Sie sind hier

Die Prozessionen

Stefan Engels

Eine liturgische Feier im Mittelalter bestand im Wesentlichen aus einer Absolvierung von vorgeschriebenen Riten, von denen nicht abgewichen werden durfte. In Kloster- und Kathedralkirchen war der Chorraum vom übrigen Kirchenraum durch einen Lettner, eine Chorschranke aus Holz oder Stein, ähnlich der Ikonostase einer byzantinischen Kirche, abgetrennt. Die Laien feierten ihre Gottesdienste vor dem Lettner an einem eigenen Altar, dem sogenannten Kreuzaltar. Freiräume für die liturgische Gestaltung und eine Teilnahme der Laien ergaben sich bei Prozessionen, wenn der Klerus den Chorraum verließ. Ihr Ritus wurde erst durch Kodifizierung und Normierung ab dem 12. Jh. in Ritualia, Antiphonalia, Brevieren und natürlich auch in eigenen Processionalia selbst wieder zur liturgischen Norm. Sie sind dadurch integrierter Teil einer Liturgie geworden und lassen sich von dieser nicht mehr trennen. Der Ritus der Karwoche wird von solchen Prozessionen mit Beteiligung der Laien („populus“ – das Volk) charakterisiert, die je nach örtlichen Gegebenheiten und Traditionen abgewandelt werden können.