars antiqua erscheinen in einigen zentraleuropäischen Quellen vereinfachte Versionen, die als nichtmensurale Lieder gesungen wurden.[46] Echte Conducten waren nach Gordon A. Anderson und Rudolf Flotzinger einige der (nur teilweise notierten) Lieder in A-Gu Cod. 409 (St. Lambrecht, um 1200) und im berühmten „Codex Buranus“ (Carmina Burana), » D-Mbs Clm 4660 (Seckau oder Neustift, um 1230); andere Stücke darin sind Sequenzen und Benedicamustropen.
Regionale Nachahmungen und herausgelöste Einzelstimmen von Motetten und anderer Mensuralmusik gibt es in verschiedenen Formen und Notationen, z.B. in der Wiener Minoritenhandschrift » PL-Kj Berol. Mus. ms. 40580 und in den bayerischen Sammlungen » D-Mbs Clm 5539 und » D-Mbs Cgm 716.[47] Auch die bereits in nichtmensuraler Fassung entstandenen oder überlieferten „Moteti“ der Sammlungen Engelberg (CH-EN Hs. 314) und GB-Lbl add. 27630 wurden in anderen Quellen der Region weiter vereinfacht bzw. ohne „Tenor“ überliefert. Ein Beispiel ist die Motette Salve Maria regia, die in A-Wn Cod. S. n. 228 in nichtmensuraler Notation mit einem scheinbar schlecht passenden „Tenor“ notiert ist: Sie steht auch ganz ohne Tenor in PL-Kj Berol. Mus. ms. 40580 und der Tegernseer Sammlung D-Mbs Cgm 716, dagegen mit einem funktionierenden Tenor in » GB-Lbl add. 27630 und dem böhmischen Zisterziensermissale » CZ-VB Ms. 65.[48]
Nichtmensurale Satztechniken
Im vormensuralen Organum wurde die Choralmelodie (vox principalis) gewöhnlich von einer Zusatzstimme (vox organalis) Note gegen Note begleitet. Ungeschriebene melismatische Auszierungen wurden vermutlich ebenfalls hinzugefügt. Im sogenannten „neuen Organum“ seit Guido von Arezzo (11. Jahrhundert) waren Gegenbewegung und Klangqualitätenwechsel (Abwechslung zwischen verschiedenen Konsonanzen) üblich; erst später kamen Terzen als Durchgänge etwa zwischen Quint und Einklang hinzu, Sexten als Durchgänge zu Quint und Oktave viel seltener.[49] In den drei Kyriesätzen von A-Gu Cod. 9 (» Kap. Zweistimmige Kyriesätze) ist der Gesamttonraum beider Stimmen c-e‘, trotz der unterschiedlichen Kirchentonarten (III bzw. VIII bzw. I); die Zusatzstimme verbleibt immer im gleichen Tonraum wie der Choral, was sie zu Stimmkreuzungen und Sprüngen zwingt, um möglichst oft perfekte Konsonanzen mit dem Choral zu bilden.[50] Terzen und Sexten kommen nur als Durchgänge vor, z.B. im Kyrie Magne deus bei dem Wort „liberator“ die Sexte (» Abb. Kyriesätze Neuberg, S. 2). Öfters ist die Zusatzstimme mit verzierenden Melismen ausgeschmückt, z.B. einer Abwärtsskala gegen eine Einzelnote der Choralmelodie (d‘-g gegen g; a-d gegen d). Note-gegen-Note-Satz in Gegenbewegung herrscht trotzdem vor; andererseits gibt es unisono-Fortschreitungen in gemeinsamen Melismen, z.B. in Rex virginum beim ersten „eleison“ (» Abb. Kyriesätze Neuberg, S. 3).
Der Note-gegen-Note-Satz wird auch bei melismatischen Passagen des Chorals in vorzugsweise perfekten Konsonanzen geführt. Jedoch bei Abschnitten in Borduntechnik („Haltetonstil“) in anderen Stücken macht die Zusatzstimme freien Gebrauch von Dissonanzen über dem Choralton, einschließlich der großen Septime (» Abb. Iudea et Ierusalem bei „Iu-“). Offenbar rührt diese Freiheit daher, dass hier nur eine Stimme an der Bewegung beteiligt ist: Die Borduntechnik erlaubt der Zusatzstimme melodische Entfaltung, z.B. das Ausschreiten eines Oktavumfangs. Auch dürften Rhythmus und Tempo in diesen Melismen anders gestaltet worden sein als in den deklamierenden Abschnitten.
