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Mitglied der Florentiner piffari

Markus Grassl

1489 wechselte Schubinger nach Florenz und damit in eines der damals führenden Zentren auch auf dem Gebiet instrumentalen Musizierens.[21] Die tragende Rolle in der florentinischen Instrumentalmusikpflege spielten neben zwei Trompetergruppen die piffari, ein Ensemble vom Typus der alta capella, das zunächst aus drei, seit 1443 aus vier Musikern – drei Spielern von Schalmei bzw. Pommer sowie einem Posaunisten – bestand.

 

Schubinger wurde 1489 als Nachfolger des kurz zuvor verstorbenen Posaunisten Johannes di Johannes d’Alamania angestellt[22] und bekleidete damit eine nicht nur prestigeträchtige, sondern auch ökonomisch attraktive Position: Neben einem komfortablen Grundgehalt samt diverser Zusatzleistungen wurde den Florentiner piffari die Aussicht auf eine Altersversorgung und die Möglichkeit zu Zusatzeinnahmen durch private Engagements insbesondere seitens Angehörigen des Florentiner Adels geboten.[23]

Die Bläser-Alta in der Kombination von Schalmeien bzw. Pommern und einem Blechblasinstrument mit Zugmechanismus hatte sich um 1450 zu einem in weiten Teilen Europas etablierten Standardensemble entwickelt, das von zahlreichen Städten und Fürsten in Burgund, im deutschsprachigen Raum und in Italien unterhalten wurde.[24] Die starke Verbreitung dieses Ensembletyps und der mit ihm verbundenen Spielpraktiken und Repertoires ging mit einer verstärkten transregionalen Mobilität von Alta capella-Spielern einher. Dabei bestimmte vor allem ein Phänomen die instrumentalmusikalische Szene des 15. Jahrhunderts: die massive Präsenz „deutscher“ Instrumentalisten in Italien. Seit der Jahrhundertmitte spielten die in den Bläserensembles von italienischen Städten und Höfen zahlreich vertretenen Musiker aus „Alemania“[25] in ihrem Metier die führende Rolle (die in der Literatur mitunter mit der Hegemonie der franko-flämischen Sänger-Komponisten auf dem Gebiet der Vokalpolyphonie verglichen wurde).[26] Augustin Schubinger, seine Brüder Michel, der von 1479 bis 1519/20 als piffero am Hof in Ferrara wirkte,[27] Ulrich der Jüngere, der seit 1502 bis 1519 bei den Gonzaga in Mantua beschäftigt war,[28] und Anthon, der zwischen 1506 und 1511 ebenfalls den d’Este in Ferrara diente,[29] repräsentieren insofern also einen generellen Zustand, wenngleich auf besonders prononcierte Weise.

Der Trend zur Rekrutierung von deutschen Musikern lässt sich dank einer günstigen Quellenlage gerade für Florenz deutlich nachzeichnen. Bereits 1399 wurde hier ein „Niccolao Niccolai Teotonico“ verpflichtet; 1443 bestand das in diesem Jahr auf vier Spieler aufgestockte piffaro-Ensemble zur Gänze aus Instrumentalisten aus dem deutschsprachigen Raum (und zwar aus Basel, Konstanz, Augsburg und Köln); im selben Jahr wurde zudem von der Signoria verfügt, dass künftig nur mehr „forenses et alienigeni“ als piffari berufen werden sollten, womit wohl Personen von nördlich der Alpen gemeint waren.[30] Zwar wurde dieser Bestimmung in weiterer Folge nicht lückenlos Rechnung getragen, aber die Posaunisten der Florentiner Bläser-Alta stammten bis Ende des 15. Jahrhunderts tatsächlich immer aus dem deutschen Sprachgebiet.

[21] Vgl. zur mittlerweile gut erschlossenen Instrumentalmusik im Florenz des 15. Jahrhunderts: Zippel 1892; Polk 1986; McGee 1999; McGee 2000; Polk 2000; McGee 2005; McGee 2008.

[22] McGee 2008, 185–186, 202.

[23] Mc Gee 1999, 730–731; McGee 2000, 212–213.

[24] Vgl. an allgemeiner Literatur zur Alta: Polk 1975; Welker 1983; Polk 1992a, 60–70, der damit rechnet, dass auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reichs etwa 100 Städte und 150 Fürsten eine Alta beschäftigten (68); Tröster 2001; Neumeier 2015, insb. S. 46–54. Zur Praxis in der Region Österreich vgl. » E. Kap. Repräsentation und Unterhaltung; » I. Kap. Musica, Schalmeyen.

[25] Die genaue Herkunft der aus „Alemania“ zugezogenen Musiker ist vielfach nicht feststellbar. Dem zeitgenössischen italienischen Sprachgebrauch entsprechend ist unter „Alemania“ das gesamte Gebiet des Heiligen Römischen Reichs unter Einschluss von Regionen wie Flandern oder dem Elsass zu verstehen. Siehe Böninger 2006, 9–10.

[26] Vgl. dazu besonders Polk 1994a.

[27] Lockwood 1984, 321–326; Lockwood 1985, 110 und 112, der zudem einen Sohn von Michel namens Alberto (Albrecht) eruiert hat, welcher 1510/11 und 1517–1520 als piffero am Hof von Ferrara belegt ist.

[28] Ulrich ist das letzte Mal im Oktober 1519 in Mantua nachweisbar; siehe Prizer 1981, 160. Entgegen der Mutmaßung, er könnte bis 1522 in Mantua geblieben sein (Polk 1989a, 502; Filocamo 2009, 235, Anm. 17), ist festzuhalten, dass Ulrich bereits im Dezember 1519 von Erzbischof Matthäus Lang in Salzburg angestellt wurde; siehe den Text der Dienstvereinbarung („Abred“) bei Hintermaier 1993, 38; siehe zuvor schon den Hinweis bei Senn 1954, 21.

[29] Lockwood 1984, 190.

[30] McGee 1999, 732; McGee 2008, 162–163.