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Das Phänomen „Neidhart“

Marc Lewon
  • Der „originale“ Neidhart

    Der Name „Neidhart“ wird bis in die Gegenwart mit keinem Ort so eng assoziiert wie mit der Stadt Wien. Motive, die mit seinem Namen verbunden sind, finden sich dort immer noch an und in Bauwerken, darunter das Neidhart-Grab am Stephansdom und die Neidhart-Fresken im Haus Tuchlauben 19 (» Abb. Dörperkampf der Tuchlaubenfresken, » Abb. Dörpertanz der Tuchlaubenfresken). Dass beides jedoch erst aus dem 14. Jahrhundert datiert, während der Minnesänger dieses Namens, auf den die Zeugnisse zurückgehen, in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts tätig war, zeigt schon, dass das Phänomen „Neidhart“ langlebiger war als die Person „Neidhart“.[1]

    Zwar war „Neidhart“ im ganzen deutschsprachigen Raum bekannt und beliebt, wie die Überlieferung seiner Lieder vom niederdeutschen Raum über Wien und Basel bis nach Südtirol sowie die Abbildungen von Neidhart-Motiven zwischen Meißen, Zürich und Wien zeigen. Eine lebendige Neidhart-Praxis, wie sie von den Melodiehandschriften und den Belegen für Neidhartspiele angedeutet wird,[2] scheint sich dabei aber auf den süddeutschen und v. a. österreichischen Raum konzentriert zu haben, in dem der eigentliche Urheber und seine wichtigsten Nachahmer tätig waren – mit Schwerpunkten in Nürnberg, Vorderösterreich, Tirol und Wien.

    Die Lebensdaten des „originalen“ Dichter-Sängers Neidhart lassen sich nur durch Hinweise aus seinen eigenen Liedern und durch die Erwähnung seines Namens in Werken von Zeitgenossen[3] grob auf ca. 1190 bis ca. 1240 eingrenzen.[4] Nennungen Neidharts in historischen nicht-literarischen Zeugnissen sind bisher nicht bekannt. Das ist für einen höfischen Sänger des 13. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. Selbst der berühmte Walther von der Vogelweide wird nach heutigem Wissenstand nur einmal im nicht-literarischen Kontext erwähnt: in einem Rechnungsbuch des Bischofs Wolfger von Erla im Jahre 1203. Im Laufe seines Lebens muss Neidhart, der ursprünglich aus dem bayerischen Raum stammte, in den österreichischen übergesiedelt sein und in der Region um Wien eine neue Wirkungsstätte gefunden haben. Die Erwähnung von regionalen Flurnamen und weitere Anspielungen in seinen späten Liedern lassen vermuten, dass er zunächst am Wiener Hof eine Anstellung fand und schließlich vom Babenberger Herzog Friedrich II. (der Streitbare, 1211–1246) ein Lehen erhielt. Freilich sind biographische Rückschlüsse aus Liedern, die ihrer Natur gemäß einen hohen Grad an Stilisierung enthalten und als literarisches Spiel sogar reine Fiktion sein können, äußerst problematisch. Dennoch wurde für Neidhart der ernsthafte und ambitionierte Versuch einer Biographie anhand seiner Lieder unternommen.[5] Wenn das Verhältnis von Selbsterlebtem zu literarischer Verarbeitung am (zwar viel späteren) Beispiel Oswalds von Wolkenstein (» B. Oswalds Lieder, » G. Oswald von Wolkenstein) als exemplarisch gelten kann, dann lassen sich aus Neidharts Liedern tatsächlich zahlreiche Rückschlüsse auf sein Leben ziehen. Ein Großteil der Schlussfolgerungen muss jedoch als spekulativ eingestuft werden, weil man die aus den Liedtexten gezogenen Daten nicht mit archivalischen Belegen abgleichen kann, und selbst wenn man annimmt, dass Neidhart laufend autobiographische Details in seine Lieder einfließen ließ, bleiben große Unwägbarkeiten bestehen, weil seine Lieder nicht in autornahen Quellen, sondern erst in viel später entstandenen Handschriften erhalten sind. Der Grad von Veränderung, Anpassung und Umformung der Liedtexte über den langen Zeitraum von ihrer Entstehung bis zu ihrer Niederschrift, die vielen möglichen Abwandlungen und der Anteil mündlicher Überlieferungsstufen auf ihrem Weg dorthin sind kaum nachvollziehbar und schwer einzuschätzen – besonders wenn man dabei in Betracht zieht, dass sein Werk fortgeführt und durch Nachahmer am Leben gehalten wurde, sich verselbständigte und im 15. Jahrhundert vielleicht sogar breiteren Schichten bekannt war als noch zu Lebzeiten des ersten Sängers dieses Namens (vgl. auch » B. Traditionsbildungen des Liedes).

  • Vom Minnesänger zum Bauernfeind

    Viel bedeutender als Neidharts möglicher Lebensweg waren für sein Nachwirken die Inhalte und die Motive seiner Lieder, das dort auftretende Personal und sicherlich nicht zuletzt deren Melodien. Möglicherweise war auch sein Vortrag so begeisternd, dass er das daran gebundene Œuvre werbewirksam unterstützte. Jedenfalls muss Neidhart schon zu Lebzeiten weithin bekannt gewesen sein, wie ein Zitat bei seinem Dichterkollegen Wolfram von Eschenbach[6] und eine Kontrafaktur über eines seiner Lieder im Codex Buranus (um 1230)[7] bezeugen.

    Mehrere andere Sänger griffen Neidharts Vorbild auf, sangen vermutlich auch seine Lieder weiter, aktualisierten sie und fügten eigene in ähnlichem Stil hinzu, sodass bereits in frühen Überlieferungen nicht immer sauber zwischen „Original“ und „Neidhartiana“ getrennt werden kann. Unter die Lieder des Basler Sängers Göli (2. Hälfte 13. Jahrhundert)[8] beispielweise mischte sich im Codex Manesse (» D-HEu cpg 848) allerlei Neidhartsches (siehe z. B. » Abb. Die Neidhartminiatur im Codex Manesse), und einzelne Strophen sowie ganze Lieder finden sich bisweilen unter die Œuvres anderer Minnesänger sortiert.[9] Daher wird die seit Moritz Haupt[10] bis ins späte 20. Jahrhundert übliche Trennung des unter dem Namen „Neidhart“ überlieferten Œuvres in „echte“ und „unechte“ Lieder mittlerweile generell vermieden.

    Für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts gibt es Hinweise auf einen ritterlichen „Neidhart Fuchs“ am Wiener Hof,[11] der das Erbe des Minnesängers weitergetragen und für eine wahre Flut neuer „Neidharte“ gesorgt haben soll. Dieser Annahme zufolge war für die späte Blüte des Œuvres v. a. dieser Nachfolger verantwortlich, durch den das Repertoire auf vielfältige Weise seinen Weg ins spätmittelalterliche Musikleben des österreichischen Raums fand und sich heute an zahlreichen Parametern ablesen lässt: Dazu gehört an erster Stelle die Überlieferungswelle im 15. Jahrhundert, die eine Reihe von Melodiequellen einschließt und bis weit in die Zeit des Buchdrucks hineinragte (der letzte „Neidhart Fuchs“-Druck erschien 1566 in Frankfurt am Main [» Abb. Dörperkampf im letzten Neidhart Fuchs-Druck]). Ferner äußert sich die Beliebtheit des Stoffes im Spätmittelalter in der Ausschmückung adeliger wie bürgerlicher Fest- und Tanzsäle  mit Motiven aus Neidhartliedern.[12] Neidhartspiele, die wohl im 14. Jahrhundert aus Keimzellen seiner Schwanklieder entstanden, fanden weite Verbreitung und die Geschichten von und um „Neidhart“ waren selbst Kaiser Maximilian I. noch ein Begriff.[13]

    Die Neidhartspiele gehören zu den frühesten erhaltenen weltlichen Schauspielen des Mittelalters und sind in mehreren Spieltexten aus dem 14. und 15. Jahrhundert aus dem süddeutschen und Tiroler Raum überliefert (» H. Musik und Tanz in Spielen, » H. Sterzinger Spielarchiv). Sie bestehen aus szenischen Darstellungen der Handlungen von Neidhart-Schwankliedern, darunter an erster Stelle und als früheste Keimzelle der Veilchenschwank (» Hörbsp. ♫ Vyol – Urlaub hab der wintter). Die Geschichte des Veilchenschwanks ist in mehreren, leicht unterschiedlichen Liedfassungen erhalten, davon zweimal mit Melodie.[14] Darin geht es darum, dass wer im Frühling das erste Veilchen findet, damit den Sommer entdeckt und das Wohlwollen der Herzogin von Bayern oder je nach Quelle auch der von Österreich (gemeint ist vermutlich Elisabeth von Bayern, Gattin Herzog Ottos von Österreich) erlangt. Neidhart, als Protagonist des Liedes, zieht aus, entdeckt das erste Veilchen und stülpt seinen Hut darüber, um es als seinen Fund zu kennzeichnen. Zwei Bauern beobachten ihn dabei, heben den Hut, pflücken das Veilchen und setzen stattdessen einen Kothaufen darunter. Derweil ist Neidhart zum Hof geeilt, hat von seinem Fund berichtet und führt den gesamten Hofstaat mit Musikanten und Gefolge unter der Führung der Herzogin zu seinem Hut. Er bittet sie, den Hut aufzuheben, um darunter den Sommer zu finden. Sie tut wie geheißen und verflucht Neidhart für diesen vermeintlichen, üblen Streich. Der begibt sich anschließend zu den Bauern, die in den ausgeschmückteren Versionen der Geschichte, besonders der Neidhartspiele, gerade einen Tanz um das erbeutete Veilchen veranstalten und rächt sich brutal, vorzugsweise durch das Abschlagen der linken Beine. Zu den Spielen gehörten nachweislich musikalische Aufführungen, meist von Tanzmusik. Dass bei ihrer Aufführung auch Neidhartlieder erklangen ist zwar möglich, aber weder belegt noch zwingend notwendig. Dass Neidhartlieder im 15. Jahrhundert jedoch allgegenwärtig und dabei auch in Spielen präsent waren, zeigt die Verarbeitung des Aufgesangs von „May hat wuniglichen entsprossen“ (Die zerreyssen haub, c6)[15] in der Melodie von Groter klage ýs mýr not aus der Bordesholmer Marienklage.[16]