Die aus der gemeinsamen Benutzung desselben Tonraums folgende Tendenz zu Stimmkreuzungen wird in vielen Stücken gleichsam radikalisiert, indem festgelegte melodische Abschnitte in beiden Stimmen abwechselnd gegeneinander vorgetragen werden, was „Stimmtausch“* genannt wird. Die Stimmen spiegeln sich gleichsam gegenseitig (vgl. » A. Kap. Melodie und Klang: Vorau); eine Hälfte einer Melodie kontrapunktiert die andere. Der Lektionstropus Universi populi (» Notenbsp. Universi populi) ist eines von zahlreichen Beispielen für diese Satztechnik, die entweder ohne die Verwendung von Choralmelodien funktioniert oder von diesen nur geeignete Abschnitte exzerpiert.[51] Sie scheint die Ausführung durch zwei gleichberechtigte Sängergruppen vorauszusetzen. Die Stimmtauschtechnik war auch in den Gattungen von rondellus* und rota, d.h. Singradel (heute „Kanon“) zuhause, war also klösterlichen und weltlichen Sphären gemeinsam.
Kontrapunkttraktate des Spätmittelalters[52] beschreiben mit ihren Konsonanztabellen und Fortschreitungsregeln eine grundsätzlich nichtmensurale Mehrstimmigkeit im Note-gegen-Note-Satz. Spezifisch didaktische Ableitungen dieses Regelsystems existierten in Italien unter der Bezeichnung „Regola del grado“ (Intervalllehre): Hier wurde pragmatisch und von Zweiklang zu Zweiklang vorgeschrieben, welche Intervallschritte die Zusatzstimme zum Choral jeweils ergreifen darf.[53] Um übermäßige oder verminderte Konsonanzen zu vermeiden, musste die Hexachordposition jeder Choralnote beachtet werden.
Notationsweisen klösterlicher Mehrstimmigkeit
Obwohl nichtmensurale Mehrstimmigkeit gewöhnlich mit Neumen oder Quadratnotation auskam, ist sie doch vor allem im 15. Jahrhundert auch in anderen Notationsformen überliefert. Solche Unterschiede waren teilweise kultureller Art, teilweise reflektierten sie die Veränderungen von Stil und Ausführungsweisen der Mehrstimmigkeit selbst. Aus eher praktischen Gründen wurden manchmal beide Stimmen auf demselben Notensystem, aber in verschiedenen Farben, notiert.[54] Dies empfahl sich vor allem in Note-gegen-Note-Sätzen mit demselben Tonraum für beide Stimmen und dementsprechend auch bei Stimmtauschtechnik. Ein auffallendes Beispiel aus dem zentraleuropäischen Raum ist die Epistel Populus gentium im Antiphonale » PL-WRu R.505 der Elisabethkirche in Breslau/Wrocław: » Abb. Epistel Populus gentium (Lectio Ysaie prophete).[55]
Strichnotation (stroke notation) wurde vielerorts in Europa gebraucht, oft für weltliche Musik oder instrumentale Ausführung.[56] Sie erlaubte, auch rhythmischen Vortrag in einfacher Weise zu fixieren, ohne dass die Regeln der Mensuralmusik beachtet werden mussten. Im österreichischen Raum begegnet sie gelegentlich bei kirchlicher Mehrstimmigkeit, z.B. in der Wiener Organistensammlung » A-Wn Cod. 5094 (» K. A-Wn Cod. 5094: Souvenirs), und in den Fragmenten » A-Ssp Cod. a.VI.47 und » A-Ssp Cod. a.IV.7 eines Salzburger Kantorenbuchs für die Akklamationen „Et cum spiritu tuo. Amen“ und „Et cum spiritu tuo. Gloria tibi domine“.[57] Diese kurzen Response wurden wahrscheinlich von der allgemeinen Schola zweistimmig gesungen.
Zwei Quellen der Region verwenden Buchstabennotation für klösterliche Mehrstimmigkeit, allerdings nur für den „Tenor“: » A-Wn Cod. 3617[58] und » A-Wn Cod. 4898 (beide aus Mondsee). Diese Aufzeichnungen stehen isoliert in nichtmusikalischen Zusammenhängen. Vielleicht haben sie mit der Praxis von Organisten zu tun.
