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Karfreitag

Stefan Engels

Nach alter Tradition findet am Karfreitag, einem strengen Fastentag, keine Messfeier statt. Stattdessen gibt es einen Wortgottesdienst mit der Johannespassion und den großen Fürbitten sowie die feierliche Kreuzverehrung, in deren Verlauf ein verhülltes Kreuz in einer Prozession herbeigebracht, enthüllt und verehrt wird.  An einigen Orten (z. B. Regensburg, Moosburg) konnte während der Kreuzverehrung eine „Marienklage“ (Planctus Mariae) eingefügt werden „si placet“ – „wenn es gewünscht wird“[25], ein dialogartiger Gesang zwischen zwei Klerikern oder Chorknaben, welche Maria und Johannes darstellten. Der auffallende Ausdruck „si placet“ zeigt, dass der Planctus ursprünglich nicht zur Karfreitagsliturgie gehörte, sondern als spätere, jedoch wichtige Einfügung in die Liturgie zu sehen ist. In der Tat handelt es sich hier wie bei der visitatio um ein echtes liturgisches Spiel: Die „duo scolares“ kommen „sub typus Beate Virginis et Sancte Johannis“ und spielen eine vergangene Situation nach. Durch die Erwähnung in einem liturgischen Buch erhält der Planctus zudem einen offiziellen Charakter.

Große Marienklagen konnten auch außerhalb der Liturgie stattfinden. Die bekannteste findet sich in der Sammelhandschrift (Cantionale) » D-Mbs Cgm 716 vom 3. Drittel des 15. Jahrhunderts aus Tegernsee.[26] Diese sogenannte Münchener Marienklage ist die einzige, die durchgesungen ohne eingefügte Sprechabschnitte notiert ist und in welcher nur eine Person, nämlich Maria selbst, singt. In den anderen Quellen gibt es Dialoge zwischen Maria und Johannes, in sechs der deutschen Klagen auch eine Rolle für Christus.[27] Wann und wo diese Marienklage gesungen wurde ist allerdings unklar. Ein Element der offiziellen liturgischen Feier war sie jedenfalls nicht.

[25] D-Mbs Clm. 26947, Ordinarium aus Regensburg, 15.Jh. Siehe Lipphardt 1976, Nr. 684.

[26] Vgl. Engels 2014.

[27] Vgl. Taubert 1975, 616–617.