    Der anfängliche Autorname „Neidhart“ war in der Zwischenzeit zu einem Markenzeichen, einem Stereotypen, einer Gattung geworden, wie die häufig anzutreffende Liedüberschrift „ain neidhart“ durch den beigefügten, unbestimmten Artikel bezeugt.[17] Gleichzeitig wurde Neidhart mit dem lyrischen Ich seiner Lieder identifiziert und konnte jetzt auch als Gast in anderen Geschichten erscheinen, z. B. als „Bauernfeind“ in Heinrich Wittenwilers Ring, einer Lehrdichtung mit schwankhaften Elementen (Verspottung der Bauern, die in einen Dorfkrieg verwickelt sind), die Anfang des 15. Jahrhunderts in Konstanz im Vor- oder Umfeld des Konzils entstand.[18] Über die Rolle des Protagonisten in den Neidhartschwänken und -spielen mutierte die Figur des „Neidhart“ im 16. Jahrhundert schließlich zum Universal-Neider, Zwietrachtstifter und letztlich zu einer Art „Hofnarr“.[19]

  • Vom „Dörper“ zum „Gebauren“

    Neidharts bekanntestes Erfolgsrezept war die Einführung antihöfischer Gegenspieler in den Minnesang: seine „Dörper“. Mit diesem niederdeutschen Begriff für „Dorfbewohner“ – einem Fremdwort in Neidharts oberdeutscher Sprache – sorgte er dafür, dass seine Lieder trotz scheinbar oberflächlich burlesker Handlungen tief geschichtet waren und von Kennern wohl auch so verstanden wurden. Die Dörper waren bei ihm demnach nicht einfach nur Bauern. Hinter der Chiffre verbarg sich vielmehr der Inbegriff unhöfischer Verhaltensweisen, die man, wenn man Neidharts Szenerien unter Beibehaltung des Personals an den Hof versetzt hätte, dort durchaus hätte wiedererkennen können. Somit hielt Neidharts ursprünglicher Sang der höfischen Gesellschaft einen Spiegel vor. Diese immanente Sozialkritik wich im Laufe der Rezeptionsgeschichte der schlichten und unvereinbaren Gegenüberstellung von Adel und Bauernstand und führte in den späten Neidhartliedern und -schwänken zur Vergröberung des „Dörpers“ zum „Gebauren“. Solche grobianischen Bauerngestalten trafen den Nerv des Spätmittelalters. Einzelne vom originalen Neidhart bereits angelegte Motive wurden breit ausgebaut und entwickelten sich zu den Hauptthemen der Lieder und Geschichten: Dazu gehörten z. B. Dörper- oder Bauernversammlungen, dörfliche Tanzveranstaltungen, blutige Dörperkämpfe, Streitgespräche, Mutter-Tochter-Dialoge und der sogenannte „Spiegelraub“.[20] Besonders beliebt war die Schilderung vom Tanz der Bauern, bei dem unzählige, halberfundene Bauernnamen in ganzen Katalogen aufgelistet wurden, darunter federführend „Engelmar“ als Erzfeind des Protagonisten „Neidhart“.

    Die offen bauernfeindliche Rhetorik gerade in den späten Überlieferungen hatte aber nicht nur Freunde und Anhänger bei Adel und Bürgertum; sie traf auch den Nerv der dadurch Geschmähten und barg somit gesellschaftlichen Zündstoff.

    „In seinem vor 1452 entstandenen ,Tractatus de quinque sensibus‘ warnte Thomas Ebendorfer (1387–1464), Wiener Gelehrter und Diplomat, der an der Wiener Universität Theologie las, vor Liedern, die den Zorn der Zuhörer erregen könnten vel ad irritandum ut Neithart (oder zum Erzürnen wie bei Neidhart). Es sind vor allem Bauern, die diese Lieder sehr verärgern, sicut patet in cantilenis Neidhart ad quas rustici passionantur et irridentur (wie es in den Neidhart-Liedern der Fall ist, in denen Bauern zu Opfern gemacht und verlacht werden). Diese Bemerkungen beziehen sich zwar auf die Lieder und nicht auf die Spiele, aber der Stoff ist in beiden Gattungen im Großen und Ganzen derselbe und weist wohl in der handschriftlichen Tradition denselben Namen und dieselben Züge auf.“[21]

    Diese Aussagen bestätigen und unterstreichen die Tatsache, dass es sich bei den Neidharten ursprünglich um höfische Unterhaltungsmusik handelte, die im Laufe der Jahrhunderte auch von einem aufstrebenden Bürgertum assimiliert wurde, und nicht um Lieder der niederen Stände oder gar der Bauern selbst, wie gerade in der Neidhartrezeption des 20. Jahrhunderts gelegentlich und missverständlich angenommen wurde.[22]

  • Der Wandel vom „Dörper“ zum „Gebauren“ in den Abbildungen zur Neidhartüberlieferung

    Abb. Die Neidhartminiatur im Codex Manesse

    Abb. Die Neidhartminiatur im Codex Manesse

    Die Miniatur zeigt den Dichter Neidhart mit abschwörender Geste, umringt von Dörpern aus seiner Dichtung (» D-HEu cpg 848, Heidelberg, Universitatsbibliothek, Codex Manesse, Zürich ca. 1305, fol. 273r: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848).
    (Zur Deutung der Miniatur und ihrer Vorlage, der „Verspottung Christi am Kreuz“ aus dem Bilderprogramm des Heilsspiegels, siehe Voetz 2002 und die Zusammenfassung auf https://mlewon.wordpress.com/2012/11/05/frauenlob-miniature/.)

     

    Abb. Dörpertanz der Wiener Tuschezeichnung

    Abb. Dörpertanz der Wiener Tuschezeichnung

    Die Federzeichnung inmitten einer universitären Abschrift der Questiones in Aristotetelis libros physicorum von Jean Buridan von ca. 1370 (» A-Wn Cod. 5458, fol. 226r; mit Genehmigung) zeigt vier namentlich bezeichnete Dörperfiguren beim Tanz: drei Männer – zwei davon mit Dolch und Schwert bewaffnet – und eine Frau. Den Figuren sind Aussagen beigestellt, die z. T. Psalmen zitieren:

    Gunprecht: „Crura valde pulchra cum domicellis“ (sehr hübsche Schenkel mit Mädchen),
    Snabelrúsh: „Domine deus meus in te speravimus“ (Herr, mein Gott, auf dich haben wir vertraut),
    Slumphilt: „Domine deus eripe me de manu inimici“ (Herr, mein Gott, entreiße mich der Hand des Feindes),
    Engelmar: „Domine deus si feci istud“ (Herr, Gott, wenn ich das getan habe…).

    (Für eine eingehende Analyse der Miniatur und ihre Einordnung in den Kontext der Wiener Neidhartrezeption siehe https://musikleben.wordpress.com/2013/07/22/neidhart-in-vienna/. Vorangegangene Beobachtungen finden sich bei Wachinger 2011.)

     

     

     

  • Eine studentische Neidhartsammlung aus Wien

    Parallel zu den im 15. Jahrhundert immer beliebteren Neidhartspielen wurde auch das Liedrepertoire weiter gepflegt. Bedeutendstes Zentrum dieser Pflege blieb Wien und die Lieder wurden dort offenbar nicht nur von Adel und Bürgertum geschätzt, sondern auch in universitären Kreisen verbreitet, wie die Liedersammlung des Liebhard Egkenvelder (A-Wn S.n. 3344) belegt.[23] Egkenvelder stammte aus dem bayerischen Eggenfelden, studierte in Wien und erhielt dort am 3. Januar 1429 den Grad eines Baccalaureus. Anschließend, in den Jahren zwischen 1431 und 1435, war er im 50 km östlich von Wien gelegenen Hainburg als Schulmeister tätig. Er fertigte unter anderem die Abschrift einer Sammlung von Liedern für die Familie des Jörg Rukkendorfer an, die er vermutlich während seiner Wiener Studienjahre zusammengestellt hatte. Sie ist heute unter dem Namen „Egkenvelder-Liedersammlung“ bekannt und nur in dieser Reinschrift erhalten. In ihrem Grundstock enthält sie 30 Liedtexte, von denen 20 mit musikalischer Notation versehen sind. Die übrigen wurden für Melodien eingerichtet, die Noten aber nicht eingetragen. Alle Lieder sind einstimmig, größtenteils in Choralnotation geschrieben und stammen aus höfischen Repertoires der vorangegangen zwei Jahrhunderte mit einem Schwerpunkt auf dem Spruchsang (» Vom Spruchsang zum Zeitungslied). Es befinden sich darunter auch elf Neidhartlieder, neun davon mit Melodie (» Abb. Inhalt der Egkenvelder-Liedersammlung). Diese stehen größtenteils als Block beieinander, wurden von einer zweiten Notationshand mit mensuralen Notenzeichen niedergeschrieben und zum Teil mit einem musikalischen Rhythmus versehen.