Seit dem späten 14. Jahrhundert kannten klösterliche Musiker mensurale oder annähernd mensurale Aufzeichnungsweisen für den cantus fractus, also den einstimmigen, aber strikt rhythmisierten Vortrag besonderer Choralgattungen (» A. Rhythmischer Choralgesang). In der mehrstimmigen Praxis nimmt der Gebrauch eigentlicher Mensuralnotation selbstverständlich langsam zu und ist als „Zeichen der Zeit“ zu werten. Man muss jedoch fragen, was er über die betreffende Quelle aussagt und welchen musikalischen Zwecken er dienen sollte. Handschriften, die von vornherein für spezialisierte Kenner der Mensuralnotation angelegt wurden, sind die Sammlungen » A-M Cod. 950 (1462, mit Mensuraltraktaten und zwei Beispielstücken: » C. Mensuraltheorie - Didaktische Aufbereitung) und » A-MB Man. cart. 1 (Ende des 15. Jahrhunderts).[59] In A-Iu Cod. 457 erscheint Mensuralnotation erst bei den drei letzten Stücken, und ist von anderer Hand geschrieben (um 1400?). In dem südböhmischen Graduale » CZ-VB Ms. 42 („Hohenfurter Liederhandschrift“), datiert 1410, sind von 13 mehrstimmigen Stücken die letzten 12 in verschiedenen mensuralen Formen aufgezeichnet, teilweise in schwarzer und roter Notierung auf einem System.[60] Es gibt u.a. in Italien Aufzeichnungen, die eine Stimme in Choralnotation und die andere in Mensuralnotation wiedergeben:[61] Sie implizieren, dass verschieden geschulte Sänger an derselben Aufführung teilnahmen.
Komposition, Schriftlichkeit und Mündlichkeit
Die öfters gestellte Frage, ob man bei der klösterlichen Mehrstimmigkeit von „Komposition“ oder „Vertonung“ sprechen kann,[62] betrifft einen Streit um Worte. Keinesfalls darf den Musikern des Mittelalters – bei all ihrem Respekt für Traditionen – Erfindertum und Originalität abgesprochen werden.[63] Um aber Verwechslung mit moderneren Kompositionsbegriffen zu vermeiden, genügen wohl folgende Feststellungen: Die hier gemeinte Praxis überliefert keinen Komponistennamen. Die verschiedenen Stücke sind, wie gezielte Vergleiche bestätigen,[64] durch fortschreitende Adaptierung lokal oder regional maßgebender Vorlagen entstanden, wie im einstimmigen Choral. Ob diese Vorlagen schriftlich oder nur im Gedächtnis zugänglich waren, kann aus den uns erreichbaren schriftlichen Varianten nicht immer sicher erschlossen werden.[65] Genau wie in der Praxis des Kirchenchorals konnten die an der Mehrstimmigkeit beteiligten Musiker die meisten Stücke ohne Schrift erfinden, erlernen, adaptieren und aus dem Gedächtnis bzw. ex tempore vortragen. Der extemporierte Vortrag nach strikten Intervallregeln wurde häufig und auch kollektiv praktiziert.[66]
Genau wie in der Praxis des Kirchenchorals jedoch war schriftliche Aufzeichnung eine kulturelle Priorität in dieser sozial privilegierten Kunst. Wenn man fragen wollte, von welcher damaligen Gesellschaftsgruppe die schriftliche Fixierung ihres Tuns am ehesten zu erwarten sei, dann wäre die beste Antwort: „von den Klöstern“. Nach den Quellenverlusten späterer Jahrhunderte sind uns aus dem europäischen Mittelalter immer noch mehr Handschriften aus Klöstern erhalten als aus irgendeinem anderen Gesellschaftsbereich, und dies schließt musikalisch notierte Quellen ein. Man hat damals Musik in Klöstern häufiger aufgeschrieben als in der weltlichen Sphäre. Deshalb ist es ganz unwahrscheinlich, dass die Überlieferung klösterlicher Mehrstimmigkeit sich mehr mündlich abgespielt hätte als die irgendeiner weltlichen Musikart.[67]
Trotzdem haben Forscher die mündliche Überlieferungspraxis als entscheidend für das Verständnis dieser Mehrstimmigkeit angesehen. Sie wurde als mündliche Musiktradition verstanden, ja sogar als „illiterate“ bezeichnet, zur Unterscheidung von einer „literate“ Tradition, zu denen vor allem die mensurale Polyphonie gerechnet wurde.[68] Hier liegt wohl das Bestreben vor, dem heutigen Leser die Alterität der allgemeinen nichtmensuralen Musikpraxis jener Zeit gegenüber modernen Schrift- und Werkbegriffen einzuprägen. Als Gegenbild dient die Polyphonie seit der Pariser Ars antiqua, die den Werk- und Fortschrittcharakter der modernen Musik begründe und überhaupt erst das schriftliche Komponieren ermöglicht habe.[69] Angesichts der Komplexität der Interaktion von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in damaligen Gesellschaften scheint es jedoch übertrieben, wenn die beiden Praktiken so eindeutig bestimmten künstlerischen Traditionen zugeordnet werden. Auch die Polyphonie der sogenannten „Notre-Dame-Schule“ bediente sich der Mündlichkeit und des Gedächtnisses;[70] die liturgische Einstimmigkeit und deren mehrstimmige Ausschmückung hingegen wurde innerhalb bestimmter Trägergemeinschaften (z.B. einem Kloster, einem Orden, einer Diözese) zum Zweck der Traditionspflege und Konformität nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich erfasst und weitergegeben.
