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1500–1505: Wieder am burgundischen Hof

Markus Grassl

Nur zwei Monate nach dem Ende des Augsburger Reichstags, am 2. November 1500, wurde Schubinger neuerlich als „joueur de lut“ von Philipp dem Schönen eingestellt, wie schon 1497 mit einem Jahresgehalt von 270 Livres.[58] Damit begann eine zweite, mehr als fünfjährige Dienstzeit am burgundischen Hof,[59] die nicht zuletzt durch die Teilnahme an der ersten Spanienreise des Erzherzogs (und seit 1504 Königs von Kastilien) geprägt war. Philipp und sein Gefolge brachen am 4. November 1501 in Brüssel auf, erreichten Spanien Ende Januar 1501 und traten im Frühjahr 1503 einen längeren Heimweg an, der über Frankreich und Savoyen nach Tirol führte (wo Philipp im September mit seinem Vater zusammentraf) und schließlich Anfang November 1503 mit der Ankunft in Mecheln endete.

Aus diesen Jahren stammen erstmals mehrere Nachrichten, die sich konkret auf bestimmte Auftritte Schubingers beziehen. So wissen wir, dass er zu Mariä Lichtmess 1501 bei einem Gottesdienst an der Kathedrale Sint Rombout in Mecheln spielte.[60] Vor allem aber haben wir durch den Bericht, den Antoine de Lalaing, ein chambellan am burgundischen Hof, über Philipps Spanienreise verfasste, Kenntnis von Schubingers Mitwirkung bei zwei markanten Ereignissen: dem Hochamt am Pfingstsonntag (15. Mai) 1502 in der Kathedrale von Toledo, an dem Philipp, seine Gemahlin Johanna und deren Eltern Ferdinand II. von Aragon und Isabella von Kastilien teilnahmen, sowie der Messe am Ostersonntag (16. April) 1503 in Bourg-en-Bresse, der damaligen Residenz von Philipps Schwester Margarete von Österreich und deren Gemahl, Herzog Philibert von Savoyen.[61]

 

Lalaing spricht im Zusammenhang beider Anlässe ausdrücklich davon, dass die Sänger und Schubinger auf dem Zink zusammenwirkten: „avoecq les chantres jouoit de son cornet maistre Augustin lequel foisoit bon à ouyr“ (zusammen mit den Sängern spielte auf seinem Zink Meister Augustin, was schön zu hören war). Damit liefert er das nach dem Zahlungsbeleg für die „in den Zinken singenden“ Chorknaben am Reichstag 1500 zweitälteste eindeutige Zeugnis für die zu dieser Zeit aufkommende Praxis, Vokalisten und Bläser zu kombinieren (» H. Kap. „Posaun vnd Zinckhen han wir gestelt zu dem Gesang“). Bemerkenswert ist freilich auch, dass Lalaing überhaupt davon Mitteilung macht – üblicherweise sparen zeitgenössische Chronisten ja nähere Details von musikalischen Aufführungen, geschweige denn die Namen der beteiligten Musiker aus. Möglicherweise war es, abgesehen vom Renommee Schubingers und von der Qualität seines Spiels, gerade auch das Neue und dementsprechend Ungewohnte dieser Besetzungspraxis, das die Aufmerksamkeit Lalaings auf sich zog.

In der Literatur wird bislang davon ausgegangen, dass Schubinger auch Philipps zweite Spanienreise mitmachte, zu der im Januar 1506 aufgebrochen wurde und während der Philipp am 25. September überraschend verstarb. Diese Annahme beruht auf der Identifikation Schubingers mit Augustin de (la) Scarparye (auch Scarperye, de Carperie u. ä.), einem Trompeter, der von 1501 bis 1506 in einer Reihe von Dokumenten des burgundischen Hofs aufscheint.[62] Dass diese Identifikation unzutreffend ist, es sich in Wahrheit also um zwei verschiedene Personen handelt, geht aus der Ordonnance de l’hotel hervor, die Philipp anlässlich seiner ersten Spanienreise 1501 erließ. Darin werden beide Musiker angeführt, Augustin de Scarparye (womit vielleicht Scarperia bei Florenz gemeint ist) unter den Trompetern, Schubinger getrennt davon im Anschluss an andere Instrumentalisten, und zwar drei „Musette“-Spieler und ein Pfeifer-Trommler-Paar.[63] Während Augustin de la Scarparye mehrfach im Zusammenhang mit Philipps zweiter Spanienreise bezeugt ist, existiert für Schubinger ab Januar 1506 nicht nur kein Nachweis vom burgundischen Hof, vielmehr befand er sich spätestens Anfang Juni wieder in Deutschland, wie eine Zahlung der Stadt Nördlingen an ihn und einen namentlich nicht genannten Posauner zeigt:[64]

[58] Vander Straeten 1885, 172.

[59] Weitere Zahlungen des burgundischen Hofs an Schubinger sind u. a. dokumentiert in: F-LadB B 2173 (Registres de comptes de la recette générale des finances 1501), fol. 73r–v; B 2180 (1502), fol. 154r und 186r (siehe van Doorslaer 1934, 39 und 163); B 2191 (1505), fol. 318r (siehe Fiala 2002, 379).

[60] B-Baeb Algemeen Rijksarchief / Archives générales du Royaume, V132–41281 (Stads Rekeningen Mechelen 1500/1501), fol. 192v: Zahlung an „Meester Augustyn diener ons genedige Herrn Hertoge Phillips van dat hij op ons liever vrouwen lichtmes dach speelde te hoogmissen In Sinte Rombouts kerke“. Siehe auch Polk 2005a, 65.

[61] Gachard (Hrsg.) 1876, 178 und 287. Siehe u. a. auch Vander Straeten 1885, 158, und Polk 1989a, 501, die statt Bourg-en-Bresse irrtümlich Lausanne als Ort des Gottesdiensts zu Ostern 1503 angeben.

[62] Siehe van Doorslaer 1934, 51; Vander Straeten 1885, 162–165; Pietzsch 1963, 746; Haggh 1980, 172–176; Ferer 2012, 33.

[63] Bessey u. a. (Hrsg.) 2019, 350 und 355.

[64] Nicht auszuschließen ist zudem, dass Schubinger jener „des Ro. Ko zincken plaser“ war, der 1506 in Nürnberg nachweisbar ist. Siehe D-Nsa Reichsstadt Nürnberg, Losungsamt, Stadtrechnungen 181, fol. 407v: „Item i gulden des Ro. Ko zincken plaser“.