Sie sind hier

Engelsmusik in der Region Österreich, ihre Repräsentationsleistungen – und die Grenzen der musikalischen Ikonographie

Björn R. Tammen
  • Liturgische Bodenhaftung

    Ob spätmittelalterliche Engelskonzerte von einem „Musikleben im 15. Jahrhundert“ ausgeschlossen[1] oder aber als dessen legitimer Bestandteil, auch eines „Musiklebens in der Region Österreich“, angesehen werden dürfen, hängt wohl vor allem davon ab, was überhaupt als ein musikhistorisch relevanter Befund angesehen wird – und was nicht. Bereits die eher provinziell anmutenden, auf das Jahr 1438 datierten Malereien am Chorgewölbe der Zwickenberger Pfarrkirche St. Leonhard – abgeschieden auf 1002 m Seehöhe im gleichnamigen Bergdorf der Gemeinde Oberdrauburg (Kärnten) gelegen[2] – lassen, neben den sozusagen „harten“ instrumentenkundlichen Fakten, Befindlichkeiten, Motivationen und Vorstellungen der „Menschen von damals“ in den Blick geraten, selbst wenn hier die Instanzen des Künstlers, des Klerikers und des Auftraggebers sowie all jener Gläubigen, denen die Bergkirche als religiöser Mittelpunkt gedient hat, nur eine rein hypothetische Größe sein können.

     

    Abb. Engel Zwickenberg

    Abb. Engel Zwickenberg

    Malereien am Chorgewölbe der Zwickenberger Pfarrkirche St. Leonhard, 1438. In den Gewölbezwickeln unterhalb des Evangelisten Johannes sind zwei Engel mit Schlaufentrompete (links) und Pauken (rechts) sowie Spruchbändern mit Gloria‑Versen dargestellt. Bild: © Institut für Realienkunde – Universität Salzburg.

     

    Insgesamt acht Engel sind als relativ kleine Trabantenfiguren in den Gewölbezwickeln, unterhalb der vier ungleich größeren, mitsamt ihren Symboltieren dargestellten Evangelisten, platziert. Als gelte es allzu weltliche Klangvorstellungen in klare Schranken zu verweisen und stattdessen den zeichenhaften Charakter der Engelsmusik durch Rückbindung an die Liturgie hervorzukehren, wird jedem Engel, zusätzlich zu dem von ihm gespielten Instrument, ein begleitender Gloria-Vers als sekundäres Attribut beigefügt – vom eröffnenden „Gloria“-Ruf bis zum „Qui tollis peccata mundi miserere“. Hinsichtlich seiner Zusammensetzung vertritt das Zwickenberger Engelskonzert – bei unverkennbarer Dominanz der Saiteninstrumente – einen durch Beimischung liturgisch-kirchenmusikalischer sowie herrscherlich-repräsentativer Komponenten charakterisierten Standardtypus.

    Wohlkalkuliert, zudem im Lichte spätmittelalterlicher Alternatim-Praxis und eines ihrer bevorzugten Einsatzgebiete, dem textreichen Ordinariumssatz des Gloria, kirchenmusikalisch vollauf gerechtfertigt, erscheint die Initialstellung des Orgelportativs zum eröffnenden Ruf „Gloria in excelsis“ (» Abb. Engel Zwickenberg Orgelportativ; » Hörbsp. ♫ Portativ) und seine Kontrastierung durch ein „stilleres“ Pendant, die offenbar als Sinnbild des „Et in terra pax hominibus bone voluntatis“ verstandene Laute (» Abb. Engel Zwickenberg Laute). Sinnvoll erscheint die Evokation des himmlischen Königs durch einen Engelsherold mit moderner Schlaufentrompete („Domine deus rex celestis deus pater omnipotens“), an deren Tubus obendrein ein Wimpel mit Wappenmotiv befestigt ist. Übrigens fügt sich der Trompeter zusammen mit dem im selben Gewölbefeld, unterhalb des Johannes Evangelista, dargestellten Päukleinspieler[3] zu einer geläufigen ensemblepraktischen Einheit (» Abb. Engel Zwickenberg). Hervorgehoben sei schließlich noch die Zuordnung von Fidel und Harfe zu den beiden die Passion Christi in Erinnerung rufenden, gleichlautend anhebenden Versen („Qui tollis pec[c]at[a] mundi…“; » Abb. Engel Zwickenberg Fidel). Dies dürfte auf eine lange Tradition mittelalterlicher Instrumentensymbolik und „mystischer“ Sinngebung zurückgehen, welche den an das Kreuz geschlagenen Leib Christi mit den über ein hölzernes Instrumentenkorpus gespannten (Darm‑)Saiten in Verbindung bringt.[4]

    All dies lässt auf komplexe Entscheidungsprozesse hinsichtlich des Gesamtprogramms, der Auswahl und der Anordnung der Musikinstrumente schließen. Schlüssig beweisen lässt sich freilich hier wie auch bei den im Folgenden besprochenen Beispielen nur das Allerwenigste; viel häufiger muss man bei der Bildinterpretation mit Plausibilitäten operieren und sich von Fall zu Fall zwischen den beiden Polen einer womöglich übertriebenen Intentionalität (inklusive moderner Konzepte von Bildpolitik, symbolischer Kommunikation oder auch der Konstruktion kultureller Identität) einerseits, weitgehender Gestaltungsfreiheit mittelalterlicher Künstler selbst auf dem Feld vermeintlicher Nebensächlichkeiten andererseits bewegen.

