You are here

Die Schubingers aus Augsburg

Markus Grassl

Wie viele professionelle Instrumentalisten seit dem 15. Jahrhundert stammt Augustin Schubinger aus einer Familie, in der dieser Beruf von einer Reihe von Angehörigen über mehrere Generationen ausgeübt wurde.[3] Das erste bekannte Mitglied der ‚Bläserdynastie‘ Schubinger war Ulrich (der Ältere), Augustins Vater. Bereits Ulrichs Karriere ist typisch für den sozialen und ökonomischen Aufstieg, der Instrumentalisten während des 15. Jahrhunderts durch die Bindung an städtische und höfische Institutionen möglich wurde. Ulrich Schubinger wirkte seit 1457 als Stadtpfeifer in Augsburg; er wird in den Augsburger Rechnungsbüchern, den so genannten Baumeisterbüchern, regelmäßig als „Ulrich von Landsberg“ bezeichnet,[4] dürfte also aus dem nur 40 km entfernten Landsberg am Lech zugewandert sein. Damit gehörte er jenem zunächst aus drei, ab spätestens 1447 aus vier Musikern bestehenden[5] Bläserensemble an, das die im Spätmittelalter kulturell und wirtschaftlich aufblühende Reichstadt Augsburg wie zahlreiche Kommunen des süddeutschen Raums seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert als offiziellen Träger des städtischen Musiklebens unterhielt.[6]

 

1471 ist Ulrich in Innsbruck am Hof Herzog Sigismund des Münzreichen nachweisbar,[7] ehe er spätestens 1477 in seine Augsburger Stellung zurückkehrte, in der er bis zu seinem Tod 1491/92 verblieb. Sein Ansehen und seinen Wohlstand belegen die aus den 1470er und 1480er Jahren erhaltenen Augsburger Steuerverzeichnisse, aus denen hervorgeht, dass „Meister“ Ulrich so wie andere seiner Stadtpfeiferkollegen zu den obersten 10–15% der Augsburger Steuerzahler gehörten.[8]

Auch Ulrichs Söhnen – neben Augustin waren dies Michel (ca. 1450 – ca. 1520), Ulrich der Jüngere (ca. 1465 – ca. 1535) und Anthon (ca. 1470 – nach 1511) – gelangen erfolgreiche, in Anstellungen bei Fürsten des römisch-deutschen Reichs und in oberitalienischen Stadtstaaten gipfelnde Karrieren.[9] Deren Anfang lag freilich in Augsburg, wo die Brüder Schubinger, wie zu vermuten steht, von ihrem Vater ausgebildet wurden und zunächst ebenfalls in städtische Dienste eintraten. Michel wurde 1472 Stadtpfeifer,[10] möglicherweise in Vertretung seines Vaters, der von diesem Jahr an bis 1476 nicht in Augsburg nachweisbar ist, wahrscheinlich also andernorts beschäftigt war.[11] Nach Augsburg zurückgekehrt, erhält Ulrich der Ältere 1477 eine Zahlung für „seine Sun für ain claid“ (für seine Söhne für ein Kleid).[12] Wie Keith Polk plausibel gemacht hat, verließ Michel noch in diesem Jahr die Stadt (um anscheinend für Maximilian I. tätig zu werden).[13] Seinen Posten dürfte der nächstälteste „Sun“, also Augustin, übernommen haben. Jedenfalls scheint Augustin dann ab 1481 regelmäßig als städtischer Bläser in den Augsburger Quellen auf und verblieb – von einem kurzen Zwischenaufenthalt am Hof des Markgrafen von Brandenburg 1484/85 abgesehen[14] – bis 1487 in dieser Stellung.[15] 1482 wurde auch der dritte der Schubinger-Brüder, Ulrich der Jüngere, als Stadtpfeifer installiert. Damit waren ab diesem Zeitpunkt drei der vier Augsburger Bläser für mehrere Jahre Schubingers – eine insofern nicht völlig ungewöhnliche Konstellation, als sich in höfischen und städtischen Instrumentalensembles des 15. und 16. Jahrhunderts immer wieder Mitglieder einer Familie ‚ballten‘.[16]

[3] Erste nähere Erkenntnisse zu den Biographien der Mitglieder der Familie Schubinger sind vor allem Keith Polk zu verdanken. Siehe insb. Polk 1989a (mit zahlreichen Quellennachweisen); Polk 1989b.

