Kyrie magne deus potencie
Das früheste erhaltene notenschriftliche Zeugnis mit Orgelmusik aus dem österreichischen Raum, früher im Besitz des Benediktinerstifts Mondsee (» A-Wn Cod. 3617), stellt zugleich eine der ältesten Quellen mit Tastenmusik im deutschen Sprachraum überhaupt dar. Auch wenn es offenkundig nicht mit der dortigen Musikpflege in Verbindung steht,[5] könnte es aus dem Salzachraum stammen. Einer Sammelhandschrift wurde nachträglich ein Blatt (fol. 10) aus der Zeit um oder kurz nach 1400 beigebunden, das eine zweistimmige Orgelfassung des Kyrie-Tropus Magne deus potencie enthält.[6] Der Text des Tropus steht Silbe für Silbe zwischen dem Notensystem für die Oberstimme und den Tonbuchstaben für die Unterstimme des Cantus firmus. Die Orgelfassung gliedert den nach c transponierten Cantus in annähernd gleich lange Abschnitte, deren Zäsuren in der Oberstimme eine steigernd angelegte Reihung erkennen lassen. Der Duktus des Stückes indes ist elementaren Praktiken verpflichtet. Die gleichförmig in Semibreven ablaufende, nur an den Zäsuren gebremste bzw. variierte Oberstimme setzt sich aus acht verschiedenen, von den Orgelspiellehren der Zeit überlieferten Spielformen zusammen, auch das Zusammenspiel mit dem Tenor entspricht mit wenigen Ausnahmen handwerklicher Tradierung. Das Orgel-Kyrie erinnert mit der Parallelführung perfekter Konsonanzen an frühe organale Mehrstimmigkeit und ist vom Prozess der späteren Rationalisierung und Annäherung der Tastenmusik an das Vorbild kunstvoller vokaler Komposition noch unberührt. Vgl. » Hörbsp. ♫ Instrumentenmuseum Clavicytherium.
[5] Klugseder 2012, 271.
[1] Eine aktualisierte Übersicht bei Staehelin 1996,173 f.
[2] Strohm 1984, 212, rechnet auch einen „Tenor super Et in terra“ (in Strichnotation) in » A-Ssp a XII 25, frg. 31 (olim Cod. a.IX.3), fol. 1v, zu den tasteninstrumentalen Quellen.
[4] Edition, Kommentar und Einordnung der Quelle bei Meyer 2002, 5–27.
[5] Klugseder 2012, 271.
[7] Göllner 1967, 171.
[8] Strohm 1984, 212.
[9] Ristory 1985, 53–73.
[10] Faksimile bei Göllner 1967, Abb. 2, und Besseler/Gülke 1973, 155, Abb. 91.
[11] Zur Identifizierung des Schreibers siehe Ward 1981, 342; Wright 2010, 302–316.
[12] Schmid 2012, 177 und 216.
[13] Göllner 1967, 177.
[14] Faksimile bei Göllner 1967, Abb. 1.
[15] Faksimile bei Göllner 1967, Abb. 3; Faksimile und Edition bei Crane 1965, 237–245.
[16] Strohm 1984, 212.
[17] Göllner 1967, 176.
[18] Faksimile bei Angerer 1973, Abb. 5.
[19] Übertragung der betreffenden Passage bei Flotzinger/Gruber 1995, 204.
[21] Göllner 1961, 92 f.
[22] Vgl. Göllner 1961, 68.
[24] Angerer 1973, Abb. 6.
[25] Fehlt im 3. System.
[26] Im 2. System nur dieser Schlüssel.
[28] Faksimile, Edition und Besprechung der Quelle bei Aringer 2006, 357–363.
[29] Vgl. Göllner 1961, 180 f.
[31] Aringer 2006, 360.
[32] Edition und Quellenbeschreibungen bei Strobl 2009.
[34] Faksimile bei www.cantusplanus.at/OENB03499 [07.08.2013].
[36] Moser 1929, 135 ff.; Apel 1967, 77 ff.; Kugler 1975, 92 ff.; Edler 1997, 43 f.
[38] Moser 1929, 137–140; Apel 1967, 79 f.; Edler 1997, 36.