    Man würde das Bedeutungsspektrum spätmittelalterlicher Engelskonzerte – und damit ihre „Repräsentationsleistungen“ – unzulässig verengen, wollte man ihr Signifikat auf gemeinten Gesang reduzieren;[5] dies gilt selbst dort, wo ein Beispiel wie Zwickenberg auf den ersten Blick eine solche Auffassung zu bestätigen scheint. Jede „Wieder-Präsentmachung“ bzw. „(Wieder‑)Vergegenwärtigung“[6] der Engelsmusik erfordert wohl einen Abgleich mit archetypischen Vorstellungen wie jener vom Gloria frohlockender Engel über dem Stall zu Bethlehem (Lk 2,13–14) oder auch dem Klang apokalyptischer „tubae“ gemäß Offenbarung des Johannes; zwischen diesen beiden Polen konnten sich freiere Imaginationen (als „Engelskonzerte“) überhaupt erst sukzessive entwickeln, so dass schließlich Engeln nicht allein Spruchband oder Buch, Horn oder Trompete zugewiesen wurden, sondern hierfür praktisch das ganze Arsenal des mittelalterlichen Instrumentariums zur Verfügung stand. Die solcherart „repräsentierte“ Engelsmusik bringt die nach theologischem Verständnis körperlosen Geistwesen mit irdischen Klangwerkzeugen (zumal solchen, die auch für eine körperbetonte Spielmannskunst stehen [können]) in eine nicht unproblematische Verbindung, was recht schön in der populären Bezeichnung „Engelsmusikant“ zum Ausdruck kommt. Inwieweit dabei von Instrumenten in Engelshand auf „gemeinten“ Gesang rückgeschlossen werden muss oder umgekehrt von „instrumentalen“ Klangvorstellungen ausgegangen werden darf, lässt sich wohl kaum kategorisch festlegen; dies dürfte von Ort zu Ort, von Betrachter zu Betrachter, ja selbst bei ein- und demselben Objekt je nach Rezeptionszusammenhang verschieden gewesen sein. In größeren Zeiträumen gedacht – und der vielzitierten „Macht der Bilder“ Rechnung tragend – könnte jedes neue Engelskonzert sogar einer Konsolidierung der letztgenannten Vorstellung Vorschub geleistet haben.

  • Die Freuden der Seligen und die Imagination des Unerhörten

    Eine bemerkenswerte Aussage, die uns durchaus als zeitgenössisches Korrektiv zum Verständnis bildgewordener Engelsmusik dienen kann, ist im Complexus effectuum musices des Johannes Tinctoris enthalten – der wohl umfangreichsten mittelalterlichen Abhandlung über das Wesen der Musik und ihre unterschiedlichen Wirkungen, welche dieser um 1475 für seine Schülerin, die Prinzessin Beatrice von Aragon, am Königshof in Neapel verfasst hat. Im Abschnitt über den dritten „effectus“ räsonniert Tinctoris über die Beweggründe der „pictores“, musizierende Engel darzustellen: „Wenn die Maler die Freuden der Seligen zum Ausdruck bringen wollen, dann malen sie Engel, die auf verschiedenen Musikinstrumenten musizieren. Dies hätte die Kirche nicht gebilligt, würde sie nicht glauben, dass die Freuden der Seligen durch Musik verstärkt würden.“[7] Aufschlussreich daran ist sowohl der den Malern (bzw. Künstlern im weiteren Sinne) zugestandene Gestaltungsspielraum, der sie – es sei nebenbei bemerkt – auch am Zeichenbegriff teilhaben lässt („designare volunt“), als auch die Fragwürdigkeit eines Bildmotivs, das Tinctoris kirchlicherseits indes legitimiert sieht.

    Will man sich dieses „period eye“ zu eigen machen, dann können Bedenken ob einer vielleicht allzu starken Horizontverschiebung von einem bereits „humanistisch“ geprägten Italien zu einem noch „spätmittelalterlichen“ Österreich getrost beiseitegeschoben werden, nicht hingegen ein prinzipieller Einwand gegen den propädeutischen Charakter dieses Traktats. Was Tinctoris hier formuliert, ja sogar zu einem lateinischen Merkvers kondensiert („Musica gaudia beatorum amplificat“[8]), dient zuallererst der Unterweisung im Musikunterricht und nimmt damit möglicherweise eine Bedeutungsverengung im Dienste der Didaxe bewusst in Kauf.