    Die Neidharte in der Egkenvelder-Liedersammlung sind Teil einer lebendigen Aufführungspraxis in Wien, wie die direkten Bezüge zur Stadt und Region in mehr als der Hälfte ihrer Liedtexte bezeugen: Explizit wird dabei Österreich als Land und als Herzogtum („Herzog von Österreich“) genannt sowie die Stadt Wien und Orte in ihrer näheren Umgebung, wie Zeiselmauer, Leobendorf, das Marchfeld und Tulln. Von besonderem Interesse für den vorliegenden Gegenstand sind aber noch spezifischere Angaben innerhalb von Wien, wie „Burg“, „Brücke“ und „Bürgerhaus“. Es bleibt unklar, welches Haus oder ob überhaupt ein bestimmtes Haus damit gemeint war, es kommen aber zwei ganz spezifische in Betracht: das Neidhart-Haus, das sich auf die heutige Parzelle Petersplatz 11 lokalisieren lässt[24] und möglicherweise Neidhart Fuchs gehörte, sowie das Haus Tuchlauben 19, in dem bis heute die sogenannten Neidhart-Fresken (» Abb. Dörperkampf der Tuchlaubenfresken, » Abb. Dörpertanz der Tuchlaubenfresken) zumindest fragmentarisch erhalten sind. Um 1407 entstanden, schmückten die Neidhart-Fresken den Tanz- oder Festsaal des Tuchhändlers Michel Menschein. Im „Mönchs-“ oder „Kuttenschwank“ der Egkenvelder-Liedersammlung (» Abb. Inhalt der Egkenvelder-Liedersammlung: Egk 30 = w11) wird außerdem ein „neu gestiftetes Bürgerhaus“ mit einem markanten Ofen in Strophe 30 als Aufführungsort genannt:

    „Ich wais ein newes purgerhaus gestiphet,
    darzu ein swarczer ofen mit weis bestrichen
    darinne solt ir singen unde sagen.“

    Vielleicht ist diese selbstreferentielle Textstelle bereits eine Reaktion auf eine bestehende Aufführungstradition in Wien. In jedem Fall gibt es zahlreiche Bezüge zwischen den in Wien erhaltenen Bildzeugnissen zur Neidhart-Tradition und den Neidharten der Egkenvelder-Liedersammlung. So findet sich in einer Handschrift der Universität von ca. 1370 (A-Wn Cod. 5458, fol. 226r) die Tuschezeichnung eines Reihentanzes mit vier Personen (» Abb. Neidhartsche Figuren im Dörpertanz der Wiener Tuschezeichnung), die stark an eine Abbildung des Dörpertanzes in den späteren Tuchlaubenfresken (um 1407; » Abb. Dörpertanz der Tuchlaubenfresken) erinnert. Beide Bildzeugnisse zeigen Figuren der Neidhart-Tradition, die auch in Liedern der Egkenvelder-Liedersammlung erwähnt sind.

    Die Tuschezeichnung zeigt drei Männer und eine Frau. Der als Engelmar bezeichnete Anführer des Tanzes (ganz rechts) hält einen liliengekrönten Persevantenstab, der zugleich mit seiner Blumenverzierung auf den Veilchenschwank hinweisen könnte. Er hat außerdem links ein Holzbein, das in einem Löffel steht: ein Hinweis auf den Fassschwank. Die beiden anderen männlichen Dörper, Gunprecht und Snabelrúsh (was soviel heißt wie „Schwätzer“) – diese beiden Dörpernamen sind im Neidhartœuvre selten –, sind ebenfalls bekanntes Personal aus einigen wenigen Liedern, die sich u. a. in der Eghenvelder-Liedersammlung sogar mit musikalischer Notation finden. Die Abbildung des Dörpertanzes in den etwas späteren Tuchlaubenfresken zeigt rechts den Tanzführer, der – wie Engelmar in der Wiener Tuschezeichnung – einen mit einer Lilie gekrönten Persevantenstab in der Hand hält. Die Gruppe der Tänzer besteht aus Männern und Frauen, wobei mindestens einer der Dörper sichtbar einen Dolch trägt. Ganz links ist ein Schalmeispieler – ein „Pfeifer“ – zu erkennen, eine Besetzung, die mit den Regieanweisungen für die Tanzmusik in den Neidhartspielen übereinstimmt.

     

    Abb. Dörpertanz der Tuchlaubenfresken

    Abb. Dörpertanz der Tuchlaubenfresken

    Ausmalung des Tanz- oder Festsaals des Tuchhändlers Michel Menschein (um 1407) im Haus Tuchlauben 19 in Wien mit den sogenannten Neidhart-Fresken, die größtenteils nur fragmentarisch erhalten sind. Die Fresken zeigen zahlreiche, teils generische, teils spezifische Szenen aus Neidhartliedern, -schwänken und -spielen. © Wienmuseum. Mit Genehmigung.

    » Abb. Neidhart-Fresken Tuchlauben

    Neben den Dörpernamen enthält die Wiener Tuschezeichnung Hinweise auf bestimmte Neidhartlieder oder -Geschichten, nämlich den sogenannten Fassschwank und den Veilchenschwank. Beide gehören zur Gattung der Schwanklieder, die erst spät, vermutlich durch Neidhart Fuchs, Eingang in die Neidhartüberlieferung gefunden haben (siehe » H. Musik und Tanz in Spielen). Die beiden Schwänke bildeten zugleich die Grundlage für die Neidhartspiele, die wegen der vielen Tanzszenen auch als „Neidharttänze“ bezeichnet wurden. Einiges spricht dafür, dass der Dörpertanz in den Tuchlauben-Fresken und in der Tuschezeichnung nicht die konkrete Illustration eines bestimmten Liedes ist, sondern eine Reaktion auf die Neidhartspiele darstellt, zu denen neben Schauspiel auch Tänze, (instrumentale) Tanzmusik und gesungene Lieder gehörten. Auf diese Weise könnte der mit einer Blume gekrönte Persevantenstab des Vortänzers (in der Tuschezeichnung: Engelmar) mit dem aus den Spielen und der Ikonographie bekannten Bild des Tanzes um das Veilchen (» Abb. Tanz der Herzogin, » Abb. Tanz um den Veilchenstab) zu einem einzigen Motiv verschmolzen sein – im Veilchenschwank ist nur von einem Tanz die Rede, nicht aber vom Tanz um das (erbeutete) Veilchen. Außerdem zeigt die Abbildung in Tuchlauben einen Schalmeibläser, der den Tanz begleitet – eine Inszenierung des Tanzgeschehens, die in den erhaltenen Neidhartspieltexten explizit angewiesen, aber im Lied nicht erwähnt wird: „Da hayst aber auff pfeyffen vnd die pawren heben aber an zu tantzen“ (Dann aber hieß es aufzupfeifen, und die Bauern fangen an zu tanzen).[25]

    Die Wiener Tuschezeichnung erhält weitergehende Bedeutung durch den Kontext ihrer Handschrift.[26] Der Zusammenhang dieser Zeichnung mit der gegenüberliegenden Abbildung einer Unterrichtsszene innerhalb der universitären Handschrift und deren inhaltliche Nähe zur Liedersammlung des Studenten Liebhard Egkenvelder zeigen, wie eng die Neidhartüberlieferung mit den universitären und studentischen Kreisen in Wien verknüpft ist. Dass der Einband dieser Handschrift obendrein noch musikalische Notizen einstimmiger weltlicher Lieder enthält, verstärkt die Verbindung zusätzlich.[27]

    Die Dörperfiguren Gunprecht und Snabelrúsh treten in gleich drei der Lieder bei Egkenvelder auf, darunter in Der sunnen glanst (» Abb. Inhalt der Egkenvelder-Liedersammlung: Egh 15 = w6)[28], wo neben Snabelrúsh auch Friederun, Engelmar, der Spiegelraub, ein Bauerntanz, ein Dörperkampf und ein „Vogt von Österreich“ vorkommen – das volle Programm also (» Abb. Der sunnen glanst, Egkenvelder-Liedersammlung; » Hörbsp. ♫ Der sunnen glanst).

  • Das Neidhartlied Der sunnen glanst in der Egkenvelder-Liedersammlung

     

     

    Text des Neidhartlieds Der sunnen glanst

    1.

    Der sunnen glanst vns von dem himel scheinet.
    man siecht schon gefeinet
    haid anger grúnet wis vnd alle tal.
    Der may wil vns winters chraft ergeczen
    neues laub an seczen
    es gruenent este die ee warden val.
    Haid anger vnd das geuilde.
    bechlait mit neuem plúd.
    da fur lob ich ains rainen weibes pilde.
    die macht mir traueren wilde.
    ir lieblich gutlich lachen mir sanft tuet

    1.

    Der Sonnenglanz leuchtet uns vom Himmel,
    man sieht schön verfeinert
    Heide und Anger grünen, Wiesen und alle Täler.
    Der Mai will uns nach des Winters Macht ergötzen,
    neues Laub aufsetzen.
    Es grünen Äste, die vorher so fahl waren.
    Heide, Anger und die Fluren
    sind mit frischen Blüten bekleidet.
    Über all dies aber lobe ich ein Bild von einer Frau.
    Die schlägt meine Trauer in die Flucht.
    Ihr freundliches Lächeln tut mir gut.

    2.

    Wol mocht mich die fraue mein gefreyen.
    Gamillen pluemen stráuen
    wenn so lieblich lachen wil ir mund
    Irer schon der mócht ain landt gar wol geniessen.
    plicke stral die schiessen.
    liebleich czeschauen meins herczen grunt
    Ein engel in dem trone
    der czarten ist geleich.
    Si treit ob allen frauen wol die chrone.
    die stet ir so schone.
    nu wer gesach ye weib so mynnichleich

    2.

    Meine Dame könnte mich wahrlich froh stimmen,
    Kamillen mir streuen,
    wenn nur ihr Mund so lieblich lächeln will.
    Ihre Schönheit könnte ein ganzes Land genesen.
    Die Augen Blitze schießen, um lieblich
    bis auf den Grund meines Herzens zu blicken.
    Ein Engel auf dem höchsten Thron
    gleicht der Lieblichen;
    Sie trägt wohl die Krone über allen Frauen,
    die steht ihr so wunderbar!
    Wer hat nur je so liebenswerte Frau gesehen?

    3.

    Der meinen frauen wil ich furbas singen.
    ich hoffe mir gelingen.
    die oden goch die huben ainen tancz.
    Ekkerúd der czimbte sich so résse.
    ein offen tier er frésse.
    der trueg cze schauen ainen rosen chrancz.
    den nam er frideraune /
    darumb czurnt engelmar.
    sich hub ein fliehen da uon limmenzaune.
    sein pruder der hiess haune.
    der muest da lan die hauben czu dem hare.