Kontexte der Überlieferung
Die Aufzeichnungen nichtmensuraler Mehrstimmigkeit in den Quellen der österreichischen Region stammen überwiegend von musikalisch geschulten Schreibern und sind in musikalischen Zusammenhängen überliefert.[71] Nicht sicher feststellbar ist dies, wenn sie nur als Fragmente erhalten sind (z.B. als Vor- oder Nachsatzblätter in Buchdeckeln), wie in » I-MAVb XVII 2o 28, » A-WIL Cod. IX 40 und » A-Wn Cod. S.n. 13970 (früher Cod. 3997). Die drei Fragmente » A-Ssp a.IV.7, » A-Ssp a.VI.47 und » A-Ssp a.XII.25 fr.31 gehörten sicher zu einer einzigen Musikhandschrift (hier „Salzburger Kantorenbuch“ genannt, vgl. » Kap. Notationsweisen klösterlicher Mehrstimmigkeit). Auch das Fragment A-Wn Cod. S.n. 228 (» Kap. Mehrstimmige Soloabschnitte) war einst Teil einer größeren Musiksammlung. Nur die Musikaufzeichnungen in » A-GO Cod. 79, » A-Wn Cod. 4989 und » A-Wn Cod. 3617 dürften in außermusikalischer Umgebung notiert worden sein, als Nachträge bzw. Seitenfüller. Der Musikfaszikel von » A-GO Cod. 307 wurde einer nichtmusikalischen Sammelhandschrift mit Traktaten beigebunden. In den anderen Fällen sind die Kontexte der Aufzeichnung musikalisch. Sie sind jedoch von verschiedener Art. Mindestens elf der Trägerhandschriften sind Choralbücher: Gradualien, Antiphonalien, Sequentiare und Prozessionare. Dort stehen die mehrstimmigen Sätze manchmal isoliert und nicht unbedingt an der liturgischen Stelle ihrer Aufführungen – jedoch waren sie in der Hand der für den Chor zuständigen Kantoren und sicher zur liturgischen Aufführung bestimmt. In den beiden Antiphonalien A-Gu Cod. 29 und A-Gu Cod. 30 (Benediktinerstift St. Lambrecht) bilden nicht weniger als 31 Lektionsvertonungen, Responsorien und Hymnen relativ umfangreiche Einlagen von Mehrstimmigkeit innerhalb der Jahresliturgie.[72] Anderswo jedoch stehen wenige Stücke zusammen mit Musiktraktaten, denen sie wie Anschauungsbeispiele dienen konnten (» A-Wn Cod. 2339; » A-Wn Cod. 4702, » A-M Cod. 950, und vermutlich A-SPL, Stiftsbibliothek St. Paul/Kärnten). Schließlich gibt es drei größere Sammlungen, die besondere und z.T. mehrstimmige Gesänge ohne zwingenden rituellen Status separat überliefern: » A-Gu Cod. 756, der Liber cantionarius aus dem Stift Seckau, zum Ordinale derselben Kirche von 1345 gehörend, jedoch vom alltäglichen Ritus abgesondert (130 Gesänge, meist Tropen, davon nur fünf mehrstimmige)[73]; A-Iu Cod. 457, fol. 72r-107v, ebenfalls eine Art „Cantionarius“ (Singbuch) für besondere Gelegenheiten (mit 69 Stücken, wovon 17 mehrstimmig); A-Wn Cod. 5094, mit Musik verschiedenster Art zur Hand von Organisten im Kirchen- oder Klosterdienst (» K. A-Wn Cod. 5094: Souvenirs). Das besondere persönliche Interesse von Musikern wird deutlich in wertenden Bezeichnungen wie „Benedicamus pulchrum“ (ein schönes Benedicamus) für Einzelstücke in A-Gu Cod. 756 (» A. Kap. Zum Verwendungszweck des Seckauer Cantionarius).