    Eine Antwort auf die naheliegende Frage, was man sich überhaupt unter den „Freuden der Seligen“ vorzustellen hat und inwiefern Engelsmusik hierzu beitragen kann, bleibt Tinctoris übrigens schuldig – vielleicht aus gutem Grund, wo doch selbst eines der am weitesten verbreiteten Erbauungsbücher des Spätmittelalters, das Speculum humanae salvationis, dessen Kapitel 42 den „beatorum gaudia“ gilt,[9] mit einem nicht unproblematischen Unsagbarkeitstopos operiert:
    „So zahlreich sind die Freuden der Seligen, dass man sie nicht aufzählen kann, so ungeheuerlich und so groß, dass man sie nicht ermessen kann, so unvergleichlich, dass man hiervon nicht erzählen kann, so dauerhaft, dass sie kein Ende finden. Die Freuden, die Gott den ihn Liebenden bereitet hat, vermag das Auge nicht zu schauen, das Ohr nicht zu hören noch das Herz zu erwägen.“[10]
    In einem geradezu rauschhaften Zustand werden alle fünf Sinne angesprochen:
    „Hier ist alle Schönheit und dem Auge zugänglicher Liebreiz, hier ist alle dem Ohr erklingende Harmonie und Melodie, hier ist alle dem Geruch sich darbietende Ergötzlichkeit, hier ist alle dem Tastsinn Freude gewährende Weichheit, hier ist alle auf den Geschmack einströmende Süße […].“[11]
    Gegen Ende dieser – jeweils mit einem affirmativen „Ibi est“ anhebenden – Aufzählung verkehrt sich die Perspektive in das Paradox als der wohl letzten Steigerungsmöglichkeit, wenn der Philosophie jegliche Bedeutung für das Jenseits abgesprochen wird („Ibi scientia Aristotelis et philosophorum esset rusticitas“), ja selbst die Harfe König Davids und das Wissen Jubals, des biblischen Erfinders der Musik, in einem Atemzug zur „absurditas“ (Unfug) erklärt werden.[12]

    Eigentlich verweigert sich ein solcher Text jeglicher Bebilderung – selbst dann, wenn ein Teil der Sinnesreize in eine typologische Station des Alten Testaments (z. B. das Festmahl des Königs Ahasver als „secunda figura“ der „gaudia beatorum“) gleichsam ausgelagert wird. Ein auf 1425 datiertes, möglicherweise in Salzburg entstandenes Exemplar des Speculum humanae salvationis,[13] dessen Schreiber (eventuell auch Urheber der lavierten braunen Federzeichnungen) sich im Kolophon als „Nikolaus Weiss“ bezeichnet, sieht lediglich zwei musizierende Engel zu beiden Seiten einer Darstellung des thronenden Christus vor.

     

     

    Souverän werden hier mit wenigen Federstrichen zwei vor allem im zentraleuropäischen Raum beheimatete Instrumentensonderformen skizziert, die dem Konzeptor des Zwickenberger Engelskonzerts (vgl. Kap. Liturgische Bodenhaftung) wohl reichlich „böhmisch“ vorgekommen sein dürften, aber für Nikolaus Weiss offenbar im Bereich des Vorstellungs- und damit des Darstellungsmöglichen lagen: die Harfe mit zwei Resonatoren[14] und das schlanke, gegenüber der regulären Form um 90° gedrehte Harfenpsalterium, bei dem die Saiten nicht in der Horizontalen, sondern – wie bei der Harfe – in der Vertikalen verlaufen.[15]

    Dass dieses klanglich homogene Ensemble der basse musique dem Thema der Inkommensurabilität menschlicher Sinnesleistungen, des „Unsagbaren“, ja des „Unerhörten“ kaum gerecht werden kann, steht dabei auf einem anderen Blatt; viel eher hätte sich hier ein heterogen zusammengesetztes Engelskonzert mittlerer Größe angeboten – etwa nach Art jener in der älteren Literatur gerne für ein mittelalterliches „Spaltklangideal“[16] reklamierten, aber doch wohl eher praxisfernen Figurationen musizierender Engel, für die stellvertretend die Stamser Marienkrönungstafel angeführt werden kann (» Abb. Marienkrönung Stams).

  • Himmlische Hierarchie und irdisches Instrumentarium

    Darstellungen der Neun Chöre der Engel – seien diese nun explizit durch Inschrift kenntlich gemacht oder lediglich implizit, durch Anordnung in Rängen, Kreissegmenten, Neunzahl oder Verschiedenfärbigkeit[17] – gehören zu den wohl dankbarsten Bildgelegenheiten für das Motiv musizierender Engel, selbst wenn in der auf Pseudo-Dionysius-Areopagita und nachfolgende Exegeten zurückgehenden Engelslehre eine auf irdischen Klangwerkzeugen konkretisierte Engelsmusik überhaupt nicht vorgesehen war.[18] Wir haben es hier mit eucharistischen Bildzusammenhängen entsprechend einer bereits in der Patristik verwurzelten Vorstellung von der Präsenz lobpreisender Engelschöre zur Transsubstantiation zu tun (übertragbar letztlich auf alles, was mit der geweihten Hostie in Verbindung steht: Monstranz, Parament, Sakramentsnische etc.), vor allem aber auch mit dem großen Themenkreis von Himmelfahrt und Krönung Mariens „super choros angelorum“[19] – einer Vorstellung, die über apokryphe Quellen Eingang in die Liturgie gefunden und von hier aus die christliche Ikonographie nachhaltig geprägt hat.[20]

    Werden solcherart musizierende Engel in Teilchöre oder sogar sämtliche Neun Chöre aufgenommen,[21] eröffnet sich die faszinierende Option, irdische Hierarchisierungen im Instrumentarium auf einer imaginären Bühne regelrecht zu inszenieren und mit der Vorstellung himmlischer Hierarchie abzugleichen, obendrein die Vielzahl der im Idealfall verfügbaren Positionen auch für neueste Entwicklungen im Instrumentarium nutzen zu können – speziell die im 15. Jahrhundert sich allmählich verbreitenden Saitenklaviere, Cembalo, Clavichord und Clavicytherium. Die Region Österreich hat in beträchtlichem Maße an diesem Trend partizipiert, wie sich an den überraschenderweise eher an der Peripherie anzutreffenden Bildzeugnissen ablesen lässt[22] – etwa dem Lebenden Kreuz des Thomas von Villach (ca. 1470/75), einer monumentalen, die Sakramentsnische der Andreaskirche im kärntnerischen Thörl überspannenden Wandmalerei.[23]

