B. Alte und neue Lieder
Abb. Oswald von Wolkenstein. Porträt Oswalds von Wolkenstein (1377/1378–1445) in der Handschrift „B“ (1432) seiner Lieder. Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck (A-Iu), o.Sign. Mit Genehmigung. Der Tiroler Ritter, der seine Lieder selbst sang und mit Noten niederschreiben ließ, verbindet Stolz auf weltlichen Status mit individuellem künstlerischem Anspruch.
Die Essays und Schlaglichter zum Leitthema „Alte und neue Lieder“ erforschen die Liedpflege des 14. bis frühen 16. Jahrhunderts. Die Repertoires der „alten Meister“ von Minnesang und Spruchsang (13. und 14. Jahrhundert) waren teilweise noch bekannt und wurden gelegentlich noch gesungen. Auch Neuschöpfungen des Spruchsangs finden sich bei Oswald von Wolkenstein und Michel Beheim. Neben neu erfundenen hat man auch ältere Lieder gesungen und weitervermittelt, z.B. durch Techniken der Nachahmung, Kontrafaktur (Textersatz) und Übersetzung. Besonders das „Phänomen Neidhart“ - die Pflege seiner Lieder und auf ihn bezogener Lieder, Schwänke und Fabeln - war in Wien und in der ganzen Region charakteristisch. Der Mönch von Salzburg (um 1380–1410) war als Autor geistlicher und weltlicher Lieder sehr einflussreich, obwohl nicht einmal sicher ist, wer er war. Ein noch bedeutenderes Gesamtwerk hinterließ der Dichter und Sänger Oswald von Wolkenstein (1377/78–1445) ; auch seine Melodien, die z. T. auf übernommenen Modellen beruhen, sind erhalten. Anonyme weltliche Liedtexte der Zeit wurden im 19. Jahrhundert als „Volkslieder“ veröffentlicht, freilich zu Unrecht: Ihre Überlieferung und Eigenart kann in Einzelfällen genauer bestimmt werden. Gesang im Gottesdienst, häusliches Singen und kirchliches Drama ergänzten einander in der Kultivation des geistlichen Liedrepertoires. In höfischen und bürgerlichen Kreisen wurde die mehrstimmige Ausführung weltlicher Lieder (Hofweisen) üblich und regionale Musiker komponierten entsprechende anspruchsvolle Vertonungen. Schon um 1500 waren auch Musikdrucke an der Überlieferung geistlicher und weltlicher Lieder beteiligt.
Die mit * gekennzeichneten Texte sind leider noch nicht online verfügbar.
Spruchsang in den österreichischen Ländern
Horst BrunnerTraditionsbildungen des deutschen und lateinischen Liedes
Reinhard StrohmDas Phänomen „Neidhart“
Marc LewonGeistliche Lieder des Mönchs von Salzburg
Stefan EngelsDas geistliche Lied des 14. und 15. Jahrhunderts
Reinhard StrohmLieder in der Region Österreich, ca. 1450–ca. 1520
Nicole Schwindt