Wie erwähnt, wurde klösterliche Mehrstimmigkeit auch in weltkirchlichen Institutionen gepflegt, so wahrscheinlich an der Universität Wien (A-Wn Cod. 4702, A-M Cod. 950?) und nachweislich (obwohl selten) in der Passauer Diözesanliturgie, z.B. an St Stephan in Wien.[74]
Solche Kontexte charakterisieren auch die Quellen der angrenzenden Regionen Slovenien (Krain), Bayern, Böhmen und Schweiz. Überlieferung innerhalb regulärer Choralbücher wiegt vor (manchmal als eigene Gruppe, z.B. in » D-Mu Hs. 2°156 und » CZ-VB 42), doch gibt es auch große Sammlungen besonderer und mehrstimmiger Stücke, mehr oder weniger separat gestellt (z.B. » D-Mbs Clm 5539, GB-Lbl add. 27630, CH-EN 314) und kleine Anthologien verbunden mit Traktaten, sowie Fragmente. Das Modell des Tropars – einer Spezialhandschrift zur Hand eines Chorleiters – wirkte jedenfalls nach, wobei Mehrstimmigkeit ihren Anteil in der Tropenfamilie mit der Zeit vergrößerte.[75]
Verbreitung in Europa
Für den italienischen cantus planus binatim zählt F. Alberto Gallo 39 Quellen auf, über die Zeit vom späten 13. bis zum frühen 16. Jahrhundert verteilt, und erklärt diese „kleine Zahl von Handschriften“ mit einer vorwiegend mündlichen Überlieferungspraxis.[76] Der unablässige Zustrom neuer Quellenfunde (über mehrere wird bereits in Gallos Band von 1989 berichtet) könnte auch diese vernünftige Erklärung letztlich in Frage stellen.[77] Jedenfalls ist in ganz Europa die Überlieferung nichtmensuraler Mehrstimmigkeit etwa proportional der Anzahl erhaltener einstimmiger Choralquellen, die in Frankreich und England wegen späterer Verluste geringer ist als in Zentraleuropa und besonders Italien. Spanien, Südosteuropa (soweit zum lateinischen Ritus gehörend) und Skandinavien sind ebenfalls in der Überlieferung proportional zu ihrem Anteil an Choralquellen vertreten. Der Bereich des lateinischen Ritus in Europa umfasst derzeit weit über hundert Quellen nichtmensuraler Mehrstimmigkeit, mit Hunderten einzelner Stücke. Die letzteren sind durch Konkordanzen verknüpft; es gibt also weniger verschiedene Stücke, mit erheblicher Streuung von musikalischen Varianten (Singweisen). Wie erwähnt, fand sowohl mündliche als auch schriftliche Übermittlung statt.
Obwohl einzelne Gesänge fast überall in Europa (mit Varianten) auftauchen, differenziert sich die Auswahl der Texte und Gattungen, der einzelnen Vertonungen und der individuellen Singweisen deutlich nach Kulturregionen. So sind z.B. die niederländisch-norddeutschen Sammlungen des 15. Jahrhunderts zwar mit einzelnen Konkordanzen an die zentraleuropäischen Regionen angeschlossen.[78] Das böhmische Repertoire von Cantionen und Tropen seit der vorhussitischen Zeit steht überlieferungsmäßig dern Quellen der österreichischen Region sehr nahe; es gibt auch spezifische Repertoirekontakte etwa zwischen Böhmen, dem Rheinland und Dänemark (vielleicht durch franziskanische Vermittlung).[79] Jedoch wurden besonders in den Niederlanden auch viele neue Gesänge geschaffen, die nicht in andere Regionen gelangten.[80] Die Gattungsprioritäten sind ebenfalls regionaler Natur: Mehrstimmige Lesungen sind dominant in Zentraleuropa, jedoch selten in Italien. Benedicamus domino-Stücke machen in Italien zwei Drittel des Gesamtbestandes aus. Auch gibt es offenbar eine allgemeine chronologische Verschiebung der Produktion vom europäischen Westen, wo die ältesten Quellen zu finden sind, nach Süden und Osten, wo das 15. Jahrhundert als das fruchtbarste erscheint. Die Region Österreich ist in Gattungen, Texten und Singweisen eng mit den angrenzenden Gebieten verknüpft – aber auch, mehr fallweise, mit anderen europäischen Ländern. Man pflegte eine allgemeine europäische Musiktradition und ein überregionales Repertoire individueller Stücke, aber in jeweils eigenen Singweisen und Zusammenstellungen. Das Verhältnis von Individualität und Konformität in dieser Kunst entsprach nicht zufällig den Organisationsformen der kirchlich-monastischen Kultur in ihrer geographischen Verbreitung selbst.