    Abb. Neun Chöre der Engel Thörl

    Abb. Neun Chöre der Engel Thörl

    Wandmalerei Das „Lebende Kreuz“ und die Neun Chöre der Engel (ca. 1470/1475) von Thomas von Villach in der Pfarrkirche St. Andreas in Thörl (Kärnten). (© Institut für Realienkunde – Universität Salzburg)

     

    Die beiden untersten Chöre der Angeli und der Archangeli bleiben ohne Musikinstrumente; erstere beschränken sich auf die Funktion des Seelengeleits, letztere sind gestikulierend bzw. adorierend wiedergegeben. Gleich dem nächsten Rang der Virtutes werden, gut sichtbar, Hackbrett und Cembalo implementiert, wobei die Längsseiten der Instrumente parallel zu den die Hierarchiezonen veranschaulichenden Kreissegmenten angeordnet sind (daneben Trumscheit, Schalmei, Rollschellen und Laute). Aus dieser im Gesamtgefüge reichlich untergeordneten Stellung – ein Befund, der so bereits für den ein halbes Jahrhundert älteren Mindener Altar (ca. 1425) gilt[24] – kann man auf eine gewisse Problematik im Umgang mit derlei innovativen Trends schließen; die Spitzenpositionen bleiben jedenfalls in Thörl den Sanctus-Rufen der Seraphin [!] sowie Buch, Orgel und Harfe (?) in Händen der Cherubin [!] vorbehalten. Sozusagen im Mittelfeld der Himmlischen Hierarchie lassen auch die Potestates eine konsequente Attribuierung erkennen, insofern hier neben Schwert und Schild zwei Trompeten (in zeitspezifischer S-Form) sowie Trommel und Einhandflöte vorgesehen sind – Instrumente, die offenbar aufgrund ihrer Lautstärke als klangliche Insignien der Macht verstanden wurden. Speziell im Vergleich zwischen den Virtutes und den Principatus tritt allerdings auch die Fragwürdigkeit jedes derartigen Hierarchisierungsversuchs zu Tage; dass Rollschellen und Laute dem erstgenannten, das in klanglicher Hinsicht als durchaus äquivalent zu begreifende Triangel sowie die kleinere, birnenförmige Guiterne letzterem Chor zugewiesen werden, mutet doch reichlich willkürlich an.

  • Musikinstrumente und die Ästhetik ihrer Inszenierung

    Auch im Falle einer monumentalen Marienkrönungstafel (ca. 1390) aus dem traditionsreichen Zisterzienserkloster Stift Stams in Tirol, die ungeachtet ihres ausgesprochen trecentesken Erscheinungsbildes das Werk eines einheimischen Künstlers sein dürfte – vermutlich des aus Meran stammenden Konrad im Tiergarten[25] – liegt eine Darstellung der Neun Chöre der Engel vor. Im Unterschied zu Thörl (vgl. Kap. Himmlische Hierarchie und irdisches Instrumentarium) sind dabei die Engelsränge lediglich implizit, durch Verschiedenfärbigkeit der zu beiden Seiten der Marienkrönungsgruppe angeordneten Teilchöre, kenntlich gemacht. Musikinstrumente entfallen auf die beiden unteren Register der blau und weiß gewandeten Engel sowie die offenbar als neunter Chor begriffenen Engelsmusikanten zwischen den Fialen des Giebelaufsatzes, die skulptiert und damit als gedachte Bestandteile der Architekturkulisse wiedergegeben sind.[26] Die beiden oberen Register mit ihren Trägern von Buch und Spruchband sind demgegenüber in geheimnisvoll anmutendem grünem bzw. rotem Camaïeu (Ton-in-Ton-Malerei) gehalten, deren Färbung Körper, Gewand und Attribute dieser Engel einschließt.

     

    Abb. Marienkrönung Stams

    Abb. Marienkrönung Stams

    Marienkrönungstafel (ca. 1390) von Konrad im Tiergarten (?) aus dem Zisterzienserkloster Stift Stams (Tirol).

     

    Hinsichtlich Auswahl und Präsentation der Instrumente verrät sich in Stams weniger eine Prärogative hierarchischer, denn ästhetischer Überlegungen,[27] die geradezu in den Dienst eines „distanzierten ‚Bühnenschauspiels‘“ gestellt werden.[28] Den Anfang macht vorne links, auf gleicher Höhe mit den Zentralfiguren Christi und Mariens, die speziell für den böhmisch-zentraleuropäischen Raum charakteristische Harfe mit Doppelresonator (» Abb. Marienkrönung Stams Detail links; vgl. Kap. Die Freuden der Seligen und die Imagination des Unerhörten), deren Wiedergabe mit Details wie der kleinen, körperseitigen Verbindungssäule zwischen keulenförmigem (Harfen-)Resonator und Stimmstock oder auch dem schlüssigen Übergang zum (psalterienartigen) Resonanzbrett von einer sehr präzisen Sachvorstellung geleitet zu sein scheint.[29] Es folgt das Platerspiel, ein in den Engelskonzerten eher selten dargestellter, vergleichsweise primitiver Vorläufer der späteren Familie der Windkapselinstrumente, bei dem das Rohrblatt in einer unter den aufgeblasenen Backen seines Spielers sich aufwölbenden Tierblase eingeschlossen ist. Im konkreten Falle mag der visuelle Reiz, den Instrument wie Spieler bieten, den Ausschlag gegeben haben, hier ein eher „rustikal“ anmutendes Instrument gleichberechtigt neben der Harfe in den Vordergrund zu rücken.[30] Die korrespondierenden Positionen auf der rechten Seite nehmen eine kleine Guiterne (halb verdeckt) sowie die unter italienischem Einfluss stehende Form des Halbpsalteriums ein (» Abb. Marienkrönung Stams Detail rechts), das übrigens mit seiner gerade geschnittenen rechten und der einschwingenden linken Flanke genau hier am besten zur Geltung kommt – was auf einen Primat formaler Überlegungen vor anderen möglichen Dispositionskriterien schließen lässt.

