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Orgelmusik Hofhaimers

Klaus Aringer

Paul Hofhaimers historische Bedeutung an der Wende von einem älteren zu einem neueren Stadium der Orgelmusik steht in merkwürdigem Gegensatz zur Quantität der Überlieferung seiner Tastenmusik. Der für einen Mann seines Formats außerordentlich geringe erhaltene Bestand[32] von vier Orgelsätzen (davon drei in einer einzigen Handschrift und einer in vier voneinander abweichenden Versionen überliefert) und acht teils in mehreren Fassungen erhaltenen Intavolierungen seiner Lieder lassen sich nicht allein mit dem auch um 1500 unverändert sekundären Rang der Schriftlichkeit für die Tastenmusik erklären, sondern es muss von massiven Quellenverlusten ausgegangen werden. Zwei anonyme Quellen mit Tastenmusik aus dem 1. Viertel des 16. Jahrhunderts (» H-Bn Clmae 432 [33] und » A-Wn Cod. 3499 [34]) aus Wien und/oder Buda könnten aus klösterlich-humanistischen, Schülern Hofhaimers nahestehenden Kreisen stammen.

Drei der vier Hofhaimer zugeschriebenen Orgelsätze sind Cantus firmus-Bearbeitungen, Hans Buchner zufolge die wichtigste Grundlage des tasteninstrumentalen Spiels. Die fünf Versetten eines Salve regina und ein zweiteiliges Recordare (» Hörbsp. ♫ Recordare, Hofhaimer) stellen die liturgischen Melodien vorwiegend als Cantus planus heraus. Während der Cantus im Salve regina in Mittel- und Oberstimme erklingt und im Recordare sogar in allen drei Stimmen erscheint, wird in der einzigen Bearbeitung eines weltlichen Liedes, des damals außerordentlich populären Tandernaken, al op den Rijn, in allen vier erhaltenen, teilweise signifikant voneinander abweichenden Gestalten der Cantus firmus allein in der Tenorstimme durchgeführt. Das in einer späten polnischen Tabulatur überlieferte Carmen ist, Titel und chansonhafte Züge weisen darauf hin, als Intavolierung aufzufassen. Somit fehlt in der quantitativ bescheidenden Überlieferung der Tastenmusik Hofhaimers von den zentralen tasteninstrumentalen Bereichen überraschenderweise nur das auf spezifische Weise der Schrift entzogene Praeludium.

Im Vergleich mit Arnolt Schlick hob die Forschung immer wieder die traditionellen, konservativen Züge von Hofhaimers Orgelmusik hervor, vor allem mit Hinweis auf das Festhalten an der Dreistimmigkeit, altertümliche Klauselbildungen und die viertönigen Spielformeln. Letztere kontrastieren auf sehr wirkungsvolle Weise mit dem Cantus firmus, man findet sie bevorzugt in der oberen, manchmal aber auch in der mittleren Stimme. Einzig die Tandernaken-Versionen[35] bringen sie – Cantus-firmus-bedingt – alle auch in der Unterstimme. Die viertönige, mit der oberen Nebennote beginnende Gruppetto-Figur findet sich bei Hofhaimer als Standardfloskel im Vorfeld der Kadenz, aber auch nach traditioneller Organistenpraxis als Verbindungsglied zwischen zwei Klängen. Hofhaimers dreistimmigen Satz kennzeichnet eine auffällige Vorliebe für die Parallelführung zweier Stimmen, bevorzugt der äußeren Partien (oft in Terz-, Sext- oder Dezimkopplungen), eine Eigenart die mit Hofhaimers klangbezogenem Konzept vom Orgelspiel in Verbindung steht.

Vergleiche mit Werken von Zeitgenossen, wie sie vor allem das Salve regina ermöglicht, zeigen andererseits deutliche Ansätze zu einer kompositorischen Strukturierung. Wenn sich im Salve regina[36] der Cantus firmus von sehr langen Werten im Tenor zu Beginn bis zur im Dreiermetrum lebendig rhythmisierten Oberstimmenversion des letzten Verses wandelt, dann zeugt dies im Sinne eines gezielten „Fortschreitens von der ältesten Art der cantus firmus-Behandlung zu moderneren Methoden“[37] von einer planvollen kompositorischen Formdisposition. Noch weiter ging Hofhaimer im Offertorium Recordare,[38] in dem die Rahmenteile, in denen die liturgische Melodie in der Oberstimme erklingt, von einem zweiteiligen Mittelabschnitt kontrastiert werden, der den Cantus auf doppelt so schnelle Werte beschleunigt und teilweise koloriert, zuerst innerhalb eines Biciniums aus Mittel- und Unterstimme, dann im dreistimmigen Stimmverband. Diesem kompositorischen Spiel mit dem Cantus firmus stellte er mit der als zweitem Teil hinzugefügten Bearbeitung des Tropus Ab hac familia eine abschnittsweise imitatorisch behandelte, teils kunstvoll enggeführte Ausgangsmelodie gegenüber, mit der die Orgelkomposition endgültig Anschluss an die Höhe der Kompositionskunst seiner Zeit fand. Im Tropus ist das reizvolle Spiel wechselnder Biciniumspaare aus dem Recordare wieder aufgegriffen und wird im tempus imperfectum diminutum strettahaft zu Ende gebracht.

Allem Anschein nach vermag die ausgesparte Überlieferung einen Grundzug von Hofhaimers Orgelmusik nicht zu verdecken: die Synthese aus älteren organistischen Gepflogenheiten und Errungenschaften moderner vokaler Komposition.

 

[32] Edition und Quellenbeschreibungen bei Strobl 2009.

[33] Szigeti 1975.

[34] Faksimile bei www.cantusplanus.at/OENB03499 [07.08.2013].

[35] Strobl 2007.

[36] Moser 1929, 135 ff.; Apel 1967, 77 ff.; Kugler 1975, 92 ff.; Edler 1997, 43 f.

[37] Apel 1967, 79.

[38] Moser 1929, 137–140; Apel 1967, 79 f.; Edler 1997, 36.

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