Anmerkung A.4b
Erweiterte Fassung von Reinhard Strohm, ‚Non-mensural polyphony: Performing Plainsong‘, in: Tess Knighton and David Skinner (eds), Music amd Instruments of the Middle Ages. Essays in Honour of Christopher Page, Woodbridge: Boydell, 2020, pp. 273-283
[1] Es überwiegen Mitteilungen über einzelne Quellen und Quellengruppen: z.B. Handschin 1928, Wolf 1937, Feldmann 1938, Harrison 1965, Strohm 1966, Strohm 1967, Strohm 1993 (S. 333-339), Ciliberti 1994, Celestini 1995 und 2002, Lovato 1996, Stenzl 2000, Hascher-Burger 2002, Ciglbauer 2017. Grundlegende Monographien: Geering 1952, Göllner 1961 und 1969. Weitere Quellenstudien und grundlegende Betrachtungen erschienen in den Sammelbänden Corsi-Petrobelli 1989, Cattin-Gallo 2002; vgl. besonders Gallo 1989, Flotzinger 1989, Flotzinger 1995 (1. Ausg. 1977). Quelleneditionen und Faksimiles: Gallo-Vecchi 1968, Dömling 1972, Arlt-Stauffacher 1986, Göllner, M.L. 1993. Internationale Inventare: Reaney 1969 (RISM B IV/2); Fischer-Lütolf 1972 (RISM B IV/3-4). Neuere Studien: Hascher-Burger 2005; Rausch 2014 » A. Klösterliche Mehrstimmigkeit: Grundlagen.
[2] Vgl. u.a. die Kritik an dieser Auffassung bei Flotzinger 1989, S. 60-61. Analoge Randerscheinungen in der Musikhistoriographie sind das nichtliturgische lateinische Lied und die Instrumentalmusik, die meist nur insoweit Erwähnung finden, als schriftliche Musiknotate vorhanden sind.
[3] Zum Begriff des Tropus und Beispielen vgl. » A. Gesänge zu Weihnachten.
[5] Göllner 1961, S. 145-146; vgl. auch die Beispielbeschreibungen S. 40-60.
[6] Abb. nach Strohm 2020.
[7] Gallo 1989, S. 28-30, Flotzinger 1989.
[8] Zunächst wurde allein von Dreizeitigkeit der Werte ausgegangen. Regionale Varianten dieses auf Franco von Köln (Paris, 13. Jahrhundert) zurückführbaren Mensuralsystems erklärt Alexander Rausch in » C. Kap. Mensuraltraktate – Abweichungen vom klassischen System.
[9] Zu Terminologie und Entwicklung des Discantus-Begriffs vgl. Fuller 1978, Sachs 1974 und 1984, Hascher-Burger 2002, S. 188-202.
[11] Göllner 1961, 1989; Treitler 1989. Zur Diskussion dieser Auffassung vgl. » Kap. Komposition, Schriftlichkeit und Mündlichkeit.
[12] Dass instrumentale Mehrstimmigkeit eine ähnliche Position einnahm, sich jedoch anders weiterentwickelte, betont vor allem Göllner 1961, S. 144-146.
[13] Gegen Ende des 15. Jahrhunderts führte die religiöse und soziale Kritik an kunstvoller Kirchenmusik zu einer europäischen Krise: vgl. Wegman 2005.
[14] Text und Interpretation nach Hucke 1984; Körndle 2010, S. 151 und 164; Übersetzung R. Strohm. Mit „Motetten“ sind hier nicht die Stücke als Ganzes, sondern die Motetus-Stimmen gemeint.
[15] Sed nonnulli novella Scholae discipuli, dum temporibus mensurandis invigilant, novis notis intendunt, fingere suas quam antiquas cantare malunt, in semibreves et minimas ecclesiastici cantus notulas percutiunt. Nam melodias hoquetis intersecant, discantibus lubricant, triplis et motetis vulgaribus nonnumquam inculcant.
[16] Per hoc autem non intendimus prohibere, quin interdum, diebus Festis precipue, sive solemnibus in Missis et praefatis divinis officiis aliquae consonantiae, quae melodiam sapiunt, puta octavae, quintae, quartae et huiusmodi supra cantum ecclesiasticum simplicem proferantur, sic tamen ut ipsius cantus integritas illibata permaneat.
[17] Körndle 2010. Zu einer vermutlichen Beachtung des Dekrets in den polyphonen Musikhandschriften » F-APT 16b und » F-APT 9 vgl. Strohm 1993, S. 34-35. Angerer 1974, zur Melker Reform, geht auf das päpstliche Dekret nicht ein.
[18] Vgl. Ewerhart 1955 und Hascher-Burger 2002, S. 186-205, Hascher-Burger 2005.
[19] Zur Verbreitung ausserhalb Zentraleuropas vgl. » Kap. Verbreitung.
[21] Göllner 1961. Edition der Handschrift: Dömling 1972. Joseph Willimann schlug Prager Herkunft vor: vgl. Stenzl 2000, S. 176.
[22] Flotzinger 1989; diese Zahl ist seither angewachsen.
[23] Zur Frage der chorischen Mehrstimmigkeit vgl. u.a. Geering 1952, S. 51.
[24] Das zweistimmige Kyrie Magne Deus ist in vielen Quellen überliefert. Eine Version in » A-Ssp Cod. a.VII.20 ist abgebildet und besprochen bei Stenzl 2005, S. 55-58. Eine Einführung in die Neuberger Quelle und Besprechung der Stücke bietet Federhofer 1948, 20-25.
