You are here

Troparien und Cantionarien

Reinhard Strohm

Der Seckauer und der Innsbrucker Cantionarius sind die einzigen größeren Tropensammlungen des 14. Jahrhunderts, die in der Region Österreich erhalten sind. Cantionarien des 14. und 15. Jahrhunderts gibt es auch in der Schweiz, Bayern, Böhmen, Norddeutschland, den Niederlanden und Italien (» Abb. Troparien).

Abb. Troparien und Cantionarien

Troparien

Ordensherkunft: O.S.A. Augustiner-Chorherren; O.S.B. Benediktiner; O.E.S.A. Augustiner-Eremiten; O.Cist. Zisterzienser; O.F.M. Franziskaner bzw. Minoriten. Quellensignaturen nach RISM, abgekürzt. Der viel größere Umfang einiger Vergleichshandschriften (z.B. CH-EN 314 und CZ-VB Ms. 42) kommt daher, dass dort die Tropen mit regulären Mess- und Offiziumsgesängen vermischt sind, während Cod. 457/II auf Tropen konzentriert ist. D-Mu 2o 156 ist ein umfangreiches Graduale, doch sind die Tropen und Cantionen auf nur 15 Bll. separat zusammengestellt. Spätmittelalterliche Handschriften der ÖNB für die regulären Gesänge von Messe und Offizium sind katalogisiert in Klugseder 2014.

Einige davon, wie z.B. diejenigen in Engelberg und Prag, sind den Seckauer und Innsbrucker Cantionarien gut vergleichbar. Aus Salzburg oder Niederösterreich stammt ein fragmentarisches „Kantionale“ des frühen 14. Jahrhunderts (A-Wn Cod. S.n. 228).[5] Obwohl Cod. 457/II nicht in Tirol entstanden sein dürfte (» Kap. Positive Indizien), bezeugt er eine klösterliche Gesangskunst, die gewiss auch im westlichen Teil der Region Österreich gepflegt wurde.

Der Seckauer Cantionarius ist als zweiter Teil (ab fol. 179) einem „Liber ordinarius“ des Augustiner-Chorherrenstifts Seckau (Steiermark) angegliedert.[6] Während der Liber ordinarius die vorgeschriebenen Gesänge und Gebete verzeichnet, bietet der[Liber] cantionarius“ ein ad libitum zu verstehendes zusätzliches Gesangsrepertoire derselben Kirche an. Leider fehlt ein Liber ordinarius für Cod. 457/II (der erste Teil des Bandes ist eine Predigtsammlung): Hätten wir diesen, dann wäre die Frage nach der Herkunft des Innsbrucker Cantionarius wahrscheinlich gelöst.

[5] Klugseder 2011, 113-116 (mit Abb.).

[6] » A. Kap. Form und Funktion; Behrendt 2009.