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Ferdinands und Annas Zink-Posaunen-Ensemble

Markus Grassl

Seit Längerem ist ein Dokument aus dem Jahr 1528 bekannt, in dem Ferdinands Gemahlin Anna von Ungarn fünf „pusaunern“ ihres eigenen, bald nach der Eheschließung 1521 errichteten Hofstaats eine Gehaltsaufbesserung gewährte, wofür sich die Musiker im Gegenzug zu lebenslangem Dienst bei Anna und Ferdinand verpflichteten.[19] Dass diese „Posaunisten“ 1528 bereits auf eine längere Tätigkeit am habsburgischen Hof zurückblickten, ergibt sich allein schon aus Annas Verfügung. Für zwei von ihnen lässt es sich durch weitere Quellen belegen: bei Thomas de Berzizia, der in einer Eingabe 1541 auf eine damals bereits 20 Jahre währende Dienstzeit hinweist, und bei Hieronymus Blasel, der in Salamancas Rechnungsbüchern von 1522/23 als „sacqueboutte de ma dicte dame [= Anna]“ geführt wird.[20] Daneben werfen einige Nachrichten zusätzliches Licht auf die am Hof Ferdinands tätigen Blasinstrumentalisten. So erhielten im März 1523 neben Ferdinands Trompetern auch vier „der kunigin von hungern busanern vnd blasern“[21] sowie im Juli 1527 zwei Zinkenbläser „der kunigin zu hungerien“ Zahlungen der Stadt Augsburg.[22] Weiterhin geht aus dem erwähnten Ansuchen Thomas’ de Berzizia hervor, dass dieser neben der Posaune auch den Zink spielte. Schließlich dokumentieren die Aufzeichnungen Salamancas und die Rechnungsbücher der Innsbrucker Kammer für die Jahre 1522/23 bzw. 1523/24 Zuwendungen noch an einen anderen „sacqueboutte“,[23] nämlich niemand geringeren als Augustin Schubinger (» G. Augustin Schubinger). Der renommierte Instrumentalvirtuose, der schon Maximilian I. gedient und zu den ‚Aushängeschildern‘ von dessen Hofmusik gezählt hatte, war auf mehreren Instrumenten wie Laute und Posaune versiert, exzellierte aber vor allem als Zinkenist – als solcher wurde er ja auch in Maximilians TriumphzugAbb. Triumphzug Kantorei) verewigt).[24]

Zusammengenommen lassen diese Informationen den Schluss zu, dass Ferdinand schon ab den frühen 1520er Jahren über ein Zink-Posaunenensemble verfügte (bei dessen Mitgliedern, wie in der Zeit üblich, mit der Beherrschung weiterer Instrumente, vor allem von Blasinstrumenten zu rechnen ist). Obwohl die Musiker nominell dem Hofstaat Annas von Ungarn zugeordnet waren, kann davon ausgegangen werden, dass sie in der Praxis auch für Ferdinand tätig wurden. Bei Auftritten, die in Gegenwart des Fürstenpaars stattfanden, war dies ja ohnehin der Fall. Abgesehen davon ist vielfach belegt, dass Bedienstete eines habsburgischen Hofstaats von anderen Angehörigen der Dynastie mitverwendet wurden.[25] Dahinter stand die Idee, dass der Dienst für einen Habsburger ein Dienst für die gesamte Dynastie war.[26]

Abb. Anna von Ungarn

Anna von Ungarn

Hans Maler, Portrait Annas von Ungarn (1525), Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Inventarnummer 592A (© akg-images / Erich Lessing).

 

Ensembles, die sich aus Zinken, Posaunen, teilweise auch Krummhörnern und /oder Pommern zusammensetzten, fanden bei zahlreichen Gelegenheiten wie Einzügen, Banketten und nicht zuletzt Tanzveranstaltungen Verwendung.[27] Angesichts der wichtigen Stellung, die Bläserensembles im höfischen Musikleben des 16. Jahrhunderts einnahmen, überrascht es nicht, dass bereits die jungen Ferdinand und Anna (die im Übrigen für ihre Tanz- und Feierfreudigkeit bekannt sind[28]) eine solche Truppe unterhielten.

Seit etwa 1500 wuchs den Bläsern und dabei in erster Linie den Zinkenisten und Posaunisten noch eine weitere Aufgabe zu: Sie wirkten nun auch im Rahmen der Liturgie mit, u. a. indem sie die Sänger bei der Aufführung mehrstimmiger Musik colla parte begleiteten. Eine Reihe von Indizien, darunter die erwähnte Darstellung des Triumphzugs, welche die Kantorei im Verband mit Bläsern zeigt (» Abb. Triumphzug Kantorei), spricht dafür, dass an der Genese dieser Praxis die Kapelle Maximilians I. und namentlich Augustin Schubinger maßgeblichen Anteil hatten.[29] Von daher mag die Annahme naheliegen, dass sich Ferdinands und Annas Bläser auch an der Realisierung von Vokalpolyphonie beteiligten. Allerdings ist damit die nicht sicher zu beantwortende Frage tangiert, inwieweit Ferdinand vor 1527 über ein geeignetes Sängerensemble verfügte (» Kap. Ferdinands Sänger vor 1527).

[19] Federhofer 1952, S. 42–43; vgl. auch Wessely 1973, 662–669.

[20] Wessely 1973, 667.

[21] D-Asa Baumeisterbücher Bd. 117 (1523), fol. 36r.

[22] D-Asa Baumeisterbücher Bd. 121 (1527), fol. 36r: „Samstag vor Jacobj [20. Juli] / Item ij fl. friedrich lingky und jörg wilden der kunigin zu hungerien zinkenplaser“.

[23] Rill 2003, 49; Senn 1954, 21 und 49.

[24] Zu Schubingers Biographie und Bedeutung vgl. » G. Augustin Schubinger, sowie Polk 1989a; Polk 1989b.

[25] Siehe Beispiele bei Grassl 2012, 27–28.

[26] Vgl. dazu Thomas 1993, 48.

[27] Vgl. dazu Welker 1990, insb. 252–257.

[28] Rill 2003, 20; Kohler 2003, 92, 96.

[29] Grassl 2019, 221–230. Vgl. auch Welker 1990, 256–257; Bouckaert/Schreurs 2005.