    Der Eindruck nicht allein einer die Internationalität und höfische Verfeinerung des „Schönen Stils“ der Zeit um 1400 reflektierenden Behandlung des Bildthemas, sondern auch der Synthetisierung durchaus heterogener Tendenzen in jenem für die Region Österreich zu veranschlagenden Instrumentarium verstärkt sich noch, bezieht man die übrigen Engelsdarstellungen in diesen Überblick mit ein. Das Stamser Engelskonzert kennt nicht allein die Harfe mit Doppelresonator und das Halbpsalterium, sondern ebenso die westeuropäische Form der Rahmenharfe, die im zweiten Engelsrang gleich zweimal vertreten ist: rechts, neben der in dunklem Rot abschattierten Seitenwange der Thronarchitektur – dort Seite an Seite mit einem Orgelportativ (» Hörbsp. ♫ Portativ) –, und links, wenngleich dort von den lichteren, hellrosa gehaltenen Arkadenöffnungen zu einem Gutteil verdeckt. (Übrigens teilen dieses Schicksal drei weitere im Hintergrund dargestellte Instrumente: ein parallel-gedoppeltes Blasinstrument, Sackpfeife und Fidel, die den Betrachter förmlich zur Vervollständigung im Geiste anregen. Gut sichtbar sind dann wieder die Fidel und eine kleine, mit Plektrum gezupfte birnenförmige Guiterne mit ihrem charakteristischen Sichelhals am linken Rand des zweiten Registers dargestellt.)

     

     

    Eine Hierarchiezone eigenen Rechts bilden im Hintergrund die zwischen schlanke Fialtürmchen eingefügten Engelsmusikanten – figürliche Aufsätze der Giebelarchitektur, für die der Straßburger Fassadenriss Pate gestanden haben könnte.[31] Hierbei fällt den Geradtrompeten eine hervorgehobene Rolle links und rechts außen auf den untersten, etwas größeren Giebelflächen zu, von wo aus sie symmetrisch nach innen gerichtet sind. Es folgen Laute, Orgelportativ und Fidel (rechte Hälfte) sowie Guiterne, Psalterium und Harfe mit zwei Resonatoren (linke Hälfte, jeweils von außen nach innen), womit wiederum eine gewisse Sonderstellung dieser Harfenform deutlich wird.

  • Böhmische Sonderformen und ihre (proto-)nationale Kodierung

    In Anbetracht übersteigerter Konzepte von nationaler Identität, wie sie speziell das 19. Jahrhundert entwickelt hat, könnte der Versuch, für das Spätmittelalter von der Vorstellung eines gleichsam pan-europäischen Instrumentariums abzurücken und stattdessen regionale oder sogar (proto-)nationale Tendenzen in den Bildquellen aufzuspüren, zunächst einmal das berechtigte Misstrauen auf den Plan rufen, hier würden viel spätere Vorstellungen unzulässigerweise auf eine frühere Epoche zurückprojiziert, zumal auf einen so „überirdischen“ Bildgegenstand wie die Engelsmusik. Doch selbst ein so umfassend anmutendes Engelskonzert wie jenes neununddreißigköpfige im „persönlichen Sanctissimum“[32] Kaiser Karls IV. auf Burg Karlstein bei Prag (vor 1363), das dem Universalismus gerade dieses Herrschers so wunderbar zu korrespondieren scheint, bietet Nischen für partikulare Erscheinungen wie gleich zwei besonders detaillierte Darstellungen einer Ala („bohemica“)[33] – im Kontext eines Zyklus von Wandmalereien zu Leben und Passion der beiden böhmischen Nationalheiligen Wenzel und Ludmilla, welche im Stiegenhaus des Großen Turms den Aufstieg zur Heilig-Kreuz-Kapelle flankieren.

