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Weihnachtliches Hohelied: Göttweig

Alexander Rausch

Bei dem Text Procedentem sponsum de thalamo handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem Hohelied Salomons. Liturgisch gehört er zur Weihnachtsmesse, und zwar als Tropus zum abschließenden Benedicamus domino, das durch die auf „-o“ reimenden Verse eingeleitet wird. Im Seckauer Cantionale von 1345 (» A-Gu Cod. 756: » A. Weihnachtsgesänge) ist eine zweistimmige Version des Procedentem sponsum enthalten, allerdings neumiert, d. h. ohne Kenntnis der nicht-notierten Tonhöhen nicht ausführbar. Die linienlosen Neumen dienen in erster Linie als Gedächtnisstütze, was die Nähe zum und die Abhängigkeit vom Gregorianischen Choral anschaulich macht. Noch weniger Information findet sich in einer bisher unbeachteten Aufzeichnung aus der Abtei Mondsee (» A-Wn Cod. 3586, fol. 162v) ohne musikalische Notation – die Noten wurden nicht aufgeschrieben, da der Gesang ohnehin bekannt war. In Handschriften des späten 14. und 15. Jahrhunderts, wie z. B. einer Sammlung aus Südtirol (» A-Iu Cod. 457, fol. 72r–72v), ist das Lied zweistimmig auf Linien notiert. Aus dem Stift Göttweig (» A-GO Cod. 307, S. 264) kennen wir eine Version des späten 15. Jahrhunderts, die beide Stimmen zur ersten Strophe wiedergibt, für eine weitere Strophe nur den Text. (» Notenbsp. Procedentem sponsum; Hörbsp. ♫ Procedentem sponsum).

 

Text des Tropus:

Procedentem sponsum de thalamo
Quem progressum divina gracia
Prophetavit scriba cum calamo
Stricta ligat in cunis fascia
Ergo benedicamus domino.

(Den Bräutigam, der aus dem Brautgemach hervortritt, dessen Auftritt durch Gottes Gnade der Schreiber mit dem Griffel prophezeite, bindet in der Krippe die enge Windel: So lasst uns den Herrn loben.)