[4] Siehe u. a. D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 55 (1457), fol. 112v (https://lod.academy/bmb/id/bmb-bm-03uw/1), Bd. 56 (1458), fol. 120v (https://lod.academy/bmb/id/bmb-bm-0436/1), Bd. 57 (1459), fol. 122v (https://lod.academy/bmb/id/bmb-bm-04cw/1).

[5] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 45 (1447), fol. 82r–82v (https://lod.academy/bmb/id/bmb-bm-06yu/1); vgl. auch Polk 1992a, 237.

[6] Vgl. allgemein zur Institution städtischer Bläserensembles im spätmittelalterlichen Deutschland Polk 1987; Polk 1992a, 108–114; Green 2005; Green 2011; Neumeier 2015, 143–172; speziell zu Augsburg Green 2012. Diese Untersuchungen werden hier in » E. Musiker in der Stadt auf Städte der Region Österreich erweitert.

[7] Senn 1954, 7.

[8] Polk 1989a, 498, Anm. 1; Polk 1989b, 90, Anm. 6; Polk 1987, 179.

[9] Außerdem verzeichnen die Augsburger Rechnungsbücher 1521 einen im Dienst von Kardinal Matthäus Lang stehenden Trompeter namens Jörg Schubinger; D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 115 (1521), fol. 32v („Item i guldin Jorigen Schubinger des Bischoffs von Saltzburg trumetter“), siehe Birkendorf 1994, Bd. 3, S. 247. Weiteres, insbesondere das verwandtschaftliche Verhältnis zu den anderen Schubingers, ist über diesen Musiker derzeit nicht bekannt.

[10] Zuvor ist er 1471 in Innsbruck zusammen mit seinem Vater belegt. Siehe Senn 1954, 21.

[11] Polk 1989a, 495, vermutet mit Blick auf die späteren Karrieren seiner Söhne einen Aufenthalt in Italien, der dokumentarisch jedoch nicht belegt ist.

[12] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 70 (1477), fol. 92v.

[13] Green 2005, 22–23.

[14] D-Asa Ratsbücher, Bd. 10 (1482–1484), fol. 124r; siehe Green 2005, 23.

[15] Bei den Einträgen in den Augsburger Rechnungsbüchern, die Schubinger als Stadtpfeifer verzeichnen, handelt es sich um: D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 74 (1481), fol. 64v; Bd. 75 (1482), fol. 62v; Bd. 76 (1483), fol. 53v; Bd. 77 (1484), fol. 60r; Bd. 78 (1485) fol. 52v; Ratsprotokolle Bd. 10 (1484), fol. 124r; Baumeisterbücher, Bd. 79 (1486), fol. 62r; Bd. 80 (1487), fol. 65r. (Die Rechnungsbücher der Jahre 1478 bis 1481 sind nicht erhalten).

[16] Beispielsweise gehörten dem Trompeterkorps Maximilians I. am Ende von dessen Herrschaft Ludwig (Lutz) Mayer (Mair) und dessen Söhne Georg (Jurig) und Christoph an. Siehe das Hofstaatsverzeichnis von 1519 in Fellner/Kretschmayr 1907, 141, sowie Senn 1954, 20 und 22; Wessely 1956, 104–106. Zu Wiener Musikerfamilien » E. Instrumentalisten und ihre Kunden. Vgl. etwa auch die detaillierte Rekonstruktion der familiären Beziehungen innerhalb der städtischen Instrumentalensembles von Florenz bei McGee 1999, 732–736.