     

     

    Anstelle der Karlsteiner Engelsmalereien sei im Folgenden kurz auf die ganzseitige Initialzierseite zum Matthäus-Evangelium in dem für Herzog Albrecht III. von Österreich angefertigten, 1368 vollendeten Evangeliar des Schreibers und Malers Johannes von Troppau eingegangen. Kalkuliert mutet hier insbesondere die im Buchstabenschaft des kapitalen „L“ vorgenommene Zusammenstellung mit drei zitherartigen Zupfinstrumenten im Wechsel mit zwei Streichchordophonen an: die Harfe mit zwei Resonatoren, eine ovale Fidel, das gegenüber dem regulären Psalterium in Trapezform um 90° gedrehte Harfenpsalterium, eine kleine Fidel mit eher hexagonalem Korpus sowie die Ala (von oben nach unten). Über jeden Zweifel erhaben ist die Spitzenstellung der Harfe mit zwei Resonatoren – allein ihr Spieler ist durch drei im Kontext der Ahnenreihe Christi (Liber generationis!) sinnvolle Reminiszenzen an die traditionelle Davids-Ikonographie (Thronmotiv, Krone und Stimmvorgang mit gut sichtbarem, metallisch blauem Stimmschlüssel (in T‑Form)) nobilitiert. Ihm korrespondiert am unteren Schaftende, gleichfalls thronend, jedoch ohne Kronreif, der Spieler einer Ala, dessen Instrument dadurch ein ähnlich starkes Gewicht zufallen dürfte.[34] Dies gilt erst recht im Lichte der künstlerischen Tätigkeit Johannes‘ von Troppau „in Prag im Umkreis des Hofes und der kaiserlichen Kanzlei“ und seiner Vertrautheit mit den Wandmalereien auf Burg Karlstein.[35] Als Pfarrer von Landskron unterstand er übrigens dem Bischof von Olmütz und Kanzler Karls IV., Johann von Neumarkt, in dessen Urkunden die einzige zeitnahe Begriffsprägung, welche den „Flügel“ als böhmisch deklariert („ala bohemica“), überliefert ist.[36] Wie und unter welchen Rahmenbedingungen derartige Sonderformen außerhalb Böhmens und seines unmittelbaren Einflussgebietes rezipiert wurden, gehört zu den großen ungeklärten, im Detail vielfach wohl überhaupt nicht mehr zu klärenden Fragestellungen an ein Musikleben in der Region Österreich. Dies gilt sowohl für die sozusagen „handwerkliche“ Ebene des Motivtransfers im Rahmen einer durch ausgesprochene Internationalisierung gekennzeichneten Kunstproduktion, als auch für ein womöglich bereits auftraggeberseitig vorauszusetzendes, nicht notwendigerweise an (proto-)nationale Kodierungen gebundenes, mit dem Reiz des Besonderen spielendes Visualisierungsbedürfnis.[37]

  • Kirchenmusik und „Reformikonographie“

    Im Lichte der hier beispielhaft beschriebenen Optionen einer Visualisierung von Engelsmusik in der Region Österreich – liturgische Rückkoppelung, Imagination des Unerhörten, ästhetisch oder auch hierarchisch bestimmte Inszenierung, (proto-)nationale Kodierungen von Musikinstrumenten in Engelshand – trägt die Marienkrönungstafel aus Maria am Gestade in Wien, Fragment des monumentalen Hochaltarretabels dieser Kirche aus der Zeit um 1460, durchaus Züge eines Kompromisses.[38] Der Faszination eines großen „Engelsorchesters“ und seiner Oberflächenreize, von denen einige teils vor, teils hinter der den Thronbaldachin flankierenden Balustrade ausgebreitet werden, können sich Künstler bzw. Auftraggeber nicht entziehen; aber mit den dezidiert kirchenmusikalischen Komponenten zu beiden Seiten der zentralen Marienkrönungsgruppe ergibt sich doch ein starker Gegenakzent: links eine vierköpfige Gruppe singender Engel, angeordnet vor einem großem hölzernen Pult mit aufliegendem Chorbuch, die an den Vortrag polyphoner Kunstmusik denken lässt;[39] rechts ein prächtiges Orgelpositiv, dessen Spieler im verlorenen Profil wiedergegeben ist, so dass der Blick des Betrachters auf eine zeitgemäße Tastatur mit angedeuteten schwarzen Obertasten fällt;[40] und schließlich vorne rechts eine weitere Gruppe dreier aus einem kleineren Buch (singender?) Engel.

     

     

    Ein derartiges Arrangement mutet wie eine implizite Antwort auf die „Fragwürdigkeit“ spätmittelalterlicher Engelskonzerte an (» Kap. Liturgische Bodenhaftung); es ist indes keine Besonderheit, die so erstmalig in Maria am Gestade Gestalt angenommen hätte.[41] Die „Repräsentation“ musizierender Engel gerät hier vielmehr zu einer „(Wieder‑)Vergegenwärtigung“ dessen, was drei Jahrzehnte zuvor die Gebrüder van Eyck an den beiden Engelstafeln des Genter Altares (vollendet 1432) unter „reformerischen“ Vorzeichen[42] geschaffen hatten: Auf dem linken inneren Seitenflügel (Festtagsseite, oberes Register) bekanntlich ein Kantoreibild avant‑la‑lettre, das hinsichtlich der physiognomischen Differenzierung sängerischer Individuen Maßstäbe setzt; auf dem rechten Flügel eine subtile Bildfindung, die prima vista ein „Engelskonzert“ zu suggerieren scheint, de facto aber nur den Engelsorganisten als aktiv musizierend wiedergibt (der Fingerstellung nach zu urteilen vermutlich ein Dreiklang F‑c‑a oder, weniger wahrscheinlich, C‑g‑e‘), Fidel und Harfe schweigen. Die beiden letztgenannten Instrumente werden zwar als kostbare Preziosen regelrecht inszeniert, aber über ein in den Bildrahmen eingelassenes Psalmzitat (Ps 150,4: „laudate eum in cordis et organo“) als Reminiszenzen einer fernen alttestamentarischen Vergangenheit – der davidischen Tempelmusik – ausgewiesen und gehören damit einer anderen Realitätsebene als die Repräsentanten „moderner“ Kirchenmusik zu Beginn der 1430er Jahre an.[43]