[25] Tropustexte wie diese, die durch Austextierung der Choralmelodie entstanden, werden auch prosulae oder „melogene Tropen“ genannt. Vgl. Ritva Jacobsson, Le style des prosules de l’Alleluia, genre mélogène, in: Corsi-Petrobelli 1989, S. 367-376.
[26] Für diesen Text ist keine andere Quelle bekannt. Er entstand wahrscheinlich als Paraphrase der bekannteren prosula Kyrie virginitatis amator.
[27] » A-Gu Cod. 10 ist ein von derselben Hand geschriebenes Graduale aus Neuberg mit fast demselben Inhalt. Es enthält nur dieses zweistimmige Kyrie, während die beiden folgenden fehlen: nach RISM BIV3, S. 74, aufgrund einer ausgeschnittenen Seite (?).
[28] Beispiele: Flos de spina procreatur (einstimmig) » A. Gesänge zu Weihnachten; Benedic domine » A. Kap. Zweistimmiges Singen.
[29] » A-Iu Cod. 457 wird in » K.1 Musikalische Quellenportraits genauer beschrieben. Ein detailliertes Inventar der Handschrift ist Stenzl 2000.
[30] Vgl. die Einspielung von David Munrow und dem Early Music Consort of London, mit analytischer Transkription: https://www.youtube.com/watch?v=_p9WQlyVPrA.
[31] Satzzeichen ergänzt. Die fettgedruckten Stellen erklingen gleichzeitig mit den entsprechenden Silben des Originaltextes.
[32] Das Responsorium Benedic domine und sein zweistimmiger Vers Conserva hoc wird in » A. Kap. Zweistimmiges Singen dargestellt.
[33] Vgl. Celestini 1995, S. 23-24, und 2002, S. 121-123, zur Handschrift » A-RB 60.
[34] Göllner 1961, S. 40-44, 134-141, Notenbeispiele S. 149-151; Göllner 1989, S. 183-188 mit Faksimile von » A-Iu Cod. 457, fol. 72r, beide Male im Vergleich mit der Fassung des Pariser Magnus liber organi*. Abb. und Kommentar bereits bei Wolf 1913-1919, Bd. 1, S. 215.
[35] Kommentar und Edition anderer Fassungen in Göllner 1961, S. 40-44 und 150f.
[36] Klugseder-Rausch 2011, S. 113-116, Nr 56 mit Abb. und Transkription.
[37] Göllner 1969 beschreibt und ediert Quellen ganz Europas seit dem 12. Jahrhundert. Im 14. und 15. Jahrhundert gibt es kaum Beispiele aus Westeuropa und Italien mehr. Vgl. auch » Kap. Verbreitung.
[38] Hierzu besonders Göllner 1969, Bd. I, S. 107-117.
[39] Diese Herleitung ist erklärt bei Göllner 1969, Bd. II, S. 127-135.
[40] Edition und Kommentar bei Göllner 1969, Bd. I, S. 48-50 und 307f. Zur Handschrift vgl. Klugseder 2014, S. 146-147, mit Farbabb. von fol. 44v auf S. 450.
[41] Vgl. Beschreibungen des Introitustropus Flos de spina procreatur und der Cantio Resonet in laudibus im Seckauer Cantionarius (A-Gu Cod. 756) in » A. Gesänge zu Weihnachten.
[42] Dass in einer späten Phase auch die Orgel zur Begleitung herangezogen wurde, betont Johannes Wolf 1937, S. 36.
[43] Zu einem konkreten Ablösungsvorgang vgl. Strohm 2019.
[44] Vgl. Göllner 1961, S. 25 bzw. 27, beide nach GB-Lbl add. 27630.
[45] Harrison 1965; Strohm 1966, 2009, 2019.
[46] Flotzinger 1989, S. 58.
[47] Die von Flotzinger 1989, S. 49 (zu » A-Gu Cod. 756) und Stenzl 2000, S. 170 und 173 (zu A-Iu Cod. 457) vermuteten Konkordanzen mit dem Notre-Dame-Repertoire erscheinen mir als bloße Textübernahmen.
[48] Dömling 1972, zu Motette Nr. 62. Faksimile von A-Wn Cod. S.n. 228 bei Klugseder-Rausch 2011, S. 114.
[49] Im Responsoriumsvers Conserva Domine (» A. Kap. Zweistimmiges Singen) gibt es viele Durchgangsterzen. Die Intervallfolge kleine Sexte-Quinte findet sich bei dem Wort „vester“ in » Abb. Jube domne – Consolamini (Anfang 2. System).
[50] Eingehende Analysen entsprechender Satztechniken bei Göllner 1961, S. 40-60.