    3.

    Für meine Dame will ich allzeit singen!
    Ich hoffe auf Erfüllung. –
    Die blöden Kerle trafen sich zum Tanz.
    Eckenrüde hielt sich für so flink;
    – ein Kamel soll er fressen! –
    der trug einen Rosenkranz zur Schau,
    den er zuvor der Friederun geklaut.
    Drum tobt vor Wut der Engelmar.
    Ein Reißaus nahm da Leimenzaun.
    Sein Bruder, der hieß Hune,
    der musste da die Mütze lassen samt dem Haar.

    4.

    Premenkint der deucht sich chukken.
    vnd wolt auch chrenczel czucken.
    dem wart ein straich mit einem cholben gross.
    darczu so sach man gnapelraus den frechen.
    ich wil dirs helfen rechen.
    er sprach wo sind vnser streit genos.
    Der wurden mer dann hundert
    die sprungen an den tancz
    der wurden ettweuil da besundert.
    ich main die óden chunder.
    der streit czergie vmb ainen rosen chrancz

    4.

    Bremekind hielt sich für so gewandt
    und wollte sich auch Kränzlein reißen,
    der kriegte einen Schlag mit einer Riesenkeule.
    Dabei sah man auch den frechen Schnabelflink:
    „Ich will dirs rächen helfen“,
    er rief, „Wo sind unsere Kampfgenossen?“
    Da kamen mehr als hundert,
    die „sprangen“ mit am „Tanz“.
    Von denen wurden etliche da abgesondert,
    ich meine die dummen Bestien.
    Der Streit erhob sich nur um einen Rosenkranz!

    5.

    Das frideraun ir spiegel ward czebrochen
    das ward also gerochen.
    darumb ir czwen vnd dreissick beliben tod.
    vechten sach man von in auf der haide.
    mir wart nie mer so laide.
    der fridman kam. cze hant man fride pot.
    der uoyt von osterreich
    tet meinem herczen czoren.
    si musten all von ein ander weichen.
    recht als die pfaben sleichen.
    seu sprungen nicht ir fuess waren halb verloren[29]

    5.

    Dass Friederuns Spiegel zerbrochen wurde,
    das wurde folgendermaßen gerächt:
    dafür blieben zweiunddreißig tot zurück.
    Ihren Schwertkampf sah man auf der Heide.
    Doch habe ich nichts mehr bedauert, als dass
    der Schlichter kam. Sofort befahl man Frieden.
    Der Vogt von Österreich
    hat damit mich im Herz erzürnt.
    Sie mussten alle von einander lassen,
    wie Pfauen sich davonschleichen.
    Springen ging nicht mehr: die Hälfte ihre Beine fehlten ihnen.

    Übersetzung: Marc Lewon

    Die markante phrygische Melodie ist im Aufgesang eventuell um eine Sekunde nach oben verschrieben, denn die Parallelüberlieferung in der Nürnberger Neidhart-Handschrift (c33, D-B Ms. germ. 779, fol. 163r–164r) steht dort konsequent eine Sekunde tiefer. Da beide Versionen aber modal möglich und plausibel sind, wurde für Edition und Einspielung (» Hörbsp. ♫ Der sunnen glanst) der Wortlaut der Eghenvelder Fassung beibehalten und nur die Kadenzzeile der Tonart angepasst. Der E-Modus (phrygisch) ist in der mitteleuropäischen Einstimmigkeit des Mittelalters deutlich häufiger anzutreffen als in den umliegenden Sprachräumen, so etwa im Œuvre Oswalds (» B. Oswalds Lieder, » G. Oswald von Wolkenstein) von Wolkenstein und auffällig oft in der Neidhartüberlieferung. Hier steht ca. ein Viertel der Melodien im E-Modus und in der Hauptquelle, der Nürnberger Neidhart-Handschrift, kommt er nach dem D-Modus (23 von 45 Melodien) mit 13 Melodien am häufigsten vor. Diese Vorliebe für das Phrygische, das sich stärker als andere Modi gegen eine mehrstimmige Behandlung sträubt, bestätigt die im 15. Jahrhundert immer noch starke Verwurzelung deutschsprachiger Musik in der Einstimmigkeit.

  • Das Neidhartlied Do man den gumpel gampel sank in der Egkenvelder-Liedersammlung

    Ein „Neidhart“ in der Egkenvelder-Liedersammlung enthält Hinweise auf den 6. Kreuzzug von Friedrich II. (1228/29) und geht daher wahrscheinlich auf den originalen Minnesänger zurück: Do man den gumpel gampel sank (» Abb. Inhalt der Egkenvelder-Liedersammlung: Egh 16 = w7; » Hörbsp. ♫ Do man den gumpel gampel sank). Der Liedtext ist eine Tour de Force durch fast alle Themen, die in der Neidhartüberlieferung anzutreffen sind, teilweise mit starken Brüchen in der Handlung. Was als Kreuzlied beginnt (Str. 1–4), wandelt sich zum Dörperlied (Str. 5–7), weist in der Mitte des Textes einen neuen Frühlingseingang auf (Str. 8–9), um dann in ein Mutter-Tochter-Streitgespräch zu münden (Str. 10–13); fast als Nachgedanke wird in der letzten Strophe (14) noch der Topos von der „tanzwütigen Alten“ zitiert. Patricia Harant spricht dabei von „Erzählkernen“, „die sich aber nie zu einem kausal verbundenen und zeitlich sukzessiven Handlungsablauf entwickeln.“[30]

     

    Text des Neidhartlieds Do man den gumpel gampel sank

    1.

    Do man den gumpel gampel sank
    do stund so hach der mein gedank
    der ist nu so gar verdorben
    verfluhet müsse sein die weil
    mir hat ein haidinischer pfeil
    vil grosse sorg erbarben
    Wie gern ich freuden pflëge
    ob mir nicht nahen lege
    ein schrancz die ist vnwëge

    1.

    Als man den ‚Hüftschwinger’ sang,
    da war ich bei so guter Laune.
    Die ist mir nun gänzlich vergangen.
    Verflucht sei der Augenblick,
    als mich ein Sarazenen-Pfeil
    in so große Gefahr brachte.
    Ich wäre so gerne lebensfroh,
    wäre mir nicht so nahe gegangen,
    eine äußerst unangenehme Verletzung.

    2.

    Ich chom gefaren uber mer
    da cham ein vngefuges her
    mit chaiser fridreichen
    wir zogten in der haiden lanndt
    ich wart geschossen so ze hannt
    von dem muest ich entweichen
    do wir seu an geriten
    wie uast wir mit in striten
    ir swert uil sere sniten

    2.

    Ich kam über das Meer gefahren.
    Es war ein riesengroßes Heer
    unter Kaiser Friedrich.
    Wir zogen in das Sarazenen-Land.
    Unversehens traf mich der Schuss:
    daher musste ich zurückweichen.
    Als wir gegen sie anritten:
    wie heftig schlugen wir uns mit ihnen.
    Doch ihre Schwerter schnitten sehr!

    3.

    Do ich so gar verczagt was
    vnd auch des schuss vil chaum genas
    von dann muest man mich tragen
    Ich nie mer in grosser not
    mir wart so nahen nie der tod
    bey allen meinen tagen
    Ich lag in dem ellende
    got meinen chumer wende
    vnd mich ze lande sende

    3.

    Da hatte ich allen Mut verloren,
    und erholte mich auch kaum vom Schuss:
    man musste mich wegtragen.
    In solche Not kam ich nie mehr.
    Niemals war mir der Tod so nahe
    mein ganzes Leben lang.
    Ich lag dort in der Fremde.
    Wende Gott mein Leid
    und bringe mich nach Hause!

    4.

    Mit chaiser fridreichs her
    mit geuar ich nymmer mer
    in salhen vngelingen
    Als mir wart auf der uert chund
    chem ich noch haim ze land gesund
    so wolt ich aber singen
    von manigem torpere
    vnd westen si mein swere
    wie fro ettleicher were

    4.

    Im Heer von Kaiser Friedrich
    fahre ich niemals wieder
    in solch ein Debakel,
    wie ich das auf dieser Fahrt erlebte.
    Käme ich noch gesund zurück,
    dann wollte ich erneut
    von vielen Bauernburschen dichten –
    und wüssten die von meinem Unheil,
    wie froh wäre da so mancher.

    5.

    Der erst wer der engelmar
    der ist so vnuerswigen gar
    das im der crump sein snallen
    das ers acht saget hie
    vnd dennoch maniger der sein were fro
    das er vor in allen
    wurd an der gschraÿ erslagen
    vnd das sein oder chragen
    múst noch die secke tragen

    5.

    Der erste wäre der Engelmar.
    Der kann nichts für sich behalten.
    Würde ihm das Maul bloß schief,
    dass er nur noch „Ach!“ herausbringt!
    Sicher wären viele froh,
    wenn er vor aller Welt
    am Keifen würde verhindert,
    und sein verschlagenes Genick
    die Säcke schleppen müsste.

    6.

    Doch wais ich zwen dorff chnaben
    die enruchten das ich wer begraben
    so ziment sich so wähe
    das ist limmenzaun vnd irrenfrid
    der in die oren paide ab snit
    wie gern ich das sëhe
    So hiet mein sorg ein ende
    prant man seu durch die zende
    so seu der teufel schende

    6.

    Dazu kenne ich zwei Dorfburschen,
    die pfiffen drauf, wäre ich begraben.
    Die sind dermaßen eingebildet,
    der Leimenzaun und der Irrenfried.
    Schnitt wer den zweien die Ohren ab,
    das sähe ich mit Genuss.
    Zur Ruhe käme ich,
    würden sie gebranntmarkt,
    als zeichnete sie der Teufel.

    7.

