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Fragmente aus dem 15. Jahrhundert

Klaus Aringer

Die geographischen Schwerpunkte der heute bekannten Überlieferung von Tastenmusik aus dem 15. Jahrhundert liegen im süd- und südwestdeutschen sowie im norddeutschen und schlesischen Raum.[1] Immerhin zwei der Zentren sind dem habsburgischen Territorium unmittelbar benachbart. Auf österreichischem Gebiet muss noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein nach handwerklichen Regeln mündlich tradiertes Orgelspiel vorgeherrscht haben, das nur ausnahmsweise (vor allem zur didaktischen Demonstration) schriftlich festgehalten wurde. Von den vier Quellen (» A-Wn Cod. 3617, » A-Wn Cod. 5094, » A-M Cod. 689, » A-Ssp Inkunabel 319)[2] mit praktischer Orgelmusik dieser Zeit sind nur zwei vielleicht am Ort ihrer heutigen Verwahrung niedergeschrieben worden. Sie beziehen sich mehrheitlich auf das Spiel über einen gegebenen Cantus firmus, nur eine Handschrift zeugt vom Intavolierungsverfahren. Freie Praeambula (Intonationen, Vorspiele) und Tänze, wie sie in Quellen aus Deutschland vorkommen, fehlen im erhaltenen Repertoire. Während aus Österreich kein Exemplar der formelhaften Übungsbeispiele enthaltenden Fundamenta bekannt geworden ist, deutet die in den letzten Jahren deutlich erweiterte Quellenlage bei den Orgelspiellehren (Traktate, die das Orgelspiel mit Regeln zu erfassen versuchen) auf ein Zentrum im süddeutsch-böhmischen Raum, genauer der Donauregion, hin.[3] Der jüngste Fund einer Orgelspiellehre in einem Wiener Archiv (» A-Wda Cod. 121) scheint dies zu untermauern.[4]

[1] Eine aktualisierte Übersicht bei Staehelin 1996,173 f.

[2] Strohm 1984, 212, rechnet auch einen „Tenor super Et in terra“ (in Strichnotation) in » A-Ssp a XII 25, frg. 31 (olim Cod. a.IX.3), fol. 1v,  zu den tasteninstrumentalen Quellen.

[3] Witkowska-Zaremba 2001Göllner 2003.

[4] Edition, Kommentar und Einordnung der Quelle bei Meyer 2002, 5–27.