Karfreitag
Nach alter Tradition findet am Karfreitag, einem strengen Fastentag, keine Messfeier statt. Stattdessen gibt es einen Wortgottesdienst mit der Johannespassion und den großen Fürbitten sowie die feierliche Kreuzverehrung, in deren Verlauf ein verhülltes Kreuz in einer Prozession herbeigebracht, enthüllt und verehrt wird. An einigen Orten (z. B. Regensburg, Moosburg) konnte während der Kreuzverehrung eine „Marienklage“ (Planctus Mariae) eingefügt werden „si placet“ – „wenn es gewünscht wird“[25], ein dialogartiger Gesang zwischen zwei Klerikern oder Chorknaben, welche Maria und Johannes darstellten. Der auffallende Ausdruck „si placet“ zeigt, dass der Planctus ursprünglich nicht zur Karfreitagsliturgie gehörte, sondern als spätere, jedoch wichtige Einfügung in die Liturgie zu sehen ist. In der Tat handelt es sich hier wie bei der visitatio um ein echtes liturgisches Spiel: Die „duo scolares“ kommen „sub typus Beate Virginis et Sancte Johannis“ und spielen eine vergangene Situation nach. Durch die Erwähnung in einem liturgischen Buch erhält der Planctus zudem einen offiziellen Charakter.
Große Marienklagen konnten auch außerhalb der Liturgie stattfinden. Die bekannteste findet sich in der Sammelhandschrift (Cantionale) » D-Mbs Cgm 716 vom 3. Drittel des 15. Jahrhunderts aus Tegernsee.[26] Diese sogenannte Münchener Marienklage ist die einzige, die durchgesungen ohne eingefügte Sprechabschnitte notiert ist und in welcher nur eine Person, nämlich Maria selbst, singt. In den anderen Quellen gibt es Dialoge zwischen Maria und Johannes, in sechs der deutschen Klagen auch eine Rolle für Christus.[27] Wann und wo diese Marienklage gesungen wurde ist allerdings unklar. Ein Element der offiziellen liturgischen Feier war sie jedenfalls nicht.
[25] D-Mbs Clm. 26947, Ordinarium aus Regensburg, 15.Jh. Siehe Lipphardt 1976, Nr. 684.
[26] Vgl. Engels 2014.
[27] Vgl. Taubert 1975, 616–617.
[1] Zu Aufbau und Inhalt der Handschrift siehe Praßl 1998.
[3] 1782 wurde das Stift aufgehoben und ist seit 1883 eine Benediktinerabtei.
[4] Ediert von Behrendt 2009. Der Codex ist aufgrund des angefügten Liber Cantionarius bekannt (» A. Gesänge zu Weihnachten).
[5] Zu dem Handschriftenbestand siehe Engels 2012.
[6] Das Stift St. Lambrecht war seit 1503 auch Besitzer der nahegelegenen Burg Stein („Steinschloss“), die im Mittelalter der Familie Liechtenstein gehörte (heute Ruine).
[7] Eine Statio ist eine „Station“, ein Haltepunkt bei einer Prozession, so wie heute noch bei den vier Altären an Fronleichnam.
[8] Vgl. Behrendt 2009, Bd. 1, 424–425, Bd. 2, 118.
[9] Das Wort „Mette“ hat nichts mit „Messe“ zu tun, sondern ist das deutsche Wort für „Matutin“. Zu Weihnachten sang man die Matutin vor der Mitternachtsmesse, was zu einer Gleichsetzung der ähnlich klingenden Wörter „Messe“ und „Mette“ geführt hat.
[10] Nach dem Salzburger Liber Ordinarius A-Su M II 6, fol. 61rb–62va; » Breviarium Salisburgense 1497, fol. 111vb-112ra; A-Gu Ms. 756, fol. 80va–81rb.
[11] Genauere Untersuchungen und weitere Beispiele finden sich bei Janota 1968 und Lipphardt 1961.
[12] Vgl. Behrendt 2009, Bd. 1, 427–428; Engels 2012; Knapp 1999, 386.
[13] Die Ordnung ist abgedruckt bei Janota 1968, 158.
[14] Lipphardt 1961, 99 vermutet Gelobet seist du, Christe.
[15] G 27. (Siehe B. Geistliche Lieder des Mönchs von Salzburg, Fußnote 1)
[16] G 24. (Siehe B. Geistliche Lieder des Mönchs von Salzburg, Fußnote 1)
[17] A-Wn Cod. 2856, fol. 224r.
[18] Z. B. in Innichen/San Candido im Liber Processionalis I-SCAcc Ms. VIII B 5 aus dem Jahre 1616.
[20] » Breviarium Salisburgense 1497: zweifach abwechselnd wie oben.
[21] A-Gu Cod. 756: Der Hymnus wurde vom Prälaten angestimmt.
[22] Dies ist der Moment in der Liturgie, bei welchem in der päpstlichen Kapelle in Rom seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Vertonung des Miserere von Gregorio Allegri erklang, die später von W. A. Mozart aus dem Gehör notiert werden sollte.
[23] In Seckau setzte der Populus mit den Kyrierufen fort.
[24] Die Bezeichnung „Mandatum“ rührt aus dem Johannesevangelium (Jo. 13,34) – „Mandatum novum do vobis“ (Ein neues Gebot gebe ich euch) – her. Der Text erklingt auch als Antiphon während der Fußwaschung.
[25] D-Mbs Clm. 26947, Ordinarium aus Regensburg, 15.Jh. Siehe Lipphardt 1976, Nr. 684.
[26] Vgl. Engels 2014.
[27] Vgl. Taubert 1975, 616–617.
[28] Schepher und weiser pist G 26. (Siehe » B. Geistliche Lieder des Mönchs von Salzburg, Fußnote 1)
[29] Ausführlicher bei Engels 2014.
[30] Vgl. Behrendt 2009, Bd. 2, 132.
[31] Vgl. Engels 1996.
[32] Vgl. Fischer 1972, 91.
[33] Vgl. zur Liturgie auch Engels 1993.
Empfohlene Zitierweise:
Engels, Stefan: „Osterfeier im Kloster“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich, <https://musical-life.net/essays/osterfeier-im-kloster> (2016).