    Do ich cham aus der hereuart
    ich want seu hieten sich verchert
    von irem vngelimphen
    do vandt ich den perenreutt
    der steckt noch inder alten heut
    vnd wolt mir slahen schrimphenn
    Lass wir die torschen layen
    in iren dicken troyen
    enphahen wir den mayen

    7.

    Als ich vom Kriegszug kam nach Haus,
    glaubte ich, es wäre jetzt Schluss
    mit ihrem Schandbenehmen.
    Da traf ich den Bärenreut.
    Der stak noch in der alten Haut:
    er wollte sogleich Wunden schlagen!
    Na – lassen wir die Narren
    in ihren Polsterjacken. –
    begrüßen wir den Mai!

    8.

    Do ich ersach der pluemen schein
    secht do zergie dew swere mein
    deu wis het schone chlaide
    das was des lieben mayen plued
    des freud sich do mein gemüet
    mir was uil luczel laide
    wol auff ir stolczen maide
    vnd springent von der haide
    dem winter allze laide

    8.

    Als ich den Blumenschimmer sah,
    seht, da war verging mein Leid.
    Die Wiese ist im schönsten Kleid.
    Das war die Blütenpracht des lieblichen Mai.
    Wie freute sich mein Herz daran,
    fort war alle Schwermut!
    Auf, ihr hübschen Mädchen,
    zum Tanz im Gefilde!
    Mag sich der Winter ärgern.

    9.

    Wol auff iungen es ist an der zeit
    deu haid in liechter uarbe lait
    zergangen sind die reuffen
    verswunden ist der chalte sne
    der walt hat gruenes laub als ee
    wir sollen zu freuden greiffen
    vnd rayen wol ze preyse
    in hofenleicher weise
    ze gangen sind die eyse

    9.

    Wohl auf, ihr Jungen, jetzt ist’s so weit!
    Die Flur, sie strahlt in heller Farbe,
    hinweg ist jeder Reif.
    Verschwunden ist der kalte Schnee.
    Der Wald ist grünbelaubt wie je.
    So lasst uns fröhlich sein,
    und tanzen, dass man’s rühmt,
    nach höfischer Art;
    geschmolzen sind Eis und Schnee.

    10.

    Ich freu mich sprach ein magedein
    ich wil den sumer froleich sein
    des hab ich guet gedingen
    Mein hercz das ist freuden uol
    zwar ich mich gehaben wol
    mit einem edelinge
    den han ich mir erchoren
    ich enrüch wem es tüt zoren
    vergult sind sein sporen

    10.

    „Ich freue mich,“ sprach ein Mädchen,
    „ich will den Sommer mich vergnügen;
    ich habe die beste Aussicht.
    Mein Herz, das freut sich schon darauf.
    Jawohl, ich will mich amüsieren
    mit einem adligen Herrn.
    Ich habe mir ihn ausgesucht,
    egal, wen es auch ärgert.
    Vergoldet sind seine Sporen.“

    11.

    Tochter des hab meinen rat
    ein chnappe sich vermessen hat
    er leg sich dir wol nachen
    der ist genant von rabental
    wil er dir werfen seinen pal
    den soltu nicht enphahen
    du solt nicht mit ym chosen
    ia chan ich sein wol losen
    wol dan mit mir nach rosen

    11.

    „Tochter, höre auf meinen Rat!
    Ein Junker hat damit geprahlt,
    er werde bei dir schlafen.
    Es ist der von Reuental.
    Will er dir den Ball zuwerfen,
    dann fang ihn ja nicht auf!
    Du darfst nicht mit ihm schmusen!
    Ja, bei dem kenne ich mich aus!
    Auf mit dir zum Rosenpflücken!“

    12.

    Der tachter was deu red vnwert
    ir welt mir heuer tuen sam vert
    des lat mich nu genugen
    frau muter euch wart nie so zoren
    ist er ze fridel mir geporen
    es mag sich wol gefuegen
    Muter das ist ein wunder
    verpiut ir mirs besunder
    ich lig dem chnaben vnder

    12.

    Die Tochter hörte nicht auf diese Worte:
    „Ihr macht mir’s heuer wie voriges Jahr.
    Jetzt aber reicht es mir.
    Mutter, bist du noch so wütend,
    ist er zum Liebsten mir bestimmt,
    dann wird’s auch was damit.
    Mutter, das wäre ein Wunder,
    wenn ihr mir das wirklich verbieten könntet:
    Ich schlaf einfach mit ihm.

    13.

    Vnd wil die rosen lassen stan
    sein will der muess an mir began
    ich wil im nicht enliegen
    chind das soltu nicht entüen
    ich rat du nembst des mayers sun
    der ritter wil dich triegen
    was sagt ir mir von paueren
    ia muest ich nit dann traueren
    ee liess ich mich vermauern

    13.

    Und will die Rosen dafür stehen lassen.
    Sein Wille geschehe an mir.
    Was ich versprochen, halte ich!“
    „Kind, lass unbedingt das bleiben!
    Ich rate dir, den Sohn des Meiers zu nehmen;
    Der Ritter wird dich betrügen!“
    „Von Bauern will ich nichts hören.
    Soll ich mein Leben versauern?
    Dann steckt mich gleich ins Kloster.“

    14.

    Seind das ich ye gewan den leib
    so gesach ich nie chain altes weib
    dew pas den rayen sunge
    den chinden auf der strassen vor
    si vert recht als ein vogel enpor
    wie geren ich mit ir sprunge
    Sie springent sprunge weitte
    si vnd ir sweister aitte
    sind paid an ainem streyte[31]

    14.

    Seit ich geboren bin, sah ich
    nie ein altes Weib, das besser
    den Mädchen auf der Straße
    das Tanzlied vorgesungen hätte.
    Wie ein Vogel schnellt sie empor.
    Wie gern spräng ich mir ihr!
    Sie macht weite Sprünge,
    auch ihre Schwester Eite,
    beide um die Wette.

    Transkription: Marc Lewon; Übersetzung: Marc Lewon frei nach Beyschlag/Brunner 1989, 327–333.

    Solche abrupten Themenwechsel (wenngleich in der Regel nicht in dieser Dichte) sind ein Markenzeichen Neidharts, besonders in der Wendung vom Natureingang, der sich bei Neidhart kaum vom Mainstream des Minnesangs unterscheidet, hin zur Dörperthematik.

  • Der „Referenzrhythmus“ bei Neidhart

    Eine weitere Besonderheit von Do man den gumpel gampel sank ist der in der Aufzeichnung der Eghenvelder-Liedersammlung notierte Rhythmus: Ein regelmäßiger Wechsel zwischen relativer Länge und Kürze (hier: Semibrevis und Minima). Dieser ergibt bei syllabischer Vertonung eines alternierenden Textmetrums einen sehr typischen Vortragsrhythmus, der besonders häufig in deutschsprachiger Einstimmigkeit des Spätmittelalters anzutreffen ist.

    In der Sekundärliteratur wurde der alternierende Rhythmus „lang-kurz“ meist als „tänzerischer Dreier“ beschrieben und als ein Beleg für den Tanzcharakter von Neidharts Liedern herangezogen. Sein Aufscheinen gerade in Liedern, die inhaltlich nur wenig oder nichts mit Tanz zu tun haben, dafür aber einen besonders erzählerischen Charakter aufweisen, widerspricht dieser These. Der notierte Rhythmus ist in diesen Fällen prinzipiell als Nachschrift eines Vortragsprinzips zu verstehen und nicht als genau zu befolgende Vorschrift für die Aufführung, weshalb die entsprechenden Notate auch nicht im Detail präzise, sondern oft nur semimensural sind.

    Dieser Rhythmus eignet sich besonders für erzählende Lieder und stellt dabei einen vorantreibenden Puls für die Interpretation zur Verfügung, ohne die Feinstruktur des Vortrags zu beherrschen. Gelegentlich ist er auch als Tanzzitat geeignet, um den Textinhalt zu illustrieren. Aufgrund dieser flexiblen Eigenschaften habe ich dafür den Begriff des „Referenzrhythmus“ eingeführt.[32] In der Melodieüberlieferung zu Neidhart kommt er bei insgesamt 72 notierten Melodien nur sechsmal vor. Dennoch scheint er von diesem Genre ausgestrahlt und einen großen Einfluss auf andere Repertoires gehabt zu haben, darunter besonders auf die einstimmigen Lieder Oswalds von Wolkenstein (» B. Oswalds Lieder, » G. Oswald von Wolkenstein).[33] Dabei ist das Prinzip des „Referenzrhythmus“ nicht nur in „Dreier“-Metren, sondern auch in manchen geradtaktigen Niederschriften wirksam, wie der Vergleich der Notation von Vil lieber grüsse süsse (Kl 42) in den beiden handschriftlichen Überlieferungen der Oswald-Codices anschaulich vor Augen führt: In der Handschrift WolkA (» A-Wn Cod. 2777, Wien?, 1425, fol. 44r) ist der „Referenzrhythmus“ des Liedes im „Dreier“-Metrum notiert, in WolkB (» A-Iu o. Sign., Basel?, 1432, fol. 18r) hingegen im „Zweier“.

