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Musiker zwischen Stadt, Kirche und Hofgesellschaft

Reinhard Strohm

Ob permanent oder kurzfristig angestellt, viele Musiker verdankten ihren Lebensunterhalt der Stadtverwaltung und der urbanen Erwerbsgemeinschaft. ‘Nebeneinnahmen’ – auch in Naturalien – waren für viele das Haupteinkommen. Trompeter, Pfeifer und Lautenisten wurden besonders in der Fronleichnamsprozession beschäftigt und dafür mit Geld oder Trank und Speise belohnt, z.B. in Bozen (» E. Kap. Geistliches Spiel und Umzug) und Wien (OKAR 1436, fol. 100r).[96] Entweder der Stadtrat oder die Kirche konnten hier der Dienstgeber sein. Festangestellte Musiker erhielten wie andere städtische Beamte saisonbedingte Zuschläge. Der Hamburger Magistrat bewirtete die eigenen Stadtspielleute jährlich mit einem Festessen zu Neujahr:[97] Entsprechendes dürfte in der Region Österreich Sitte gewesen sein.

Die Beteiligung der Kirche an der Finanzierung öffentlicher Feste, und umgekehrt, diejenige der Stadt an der Finanzierung von Kirchenfesten, hat allerdings geschwankt. Der Organist von St. Stephan wurde bis 1436 für das Spielen bei Kirchenfesten von der Stadt bezahlt, doch anschließend sollte der Kirchmeister von St. Stephan dafür aufkommen (» E. Kap. Kirchen- und Stadtrechnungen). 1417 entlohnte der Kirchmeister die “Trompeter und Pauker am Fronleichnamstag” mit ½ tl.[98] Eine solche Zahlung ist sonst nicht belegbar; die Musiker waren sicher städtische Angestellte. Die Salzburger Stadtpfarrkirche belohnte 1487 den erzbischöflichen Hoftrompeter, der “vor dem sacrament dient” (für die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession) sowie zwei Lautenschlager und andere, was “die zech zu ordnen hatte”: nämlich städtische Musiker im Dienst der Fronleichnamsbruderschaft.[99]

Auch Hofmusiker gehörten in vieler Hinsicht zur Wiener Stadtbevölkerung, zumindest wenn sie außerhalb der Hofburg wohnten, nämlich vorzugsweise vor dem Widmertor. 1398 waren in Wien sechzehn Musiker Herzog Albrechts IV. – drei fistulatores (Flötenspieler), drei Pfeifer, zwei Trompeter, zwei Posauner, drei Pauker, ein leyrer (Drehleierspieler), ein Fidelspieler und ein Lautenschlager – dem Schottenkloster zins- bzw. mietpflichtig.[100]

Das höfische Mäzenatentum war die älteste, auch innerhalb der Stadt weiterhin wichtige Existenzgrundlage der Berufsmusiker. Die Hofgesellschaft veranstaltete seit dem 14. Jahrhundert ihre Tänze, Turniere und Hochzeiten oft in der Stadt und nicht nur in den eigenen Palästen oder Burgen.[101] Was Turniere betrifft, hatten Stadtbewohner sowohl den Ehrgeiz als auch ein finanzielles Interesse, an diesem besonders privilegierten Sport rahmengebend teilzunehmen. Sie konnten vielerorts den Marktplatz als Austragungsort anbieten.[102] Der Stadtplatz von Hall i.T. sollte 1503 für Turniere zu Ehren Maximilians I. und Philipps des Schönen dienen, obwohl bemängelt wurde, dass sich das Terrain in der Mitte etwas absenkt.[103] Musikalische Dienste zum Turnier selbst und allen begleitenden Zeremonien (öffentliche Ankündigung, Einzug der Teilnehmer, Überprüfung der Wettkämpfer usw.) wurden nicht allein von den Musikern der adligen Herrschaften ausgeführt: Musiker aus der gastgebenden Stadt und aus dem Gefolge des anwesenden Feudaladels, zu denen sich oft auch wandernde Musikanten gesellten, trugen das Ihre zu dem festlichen Gepränge bei.[104] Somit kann nicht immer entschieden werden, ob bei Hoffesten abgebildete Musiker wirklich Hofdiener, Stadtmusiker oder „Fahrende“ waren.

Stadtmusiker erhielten einerseits Trinkgelder von Fürsten für das Aufspielen in der Stadt, andererseits wurden besuchende fürstliche Musiker für ihre dortigen Darbietungen vom Stadtrat belohnt (» E. Städtisches Musikleben) – und schließlich traten Stadtmusiker, seien sie offiziell besoldet oder nicht, in fremden Städten auf, um dort ihr heimatliches Einkommen aufzubessern. Das taten sie auch dann, wenn sie in einem Auftrag reisten, z.B. als Boten. Im Ergebnis waren in den Städten der Region häufig öffentliche Klänge fremder Musiker zu hören; die Kunst selbst und ihre Voraussetzungen (wie z.B. die Instrumente) müssen sich europaweit verbreitet haben.

Der Wiener Stadtrat hieß 1452 die Pfeifer der Stadt Regensburg und die Stadttrompeter aus Brünn und Landshut willkommen (» E. Kap. Festlichkeiten für Ladislaus Postumus), und immer wieder fremde Hofmusiker, “Hofierer”, Herolde (“Persoventen”) und Sänger.

In Hall i.T. sind zahlreiche Besuche von Trompetern aus anderen Städten, sowie von Hoftrompetern und Herolden fremder Herren, registriert, die alle vom Stadtrat belohnt wurden – wobei nicht immer belegt ist, ob sie, oder welche von ihnen, überhaupt spielten. 1412 kam “meins herrn herzog Ernst karalo persefant” [Herold] “von der hochzeit” und erhielt 7 fl.[105] 1429 erschienen Trompeter, Pfeifer und Pauker mit Herzog Friedrich (IV., von Tirol) und seinen Vettern Herzog Friedrich (V., späterer König Friedrich III.) und Albrecht V.; sie erhielten zusammen 8 lb. zum Geschenk (“in propinacione”).[106] Namhafte Spenden an auswärtige Musiker, ob sie nun mit oder ohne ihre Herrschaften reisten, entrichtete der Haller Stadtrat auch in vielen anderen Jahren.

[96] Zur Musik in der Fronleichnamsprozession vgl. Altenburg 1984.

[97] Koppmann 1869–1951, Bd. 4, 75.

[98] 1417 fol. 18v: Uhlirz 1902, 338.

[99] Archiv der Stadt Salzburg (A-Ss)BU 263, fol. 29v (1487). Zu den erzbischöflichen Bläsern vgl. Welker 2005, 84.

[100] Żak 1979, 299–300 (nach Moser 1910, 19), mit dem Hinweis, dass die genannten Musiker auf Grund dieser Quelle (Gültenbuch des Schottenklosters) nicht in bestimmte Ensembles gruppiert werden können. Zur Drehleier vgl. » Instrumentenmuseum Drehleier.

[101] » E. Kap. Tanzfeste, Hochzeiten. Zur Turniermusik unter Maximilian I. vgl. Fink 1992.

[102] Belege außerhalb der Region gibt es z.B. für England, Flandern und Paris: vgl. Bowles 1977, 68–77; Strohm 1985, 79–84.

[103] Es ist nicht sicher, dass die Turniere ausgeführt wurden (freundliche Auskunft von Stadthistoriker Dr. Alexander Zanesco).

[104] Bowles 1977, 70.

[105] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 1 (1412), fol. 77r.

[106] Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 2 (1429), fol. 103v.