    Mit der produktiven künstlerischen Aneignung des Genter Altares und seiner kirchenmusikalischen Prärogative in Maria am Gestade ergibt sich eine weitere, wichtige Facette im Spektrum der „Repräsentationsleistungen“ spätmittelalterlicher Engelskonzerte; zugleich wird jenes für das Musikleben in der Region Österreich insgesamt in Anschlag zu bringende Koordinatensystem neben jenen bereits gewürdigten böhmischen oder auch italienischen Einflüssen um wesentliche Impulse aus dem frankoflämischen Raum bereichert.

[1] Bowles 1977, 106.

[2] Tammen 2000, 470 (mit Literatur).

[3] Auf Größendifferenzierung der beiden in verschiedenen Intervallen gestimmten kleinen Kesselpauken wurde offenbar besonderer Wert gelegt.

[4] Vgl. Tammen 2000, 52 (mit Literatur). Derartige Vorstellungen sind, neben Psalmenkommentaren, auch in der Erbauungsliteratur nachzuweisen; so begreift der Verfasser des Alten Passionals (4. Viertel 13. Jahrhundert) den Gekreuzigten als eine Harfe, auf der Gottvater so heftig „spielt“, dass schließlich die Saiten reißen (vgl. Bartels 1997, 86f.). Im Speculum humanae salvationis werden sogar die Kreuzesannagelung Christi und die Erfindung der Musik durch Jubal und seinen Halbbruder, den Schmied Tubalkain, in eine typologische Parallele zueinander gebracht (vgl. Tammen 2003a).

[5] Hierzu vgl. Tammen 2000, 70–73 in Auseinandersetzung mit Hammerstein 1962.

[6] Zu diesen Facetten des Repräsentationsbegriffs siehe Gruber/Mokre (i. Dr.), darin insbesondere die Beiträge von Michael Rössner und Werner Telesko. Zu mittelalterlichen Konzepten der repraesentatio vgl. Zimmermann 1971, der höfischen Repräsentation Ragotzky/Wenzel 1990.

[7] „Pictores quando beatorum gaudia designare volunt, angelos diversa instrumenta musica concrepantes depingunt. Quod ecclesia non permitteret nisi gaudia beatorum musica amplificari crederet.“ (Seay 1975, 168; Neuedition mit Kommentar und englischer Übersetzung bei Cullington/Strohm 1996, 69f.; vgl. auch Kirnbauer 2001 und Tammen 2007, 111–116).

[8] Seay 1975, 168.

[9] Lutz/Perdrizet 1907/1909, Bd. 1, Kap. 42, „De beatorum gaudia et eorum gloria“.

[10] „Gaudia beatorum tam multa sunt quod nequeunt numerari, / tam immensa et tam magna sunt quod nequeunt mensurari, / tam ineffabilia sunt quod nequeunt enarrari, / tam durabilia sunt quod nequeuntur terminari. / Gaudia que deus diligentibus se preparavit / oculus non vidit, aures non audiunt nec cor cogitat“ (Lutz/Perdrizet 1907/1909, Bd. 1, 86).

[11] „Ibi est omnis pulchritudo et amenitas obiecta visui, / ibi est omnis harmonia et melodia resonans auditum. / Ibi est omne delectamentum sufficiens olfactui, / ibi est omnis suavitas delicias prebens tactui. / Ibi est omnis dulcedo influens gustui…“ (Lutz/Perdrizet 1907/1909, Bd. 1, 86).

[12] „Ibi cithara David et musica Jubal essent absurditas“ (Lutz/Perdrizet 1907/1909, Bd. 1, 86).

[13] Ob in Abhängigkeit von einer entsprechenden älteren Vorlage böhmischer Provenienz konnte bis dato nicht geklärt werden, vgl. Roland (i. V.).

[14] Vgl. Kurfürst 1985; Rekonstruktionsversuch bei Goerge 2000 (unter irreführender Bezeichnung).

[15] Zu dieser Besonderheit vgl. Matoušek 1994, 209: „The practice of holding the psaltery upright was a practice indigenous to the Czech region.“ Siehe künftig auch Tammen (i. Dr.), Abschnitt V.2.

[16] Der Begriff dürfte auf Schneider 1931, 22–30 sowie Schering 1931, 11f. („Verschmelzung“ vs. „Zerspaltenheit“) zurückgehen.

[17] Zu diesen Möglichkeiten vgl. Bruderer Eichberg 1998.

[18] Zum Problem vgl. Tammen 2012.

[19] Das Zitat entstammt der im frühen 14. Jahrhundert im Kölner Domchor zum Fest Mariä Himmelfahrt gesungenen Antiphon Beata es virgo maria dei genitrix (D-KNd Cod. 263, fol. 129v/130r). (Tammen 2000, 44, Anm. 32).

[20] Grundlegend hierzu Hammerstein 1962 sowie Tammen 2000, Kap. 2.

[21] Zu Beispielen aus Minden, Werben und Northeim, die auf verlorene zentraleuropäische Vorbilder zurückgehen könnten, vgl. Tammen 2012.