    Dass Oswald Neidhartlieder kannte, ist unbestritten, und ein Teil seiner Lyrik ist klar von Neidharten beeinflusst. Ein prominentes Beispiel, bei dem Neidhart- und Oswaldüberlieferung ihrer Ähnlichkeit wegen im Neidhart Fuchs-Schwankbuch sogar vermischt wurden, hat Michael Shields aufgeschlüsselt: Ir alten weib, nu freut eu mit den jungen! (Kl 21).[34] Was auf textlicher Ebene lange schon bekannt war, lässt sich auch auf die rhythmische und musikalische Ebene ausweiten: Der „Referenzrhythmus“ prägt die Einstimmigkeit Oswalds in noch deutlicherem Maße als die späte Neidhartüberlieferung und im Fall des Liedes Ir alten weib, nu freut eu mit den jungen! könnte ein direktes Neidhartzitat bei Oswald vorliegen, in das neben dem Rhythmus auch die Melodiebildung einbezogen wurde.[35]

  • Das Neidhartgrab am Wiener Stephansdom

    Auf dem Sockelrelief des Neidhartgrabs am Wiener Stephansdom befanden sich ursprünglich Szenen aus Neidhartschwänken. Von ihnen sind heute zwar nur noch Fragmente erhalten, aus historischen Beschreibungen ist aber überliefert, dass sie einst einen (generischen) Dörperkampf und den Veilchenschwank (» Hörbsp. ♫ Vyol – Urlaub hab der wintter) abbildeten.[36] Die erhaltenen Reste zeigen außerdem eine Szene aus dem Beichtschwank und gelten damit als frühester Beleg für diese Geschichte.[37] Die beiden Schwanklieder sind in der Südtiroler Sterzinger Miszellaneen-Handschrift (I-VIP o. Sign.)– eine Handschrift, die vielleicht sogar Oswald von Wolkenstein bekannt war – mit Melodie überliefert.[38]

    Das Hochgrab Neidharts wurde wohl im Zuge der baulichen Erweiterungen der Stephanskirche durch Herzog Rudolf IV. zunächst im Langhaus der Kirche errichtet, um ein schlichteres Erdgrab zu ersetzen. Untersuchungen aus dem Jahr 2000 ergaben, dass sich Gebeinreste von zwei Individuen im Grab befanden, die grob auf das mittlere 13. und mittlere 14. Jahrhundert datiert werden konnten, was zu den Sterbedaten des originalen Neidharts und des Neidhart Fuchs‘ passen würde.[39] Es ist daher naheliegend, anzunehmen, dass infolge einer einsetzenden „Neidhartfolklore“ im 14. Jahrhundert, verbunden mit dem Wunsch nach Herrschaftskonsolidierung durch den „Stifter“ Rudolf IV.,[40] der Exportschlager „Neidhart“ eine feste Heimstatt erhalten sollte und die beiden großen Vertreter dieser Gattung – der Begründer und sein berühmter Nachfolger – hier in eine prunkvolle Grabstelle zusammengelegt wurden. Dass zumindest letzterer dort beerdigt wurde, wird durch den Wappenschild mit einem aufrecht stehenden Fuchs untermauert, welcher der auf dem Grabmal liegenden Neidhartfigur beigegeben ist. Eine weitere, heute separat erhaltene Fuchsskulptur könnte ebenfalls Teil des Neidhartgrabs gewesen sein, vielleicht zu Füßen des Dichters liegend.[41] Vermutlich wurde das ursprünglich in der Kirche gelegene Hochgrab erst gegen 1390 an die Außenmauer des Doms und – nicht zufällig – an das zur Singschule hin ausgerichtete „Singertor“ verlegt, durch das die Sänger in den Dom eintraten.[42]

     

     

    Wie die Abbildungen im Haus Tuchlauben 19 (» Abb. Dörperkampf der Tuchlaubenfresken, » Abb. Dörpertanz der Tuchlaubenfresken) und der Wiener Tuschezeichnung (» Abb. Dörpertanz der Wiener Tuschezeichnung) haben auch diejenigen am Neidhartgrab mehr mit den in den Neidhartspielen verarbeiteten Schwankgeschichten gemein als mit den eigentlichen Liedern, so dass man hier sogar eher an die Verbildlichung gespielter Szenen als an die Abbildung von Liedinhalten denken mag.

    Dass die Entwicklung des Neidhart-Genres zu dieser Zeit aber noch in vollem Schwung war, zeigt die literarische Rückkopplung, in der das Neidhartgrab des 14. Jahrhunderts Teil der Liedüberlieferung des späten 15. Jahrhunderts wurde. Im Epilog zum Schwankbuch „Neidhart Fuchs“ (» frühester Druck: D-Hs In scrinio 229°, Augsburger Neidhart Fuchs-Druck (z), Augsburg: Johann Schaur um 1495) nehmen die jetzt als „Bauern“ bezeichneten „Dörper“ körperlich Rache am Neidhartgrab. Außerdem wird hier zum einen deutlich, dass diese späte Neidhartüberlieferung auf Neidhart Fuchs bezogen sein könnte, der in Diensten der Herzöge Friedrich II. (1327–1344) und Otto IV. des Fröhlichen (1301–1339) gestanden haben soll, und zum anderen, dass dessen Lieder und Geschichten gegen Ende des 15. Jahrhunderts noch in aller Munde waren. Sogar Neidharts langer Nachruhm wird als außergewöhnlich gewürdigt:

    „Und herczog ott der was sein herr / Der pfaff vom kallenberg vnnd er / Hand sellich abenteir verbracht / Die sünst kain man nye hatt erdacht / Das man seyt von in frú vnd spat / zú singen vnd zú sagen hat / Auch fint man von dem Neythart das / Er herczog fridrichs deiner was […] Uon im wir auch ain wissen haben / Das er noch zú wien leit begraben / Jn der kirchen zú sant steffan / Da sicht man noch mengen paurs man / Dye ab jm hand ain gros verdrissen / sy stechend in sein grab mit spiessen / Was sy jm móchten ton zú laid / darzú wárend sy noch berait / Nun darumb das er an in rach / das man im den feyel ab brach […] Dar nach auch über hundert jar / Als dann der Neythart tót vir war / Waw fint man ain sellichen merr / Dem also mig lob vnd Eer / So lang nach seinem tod verjechen / Als dann dem Neythart ist geschechen“[43]

    (Und Herzog Otto, der war sein Herr. Der Pfarrer von Kahlenberg und er haben solche Abenteuer erlebt, die sonst kein Mensch sich je erdacht hat, dass man seitdem von ihnen ständig singt und erzählt. Auch weiß man vom Neidhart, dass er Herzog Friedrichs Diener war. […] Von ihm wissen wir außerdem, dass er heute noch in Wien begraben liegt in der Kirche von St. Stephan. Da sieht man immer noch viele Bauern, die über ihn sehr verärgert sind. Sie stechen auf sein Grab mit Spießen ein. Was immer sie ihm an Leid hätten zufügen können, dazu waren sie immer noch bereit, weil er sich an ihnen gerächt hatte, dass sie ihm das Veilchen weggepflückt hatten. Und das noch mehr als hundert Jahre nachdem der Neidhart tatsächlich gestorben ist. Wo findet man noch einen solchen, dem man so lange nach seinem Tode dermaßen viel Lob und Ehre zuteilwerden lässt, wie es dem Neidhart geschehen ist.)

     

    Abb. Bauern am Neidhartgrab im frühesten Neidhart-Fuchs-Druck

    Abb. Bauern am Neidhartgrab im frühesten Neidhart-Fuchs-Druck

    Darstellung von Bauern mit Spießen am Neidhartgrab mit der Beischrift „Hie ligt Neithart begraben vnd die pawrn stechen mit spiessen zu im“ in der Augsburger Inkunabel D-Hs In scrinio 229° ( » Augsburger Neidhart Fuchs-Druck (z), Augsburg: Johann Schaur um 1495), S. 203. Der Holzstich zeigt auch das Metallgitter, das gemäß Johannes Matthias Testarello della Massa das Neidhartgrab noch im Jahre 1685 umgab. (siehe Perger 2000, S. 118.)

     

    Man nimmt an, dass die starken Beschädigungen am Neidhartgrab vor allem von den Truppen Napoleons stammen, die während der Besetzung Wiens rund um die Schlacht von Austerlitz 1805/06 in der Stadt wüteten,[44] denn 120 Jahre zuvor war die Tumba offenbar noch größtenteils unversehrt.[45] Nach Berichten von 1779 und 1796 müssen die Darstellungen zu dieser Zeit noch erkennbar und das Grab obendrein bemalt gewesen sein.[46] Allerdings wurde die Tumba bereits Anfang des 16. Jahrhunderts restauriert, so dass die Vermutung geäußert wurde, die Holzschnitte des Schwankbuches „Neidhart Fuchs“ gäben tatsächliche Beschädigungen des Grabes durch Personen wieder, die sich von den Neidhartliedern beleidigt fühlten.[47]

  • Neidhart Fuchs: Vom Neidhartlied zum Neidharttanz

    Sollte es ihn tatsächlich gegeben haben, dann war es wohl hauptsächlich Neidhart Fuchs, der durch seine Neuerungen das Überleben des Neidhart-Genres bis in die Neuzeit hinein gewährleistete.[48] (Sein Familien- oder Beiname „Fuchs“ ist erstmals in Heinrich Wittenwilers „Ring“ (vgl. Kap. Vom Minnesänger zum Bauernfeind und Anm. 18) belegt.[49] Er soll zur gleichen Zeit am Hof Herzog Ottos des Fröhlichen angestellt gewesen sein wie ein anderer Schwankdichter, der „Pfarrer von Kahlenberg“ – „eine historisch greifbare Persönlichkeit, nämlich Gundacker von Thernberg, der die ihm von Herzog Otto (gest. 1339) verschaffte Pfarre Kahlenberg (heute Wien 19., Kahlenbergerdorf) noch 1355 innehatte, dann Pfarrer von Prigglitz (Niederösterreich, Bezirk Neunkirchen) wurde und im Stift Lilienfeld ein Epitaph erhielt.“[50]. Mit der unter anderem im Veilchenschwank zitierten „Herzogin von Bayern“ ist wohl die Prinzessin Elisabeth von Bayern (1306–1334) und Ehefrau Ottos des Fröhlichen gemeint. Aus den verschiedenen Indizien lässt sich auf eine Wirkungszeit von Neidhart Fuchs am Wiener Hof zwischen ca. 1325 bis spätestens 1339 schließen. Vermutlich stammte er ursprünglich aus Franken. Ein anlässlich einer Restaurierung des Neidhartgrabes kurz vor 1504 verfasstes Epigramm lässt den Schluss zu, dass Neidhart Fuchs 1334 verstarb und dieses Datum auf dem ursprünglichen Grabmal zu lesen war.[51] Aufgrund der Untersuchungen an den Skelettresten, die auf ein Alter zwischen 35–45 Jahren schließen lassen könnte man seine Lebensdaten grob auf ca. 1289/99–1334 eingrenzen.[52]