[51] Zur Stimmtauschkomposition über eine vorgegebene Melodie vgl. Strohm 1996/1997, S. 546-549.
[52] Grundlegend ist Sachs 1974 und 1984.
[54] In » Abb. Sanctus A-VOR 22 (» Kap. Melodie und Klang: Vorau) sind die beiden Stimmen zwar farblich unterschieden, aber auf zwei Systemen notiert.
[55] Die gesamte Lesung ist ediert in Göllner 1969, Bd. I, S. 155-158, mit Kommentar S. 333f. Vgl. auch die überwiegend einstimmige Fassung derselben Lesung in A-Iu Cod. 457, fol. 77v-79v, bei Göllner 1969, Bd. I, S. 147-151 und S. 330-332 (mit vollständigem Textabdruck).
[56] Vgl. Strohm 1993, S. 352-357, und » B. Non-mensural polyphony (Marc Lewon).
[57] Zur Quelle vgl. » B. SL Christ ist erstanden. Das Fragment A-Ssp Cod. a.XII.25 fr. 31 (früher a.IX.3) stammt aus derselben ursprünglichen Handschrift.
[58] A-Wn Cod. 3617 (Kyrie magne deus) wird als Orgelstück besprochen bei Göllner 1961, S. 80-82. Vgl. auch » C. Kap. Kyrie magne deus potencie.
[59] Zu beiden Quellen vgl. Angerer 1979, S. 151-157, mit Edition des Marienliedes Begrüßet seist du, Königin aus » A-M Cod. 950. Zum Triumphat dei filius im selben Codex vgl. »A. Kap. Die Osterprozession und » Notenbsp. Triumphat dei filius.
[60] Rothe 1984 (Faksimile), S. 371-429.
[61] Beispiele bei Strohm 1989, Nr. 4 und 9; Gallo-Vecchi 1968, Nr. XXI, XXXII, XXXIII, XCVII, CXX, CXLVIII, CXXIII, CXXIV, XC-XCIII.
[62] Zu dieser Frage speziell bei Liedern vgl. » B. Kap. Mehrstimmige Liedvertonung. Argumente gegen die Einstufung Oswalds von Wolkenstein als „Komponist“ (was nicht dasselbe ist wie die Einstufung bestimmter Stücke als “Kompositionen”) sind gesammelt bei Strohm 2012/2013.
[63] Vgl. die Beschreibung einer vielleicht als Kompositionsversuch anzusehenden Lektions-Niederschrift in » C. Kompositorische Lernprozesse.
[64] Vgl. z.B. die Variantentabellen von Tamquam sponsus und anderen Stücken bei Celestini 1995 und 2002.
[65] Zu ungefähr diesem Ergebnis gelangt in einem wichtigen Beitrag Treitler 1989.
[66] “Improvisieren” wäre nicht das passende Wort, insoweit man liturgische Texte und strikte Textformen zu beachten und im Kollektiv zu singen hatte.
[67] Die umfangreiche Literatur zu Schriftlichkeit und Mündlichkeit in der Musik der Epoche ist ferner angedeutet bei Gallo 1989, Rankin 2002, Celestini 2002 und Mele 2002.
[68] Vgl. Celestini 2002, S. 130, mit Bezug auf Leo Treitler. Treitler 1989 sieht eher nur einen Gegensatz zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit innerhalb der Praxis. Die englische Vokabel “illiterate” bezeichnet eine Person, die nicht lesen und schreiben kann oder von einer bestimmten Sache nicht das Geringste versteht; sie sollte also hier vermieden werden.
[69] Vgl. u.a. Göllner 1989, besonders S. 185.
[70] Vgl. Busse Berger 2005.
[71] Die folgenden Ausführungen sind orientiert an den Quellenverzeichnissen bei Flotzinger 1989 und in RISM BIV/2 bzw. BIV/3-4.
[72] Die Verdopplung der Codices, ähnlich auch bei » A-Gu Cod. 9 und 10, deutet auf direkte Verwendung im antiphonalen Chorgesang.
[74] Die Sequenz Laudes salvatori wurde hier manchmal im “discantus” gesungen: vgl. » E. Kap. Tropen und andere Randerscheinungen.
[76] Gallo 1989, S. 14; vgl. dazu auch Treitler 1989, S. 145.
[77] Ein neuer Überblick steht dringend aus.
[79] Zum böhmischen Repertoire vgl. besonders Ciglbauer 2017. Zur Verbindungen mit Dänemark vgl. Bergsagel 1989.
[80] Volkssprachliche Texte wurden selten in andere Volkssprachen übersetzt.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhard Strohm: „Klösterliche Mehrstimmigkeit. Arten und Kontexte“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/kloesterliche-mehrstimmigkeit-arten-und-kontexte> (2019).