[23] Thörl-Maglern-Greuth, Bezirk Villach-Land. Vgl. Zauner 1980; Tammen 2000, 469; Huber 2001, 95, Abb. 5.2 (Gesamtansicht) und 5.3 (Detail).

[24] Vgl. Tammen 2012, 19–21 (mit Abb. 4).

[25] Vgl. Trattner 1999; Kofler Engl 2007, 333f. In der älteren Literatur nach dem im Vordergrund knienden Zisterzienserabt auch als „Grussittafel“ bezeichnet.

[26] Zu dieser Möglichkeit vgl. Trattner 1999, 303.

[27] Dies gilt auch für den Reichtum an Details wie die Krönchen der musizierenden Engel, von denen zwei als Blattkränze ausgebildet sind, oder die souverän beherrschte Farbpalette, die Licht und Schatten der Thronarchitektur auf einer differenzierten Skala zwischen Hellrosa und Dunkelrot vermittelt.

[28] Vgl. Trattner 1999, 305 (in Hinblick auf die Farbregie).

[29] An Genauigkeit kann es der Künstler ohne weiteres mit entsprechenden Wiedergaben durch Meister Kuthner in der etwa zur selben Zeit in Prag für König Wenzel IV. angefertigten Prachtbibel aufnehmen; vgl. Tammen 2003b, 26f. (mit Abb. 10), 34 (mit Abb. 13), 36f. (mit Abb. 14) u. ä.

[30] Zum Platerspiel und seinen „rustic connections“ vgl. Brown 1980, 132. Das vor 1363 entstandene Karlsteiner Engelskonzert (vgl. Kap. Böhmische Sonderformen und ihre (proto‑)nationale Kodierung) bietet gleich zwei Wiedergaben dieses Instruments in unterschiedlichen Größen. Im Falle des ehemaligen Hochaltarretabels des Mindener Domes gehören beide Instrumente unterschiedlichen Hierarchiezonen an, vgl. Tammen 2012, 16f. (mit Abb. 2) und 26f. (mit Abb. 10).

[33] Vgl. Buchner 1967; Matoušek 1985, 61 (Abb. 3) und 64 (Abb. 4); Matoušek 1994, 207; Tammen 2000, 466. Zu organologischen und terminologischen Aspekten der Ala siehe Anm. 34 bzw. Anm. 36. – In einer gerade in den letzten Jahren schier überbordenden, hier nicht zu referierenden Literatur zu Kunst und Herrschaftsrepräsentation unter den Luxemburgern spielt dieser Engelszyklus erstaunlicherweise keine Rolle, was möglicherweise seiner vollständigen Erneuerung im 19. Jahrhundert geschuldet sein könnte. Pausen der vor Beginn der Restaurierungen (1897/99) vorgefundenen mittelalterlichen Reste der Malereien vermitteln gleichwohl eine sehr gute Vorstellung des ursprünglichen Zustands.

[34] Zur Ala, einem großen zitherartigen, durch zwei getrennte Saitensysteme (Darmsaiten für das tiefere, Metallsaiten für das höher Register) charakterisierten Zupfinstrument vgl. Kurfürst 1985; Matoušek 1985; Tammen 2000, 223f. und 280f.

[35] Vgl. Jenni 2004, 81.

[36] Tadra 1886, 103f. (Nr. 128); vgl. Matoušek 1985, 64, Anm. 7. Als Fachterminus hat sich „Ala“ (ohne adjektivischen Zusatz) etabliert.

[37] Vorläufige Überlegungen hierzu bietet Tammen (i. Dr.).

[38] Vgl. Perger/Ziegler 1988; Tammen 2007, 116–118 (mit Abb. 1).

[39] Vgl. Tammen 2014, 232–235.

[41] Durchaus spielerisch koexistieren beide Modi im berühmten Stundenbuch der Maria von Burgund (oder Margarethe von York?): Als Marginalillustrationen zu dem als „laus angelorum“ rubrizierten Gloria sind für die verso-Seite gleichsam die Realien der Kirchenmusik vorgesehen (zwei Engel mit Orgelportativ bzw. Rotulus mit angedeuteter mehrstimmiger Notation), für das gegenüberliegende recto hingegen ein Modus höfischer Imagination mit zwei auf Harfe und Laute musizierenden Engeln (» A-Wn Cod. 1857, fol. 37v bzw. 38r; hierzu vgl. Tammen 2006, 67 u. 82, mit Abb. 11). Eine Kenntnis des Genter Altares liegt bei dieser von führenden flämischen Meistern in den späten 1470er Jahren geschaffenen Zimelie durchaus im Rahmen des Möglichen, ist aber nicht zwingend vorauszusetzen.

[42] Von Schneider 1997 als „Vorschläge für eine Reform der Kirche“ (Untertitel) gedeutet. Der Reformbegriff lässt sich aber ohne Weiteres auch auf die Behandlung des Bildmotivs musizierender Engel übertragen; zu den „Tendenzen einer ‚Reformikonographie‘“ siehe bereits Tammen 2000, 328–333.

[43] Vgl. Seebass 1983, 30–33; Tammen 2014, 230–232.

 

Legner 1978 | Pochat 1990


Empfohlene Zitierweise:
Björn R. Tammen: „Engelsmusik in der Region Österreich, ihre Repräsentationsleistungen – und die Grenzen der musikalischen Ikonographie“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/engelsmusik-der-region-osterreich-ihre-reprasentationsleistungen> (2016).