    Die Schwanklieder, die das Neidhartbild des Spätmittelalters prägten, sollten schon bald nach ihrer Verbreitung im frühen 14. Jahrhundert als Keimzellen für die Neidhartspiele fungieren (» H. Musik und Tanz in Spielen): Das St. Pauler Neidhartspiel – eine knappe szenische Darstellung des Veilchenschwanks und nur unwesentlich länger als das zugrundeliegende Schwanklied – ist sogar der früheste Text eines deutschsprachigen, weltlichen Spiels überhaupt.[53] Dabei stellte die Geschichte des Veilchenschwanks gewissermaßen die „Ursünde“ dar, auf der die meisten nachfolgenden Schwänke und die Spiele aufbauten. Außerdem wird sie in praktisch jeder archivalischen Quelle, die von Neidhart als Teil der Wiener „Folklore“ berichtet, als erstes nacherzählt. Der zweite zentrale Schwank des 14. und 15. Jahrhunderts ist der Fassschwank, in dem das Motiv des „Spiegelraubs“, das gleich einem Schemen bereits die frühe Neidhartüberlieferung durchzieht, aber nirgends eingehend erklärt wird, schließlich (und gewissermaßen nachträglich) stattfindet. Der Fassschwank ist schon in der Weingartner Liederhandschrift (» D-Sl HB XIII 1, 1. Viertel 14. Jahrhundert, Konstanz) enthalten und damit der früheste erhaltene Schwank in der Neidhartüberlieferung. Motive aus beiden Schwänken finden sich auch häufig in Abbildungen nebeneinander, so z. B. in der Wiener Tuschezeichnung (» Abb. Dörpertanz der Wiener Tuschezeichnung), in den Fresken der Burg Trautson am Brenner (» Abb. Der Veilchenschwank in Burg Trautson, » Abb. Der Fassschwank in Burg Trautson) und als Skulpturengruppen an der Albrechtsburg im weit entfernten Meißen (» Abb. Veilchenschwank an der Albrechtsburg, » Abb. Fassschwank an der Albrechtsburg).

     

    Abb. Der Veilchenschwank in Burg Trautson

    Abb. Der Veilchenschwank in Burg Trautson

    Neidhartfresko aus dem Palas der Burg Trautson, Erdgeschoss, Ostwand, zw. 1450–1475 (heute in Burg Sprechenstein). Neidhart hebt den Hut vor der Herzogin und offenbart – wie das Spruchband bedeutet – „ein schones veioll“. (Bildzitat nach Blaschitz 2000, CD-ROM.)

     

    Abb. Der Fassschwank in Burg Trautson

    Abb. Der Fassschwank in Burg Trautson

    Neidhartfresko aus dem Palas der Burg Trautson, Erdgeschoss, Ostwand, zw. 1450–1475 (heute in Burg Sprechenstein). Das Fresko vereint mehrere Szenen aus dem Fassschwank in einer Darstellung. (Bildzitat nach Blaschitz 2000, CD-ROM.)

     

    Abb. Veilchenschwank an der Albrechtsburg

    Abb. Veilchenschwank an der Albrechtsburg

    Schlüsselszene aus dem Veilchenschwank an der Südseite der Balustrade im 3. Stock des Großen Wendelsteins der Albrechtsburg Meissen (1485). Neidhart hebt seinen Hut vor der Herzogin auf und offenbart den darunter liegenden Haufen. (Bildzitat nach Blaschitz 2000, CD-ROM.)

     

    Abb. Fassschwank an der Albrechtsburg

    Abb. Fassschwank an der Albrechtsburg

    Spiegelraub-Szene aus dem Fassschwank an der Südseite der Balustrade im 3. Stock des Großen Wendelsteins der Albrechtsburg Meissen (1485). Engelmars Spiegelraub an Friederun ist ein häufiges Motiv in den Liedern Neidharts, wird aber nur im Fassschwank tatsächlich erzählt. (Bildzitat nach Blaschitz 2000, CD-ROM.)

     

    Der Veilchenschwank war sogar so verbreitet, dass er als geflügeltes Wort und Euphemismus für „Scheiße“ im Lochamer-Liederbuch (» D-B Mus. ms. 40613) als sarkastische Reaktion auf die Liedzeile „Dw erfreuest mich zwar vnd enczündest mir mein mut recht als der may den plumlein tut“ (du erfreust mich wahrlich und entflammst mir das Gemüt, genauso wie der Mai es mit den Blümlein tut) aufscheint. Der Schreiber notierte dazu die Anmerkung: „als des neytharts veyol“ (genauso sehr wie Neidharts ‚Veilchen‘).[54] Im Veilchenschwank selbst wird das Wort tunlichst vermieden und in der Sterzinger Miszellaneen-Handschrift (» I-VIP o. Sign.) als „sorge“ umschrieben. Der Schwankbuch-Druck latinisiert den Ausdruck zu „merdum“.

    Der Veilchenschwank ist auch für die teils generisch anmutenden Tanzdarstellungen innerhalb der Neidhart-Ikonographie der eigentliche Ausgangspunkt. Wenn also ein Neidharttanz dargestellt ist, dann kann man davon ausgehen, dass es sich dabei um den Bauern-/Dörpertanz gegen Ende des Veilchenschwanks handeln soll, selbst wenn Tanzerwähnungen in den Neidhartliedern und -schwänken häufig anzutreffen sind.[55] Die Darstellung des Fassschwanks in den Fresken der Burg Trautson macht aber auch deutlich, dass offenbar vor allem Aufführungen von Neidhartspielen zahlreiche der Abbildungen inspiriert haben müssen, denn hier kommen auch Szenen aus Spieltexten vor, die in den ursprünglichen Liedern nicht enthalten sind.[56] Zwar gibt es eine enge Verbindung der Lieder zu den Neidhartspielen, denn beide sind in der Überlieferung in unmittelbarer Nähe zueinander zu finden, was besonders auf die Sterzinger Miszellaneen-Handschrift in Verbindung mit dem Sterzinger Neidhartspiel und -szenar zutrifft.[57] Dennoch enthalten die Spieltexte der Neidhartspiele (oder nach zeitgenössischem Sprachgebrauch, der „Neidharttänze“) keine Hinweise darauf, dass in deren Verlauf Neidhartlieder erklungen wären, weder als Gesangseinschub, noch zur Tanzbegleitung. Kurzum: Was in den Liedern erzählt wird, wird in den Spielen ausagiert, inklusive der Tanzszenen. Sie wurden dort aber eben wohl zu „normaler“ Tanzmusik der Zeit aufgeführt.

    Mithin sind also die Abbildungen der Neidhart-Ikonographie und insbesondere die Fresken in den Tanz- und Festsälen des Spätmittelalters nicht als Aufführungshinweise für die Interpretation von Neidhartliedern als Tanzlieder misszuverstehen. Sie stehen vielmehr als bildliche Repräsentation der Neidhartspiele für die Neidhartthematik als Ganzes und damit allgemein für Unterhaltung, anekdotische Geschichten und Tanz.

[1] Ein einleitender Überblick zu Neidhart, zur Überlieferung seiner Lieder, deren Formen, Inhalte und Nachwirkungen sowie eine vorwiegend germanistische Bibliographie, finden sich bei Schweikle 1990. Die Aussagen zur Melodienüberlieferung, zu Musik und Performanz sind dort jedoch sehr knapp. Die Vielzahl von Text- und Melodienausgaben des 19. und 20. Jahrhunderts fand mit der Salzburger Neidhart-Edition (Müller/Bennewitz/Spechtler 2007) einen vorläufigen krönenden Abschluss. Diese neue Ausgabe aller Neidhartlieder gibt den Wortlaut der verschiedenen Quellen inklusive der Melodien in parallelem Abdruck wieder. 2017 erschien ein neuer Studienband zu Neidhart, der zukünftig als Ausgangspunkt für eine Beschäftigung mit dem Dichter-Sänger dienen wird und auch der Melodienüberlieferung einen größeren Platz einräumt (Springeth/Spechtler 2017).

[2] Zur Melodieüberlieferung siehe Lewon 2017. Belege für Aufführungen von Neidhartspielen sind gelistet bei Simon 1969 und Simon 1977. Patricia Harant zeigt die zeitliche und räumliche Streuung belegter Neidhartspiele auf: „Sie reicht von Arnhem in Holland (1395) bis Salzburg (1558) und Baden in der Schweiz (1432).“ (Harant 2000, S. 220).

[3] Zu zeitgenössischen Erwähnungen von Dichtern in der Literatur des Mittelalters siehe Schweikle 1970.

[4] Ältere Datierungen geben meist einen Rahmen zwischen ca. 1180–ca. 1240 an. Aufgrund der Altersbestimmung seiner vermuteten Skelettreste aus dem Neidhartgrab am Stephansdom auf 45–55 Jahre sollte man die Geburt aber ca. zehn Jahre später – gegen 1190 – ansetzen (siehe dazu Großschmidt 2000).

[5] Bleck 1998. Die detektivische Finesse dieser Arbeit beeindruckt. Zugleich aber gemahnen die scheinbare Genauigkeit der erschlossenen biographischen Details und deren gegenseitige Abhängigkeit voneinander zur Vorsicht. Sollten sich einzelne Fakten als unhaltbar erweisen, würden große Teile dieses Kartenhauses in sich zusammenfallen. Ein plausibler Kern an Aussagen ist zu finden bei Schweikle 1990, 57–63.

[6] Siehe Schweikle 1970, 80f. Zum Zeitpunkt der Erwähnung in Wolframs Willehalm (ca. 1215) wäre Neidhart dann in etwa 25 Jahre alt gewesen. Die übrigen sechs Erwähnungen seines Namens stammen sämtlich aus dem mittleren bis späten 13. Jahrhundert (Schweikle 1970, 4, 33, 38f., 88–91, 101f.), z. T. mit Hinweis auf seinen Tod.

[7] Die erste Strophe des Kreuzliedes Nu gruonet aver diu heide (CB 168a) steht im Anhang an die neumierte lateinische Kontrafaktur Anno novali mea (CB 168) über die gleiche Melodie. Mit diesem Eintrag in den Carmina Burana (» D-Mbs Clm 4660/4660a, fol. 67v–68r) liegt zugleich die früheste Melodieüberlieferung zu einem Lied Neidharts vor.

[9] Schweikle 1990, 3, 5, 9, 30–32.

[11] Zu Neidhart Fuchs siehe Perger 2000. Die Angabe, dass sein eigentlicher Vorname „Otto“ war, ist erst in Quellen ab dem mittleren 16. Jahrhundert enthalten und vermutlich eine spätere Hinzudichtung (Perger 2000, 118). Die Existenz dieses Neidhart Fuchs wird von Fritz Peter Knapp sehr in Frage gestellt (Knapp 1999, 470f.; Knapp 2004, 337–351).

[12] Zu den erhaltenen Bildzeugnissen der Neidhartrezeption, siehe Blaschitz 2000. John Margetts schreibt: „Weitere Beweise der Verwendung dieses Stoffes für Wandmalereien in Privathäusern finden sich dann in zwei Predigten vom Ende des 15. Jahrhunderts. […] Gottschalk Hollen (gest. 1481) aus Osnabrück, Prediger an der dortigen Augustinerkirche, spricht von der Verzierung von Häusern und Kirchen durch die Abbildung der Taten von Heiligen, wogegen die Taten der Narren oft in Häusern dargestellt sind: sed nunc pinguntur gesta fatuorum: chorea nithardi in thalamis [„Aber nun malen sie Taten von Narren: Neidharttänze in Schlafzimmern“], Nicolaus Russ aus Rostock redet von der Vorliebe der Bürger für Bilder mit weltlicher Thematik: in de stede des lidendes christi malen se den strid van troye unde in de stede der apostele malen se nyterdes dantz effte (or) andere nakede untuchtige wivesbilde unde meerwunder mit bloten brüsten [„Anstelle des leidenden Christus malen sie den Kampf um Troja und anstelle der Apostel malen sie Neidharttanz-Torheiten oder andere nackte, unzüchtige Frauen oder Meerjungfrauen mit bloßen Brüsten.“]. Simon führt aus, daß der Inhalt der chorea nithardi bzw. des nyterdes dantz sehr wahrscheinlich aus einer Darstellung des Veilchenschwankes besteht.“ (Margetts 1982, 270f.).

[13] Ersichtlich aus einem Brief Maximilians I. vom 8. März 1495, in dem er die Niederschlagung eines Bauernaufstandes zynisch mit einem „Neidhart-Tanz“ vergleicht – ein Begriff, der zur Bezeichnung der „Neidhartspiele“ verwendet wurde. (Der Brief ist erstmals abgedruckt bei Kraus 1875, 101–103 [die betreffende Textstelle auf S. 103] und dann noch einmal bei Simon 2003, 392, Nr. 154). Alle bekannten Spieltexte zu Neidhartspielen stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Aufführungen lassen sich aber noch bis ins 16. Jahrhundert nachweisen, siehe Margetts 1982, 272f.; Simon 1969; Simon 1977. Der letzte Nachweis für eine Aufführung betrifft das Neidhartspiel von Hans Sachs im Jahr 1557 (Harant 2000, 219).

[14] Einmal in der Sterzinger Miszellaneen-Handschrift als Lied s4 (» I-VIP o. Sign., südbairisch [Tirol/ Brixen?], 1. Viertel 15. Jahrhundert, fol. 47v–48r) und einmal in der Riedschen Neidhart-Handschrift als Lied c17 (» D-B Ms. germ. Fol. 779, Nürnberg, ca. 1460, fol. 148v–149v).

[15] » D-B Ms. germ. 779, fol. 136r–v.

[16] Bordesholmer Marienklage in » D-KIu Cod. ms. Bord. 53/3 (Johannes Reborch, Bordesholm, Niederschrift beendet 23.12.1476), fol. 13v–14r. Zur Identifikation, siehe Abert 1948, 96f.

[18] Einzige Quelle ist » D-Mbs Cgm 9300 (Heinrich Wittenwiler, Konstanz, ca. 1408/10). Vgl. Heinrich Wittenwiler, Der Ring, Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hrsg. von Horst Brunner, Stuttgart: Reclam, 1991.

[19] Siehe dazu v. a. Jöst 2000, bes. 202–207. Die Entwicklung vom Minnesänger zur Neidhartlegende brachte Richard Moriz Meyer auf den Punkt: „zuerst erzählt man als N(eidhart), dann erzählt man wie N., endlich erzählt man von N.“ (Meyer 1887, 66).

[20] Engelmar habe der Maid Friederun einen Spiegel geraubt, gemäß späteren Zitaten auch zerbrochen – wobei die Bedeutung dieses Spiegels und des Raubes stets bewusst mehrdeutig bleibt.

[22] Eine Beobachtung von Felix Diergarten zu den kleineren „madrigalischen“ Gattungen des 16. Jahrhunderts kann fast identisch auf die Neidharte des 13.–15. Jahrhunderts und deren Verhältnis zum höfischen Minnesang übertragen werden: „Fern davon, tatsächliche ‚Volksmusik‘ zu sein, hatten diese leichten Gattungen in einer immer verfeinerten Kultur des literarisch hochstehenden Madrigals und in einem Umfeld der höfischen Selbststilisierung, deren Teil sie selbst sind, wohl eine Art Ventilfunktion […]. Sie stellten der verfeinerten Welt des Madrigals eine (auf ihre Art nicht weniger stilisierte) Nähe zur Sprache und Lebenswelt der ‚Unterschichten‘ entgegen, die teilweise regelrecht als Parodie der hohen Welt des Madrigals erscheinen konnte und etwa auch den Gebrauch von Quintparallelen und anderen Satzfehlern beinhaltete.“ (Diergarten 2014, 172).

[23] Eine eingehende Studie zur Eghenvelder-Liedersammlung findet sich bei Lewon 2014. Vgl. auch Schusser 1986, 127-128 (Ingmar Rainer); Knapp 2004, 345-350.

[24] Perger 2000, 112. Die Erstnennung dieses Hauses fällt in das Jahr 1370.

[25] Das große Neidhartspiel (Margetts 1982), Vs. 924f. Vgl. » H. Musik und Tanz in Spielen.

[28] » A-Wn Cod. S.n. 3344, fol. 107r–v.

[29] » A-Wn Cod. S.n. 3344, Hs. w (Wien/Hainburg, ca. 1431–1434), fol. 107r–v.

[30] Harant 2000, 221, siehe auch 222.

[31] » A-Wn s.n. 3344, Hs. w (Wien/Hainburg, ca. 1431–1434), fol. 107v–108r.

[32] Für eine genaue Analyse zum Verhältnis von Tanz und Rhythmus in den Liedern Neidharts inklusive einer Beschreibung des „Referenzrhythmus“, siehe Lewon 2012.

[33] Siehe dazu auch Lewon 2017.

[36] Gemäß dem Augenzeugen Johannes Matthias Testarello della Massa, der das Grab 1685 noch weitgehend intakt betrachten konnte, war es mit einem eisernen Gitter geschützt und zeigte Szenen aus dem Veilchenschwank (Perger 2000, 118).

[37] Vgl. zu den Schwankgeschichten auch Jöst 2017. Das Schwankbuch, in dem das zuvor genannte Oswald-Lied Ir alten weib, ir jungen man (Kl 21) fälschlich Neidhart zugeschrieben wurde, erinnert in der Zusammenstellung an einen „verkehrten“ Artusroman mit Erringung der höfischen Tafel gleich zu Anfang, einem folgenden Ehrverlust durch den Veilchenschwank und schließlich der Wiedererlangung der Ehre durch zahlreiche „Questen“ gegen die Dörper.

[38] Zu dieser Handschrift, besonders auch der Neidhart-Überlieferung darin, vgl. Knapp 2004, 530–547.

[39] Großschmidt 2000. Gemäß den Untersuchungen wurde der originale Neidhart 45–55 Jahre alt (was zu den angenommenen Lebensdaten ca. 1190–ca. 1240 passt) und war 173,5 cm groß. Neidhart Fuchs wäre danach 35–45 Jahre alt geworden bei ähnlicher Körpergröße (174 cm).

[40] Den Beinamen erhielt er wegen seiner Stiftung der Wiener Universität, die knapp 100 Jahre später in einem Loblied von Michel Beheim besungen werden sollte (» Hörbsp. ♫ Von der hohen schul zu wien: Zu dichten han ich mich betracht). Zur „Elevatio“ beider Neidharte durch das Grabmal am Wiener Dom und der Etablierung der Marke „Neidhart“ als Wiener Wahrzeichen und als „PR-Schachzug“ von Rudolf IV., siehe Blaschitz 2000, 181.

[41] Siehe Blaschitz 2000, v. a. 171. Für weitere Informationen zum Neidhartgrab siehe Dahm 2000.

[42] Perger 2000, 112f.

[44] Perger 2000, 121.

[45] Siehe Anm. 36.

[46] Perger 2000, 120 und Dahm 2000, 131.

[47] Dahm 2000, 132f.

[48] Für eine Gegendarstellung vgl. Knapp 1999 und 2004 (Anm. 11).

[50] Perger 2000, 114.

[51] Siehe Perger 2000, 114–117.

[52] Siehe Anm. 39.

[53] Eine Motivgeschichte der Spiele und Hierarchisierung der Schwankmotive findet sich bei Harant 2000.

[55] Siehe Jöst 2000, 192.

[57] Siehe Harant 2000, 224f.


Empfohlene Zitierweise:
Marc Lewon: „Das Phänomen „Neidhart““, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/das-phaenomen-neidhart> (2017).