„Musica Rigal vnd possetif“: Tasteninstrumente
Der dritte Musikerwagen des Triumphzugs mit dem Titel „Musica Rigal vnd possetif“ (» Abb. Triumphzug Regal) zeigt nur einen einzigen Musiker: Paul Hofhaimer (1459–1537; » C. Orgeln und Orgelmusik; » I. Hofhaimer) – und als sehr realistisches Detail einen Kalkanten, der die Blasebälge des Orgelpositivs bedient und ohne den jede Orgel bis zur Erfindung der mit einem Elektromotor angetriebenen Luftversorgung stumm bleiben musste. Hinter Hofhaimer sind weitere, in Transportkästen versteckte Tasteninstrumente zu sehen (laut dem Text soll eines ein Regal darstellen, das andere könnte ein Clavicytherium sein – ein Tasteninstrument mit aufrechten Saiten und einer Zupfmechanik wie beim Cembalo). Hofhaimer war seit jungen Jahren den Habsburgern als Organist verbunden, ab 1490 in Diensten Maximilians und sehr oft mit ihm auf Reisen; berühmt ist seine Klage, wie „ayn zigeyner“ umherziehen zu müssen (see » I. SL Life as an Emperor’s musician).[26] Schon aus diesem Grunde waren transportable Tasteninstrumente notwendig, Hofhaimer spielte aber auch auf großen Kirchenorgeln (» Orgel). Im Auftrag Maximilians beaufsichtigte er auch den Bau von großen Orgelwerken, wie etwa in Innsbruck und Salzburg.[27] All diese Tasteninstrumente hatten aber nicht nur eine praktisch-musikalische Funktion, sondern trugen ebenso wie die darauf in seinem Namen spielenden Musiker zu dem Ansehen Maximilians bei. Das zeigt sich beispielsweise im Bericht der Gesandten aus Worms vom Reichstag in Köln 1505, die den Kirchgang Maximilians „mit sengern busunern pfyffern und orgeln und sunderdemselben mit aynem nüwen instrument der music uns gantz frembd kummen, auch demselben keynen nammen gebben“ (mit Sängern, Posaunisten, Pfeifern und Orgel und auch mit einem neuen Musikinstrument, das uns unbekannt war und für das wir keinen Namen kennen) schildern.[28] Es folgt die verwunderte Beschreibung eines Regals mit stark verkürztem Resonanzkörper und Zungenpfeifen, die im Instrumentenkorpus verborgen sind, – und welches so scheinbar ohne Pfeifen spielt. Das Aufsehen, das solche „nüwen instrument“ sowie die darauf spielenden Instrumentalkünstler erregten, gibt exemplarisch auch der Bericht über die Feierlichkeiten der sogenannten Doppelhochzeit 1515 in Wien (» D. Royal Entry) Ausdruck:
„Hat der bischof von Wienn vnd kay. Ma. Capelln mit allerlay seitenspiln das hochambt gesungen / darunter vil newe vnd kunstliche saitenspil die man vor iar nit gehabt als das man Regal nennet vnd das ain Munch an alle pfeiffen erfunden / vnd aines das vogelgesang representiert / welche dan maister Paul organist der künstlichest in allen landen geschlagen hat.“[29]
(Der Bischof von Wien hat mit der kaiserlichen Kapelle mit verschiedenen Instrumenten das Hochamt zelebriert, darunter gab es viele neue und kunstvolle Instrumente (‘saitenspil’), die es früher noch nicht gab, wie das so genannte Regal ohne jede Orgelpfeifen, das ein Mönch erfunden hat, und ein anderes, das den Vogelsang imitiert, welche der Organist Meister Paul in allen Landen vorgespielt hat.)
Ganz ähnlich ist auch der berühmte Holzschnitt von Hans Weiditz zu verstehen, der Kaiser Maximilian, die Messe hörend zeigt (» Abb. Kaiser Maximilians Kapelle). Hier sitzt, den kaiserlichen Sängern gegenüber, Hofhaimer an einem aufsehenerregenden Orgelinstrument, dem sogenannten „Apfelregal“. Der kuriose Name geht auf das Aussehen der Pfeifen zurück, „dass es wie ein Apfell vffm Stiel stehet“, d.h. über den kurzen Zungenpfeifen (der „Stiel“) steht ein runder Resonanzkörper (der „Apfel“).[30] Die eigentlich recht lauten Regale klingen dadurch weicher und auch leiser – und sehen aufsehenerregend aus.
[26] Vgl. Brief von Paul Hofhaimer an Joachim Vadian am 14. Mai 1524; Moser 1966, 56.
[29] Nowak 1932, 84.
[30] Praetorius 1619, 148.
[1] Zum Triumphzug, seinen unterschiedlichen Versionen und der komplexen Entstehungsgeschichte informiert Appuhn 1979 und Michel/Sternath 2012; zur Bedeutung für Maximilian Müller 1982; zum Verhältnis zwischen Abbildung und Realität Polk 1992; das Zitat stammt aus der frühesten erhaltenen Formulierung des ikonographischen Programms des Triumphzugs 1512 in » A-Wn Cod. 2835, fol. 3v.
[2] Koczirz 1930/31, 531 f.
[4] Nedden 1932/33, 27 (Zitat aus den Augsburger Baumeisterbüchern von 1491, den Kassenbüchern des Rats über Ein- und Ausgaben).
[5] Vgl. Simonsfeld 1895, 267 f.
[6] Vgl. Strohm 2009, 98.
[7] Zitiert nach Waldner 1897/98, 2.
[8] Treitzsaurwein 1775, 78.
[9] Vgl. Schwindt 2012.
[10] Sie erhält im Juni 1520 bei der Auflösung der Hofkapelle nach dem Tode von Maximilian die hohe Summe von 50 Gulden „zu Irer vnderhaltung vnd Zerung“; Koczirz 1930/31, 535.
[11] Wie beispielsweise „Hannsen pfeiffer vnnd matheusen Trumelschlacher“, die 1491 ausdrücklich für ihre Dienste „bei Tanz“ an der Fasnacht bezahlt werden; Waldner, 1897/98, 52.
[12] Appuhn 1979, 172 f.
[13] Für eine Zusammenstellung der musikrelevanten Abbildungen siehe Henning 1987, 69–94
[15] Vgl. Gombosi 1932/33; Heinzer 1999, 92 ff.
[17] Vgl. Kirnbauer 2005.
[18] Vgl. Kirnbauer 2003, 243–248 (dort auch zum Folgenden).
[20] Laut Zahlungen in den Augsburger (D-As) Baumeisterbüchern Nr. 103 (1509), fol. 24v, und Nr. 104 (1510), fol. 28; freundliche Mitteilung von Keith Polk.
[21] Vgl. Jahn 1925, 10 ff., und Kirnbauer 2000, 25 ff.
[22] Kirnbauer 1992, 131.
[23] Nedden 1932/33, 31.
[24] Vgl. Polk 1989a; Polk 1989b.
[25] Hintermaier 1993, 38.
[26] Vgl. Brief von Paul Hofhaimer an Joachim Vadian am 14. Mai 1524; Moser 1966, 56.
[29] Nowak 1932, 84.
[30] Praetorius 1619, 148.
[31] So der Wortlaut in der Formulierung des ikonographischen Programms in » A-Wn Ms. 2835, fol. 8v.
[32] Vgl. Welker 1992, 189–194.
[33] Aich 1515, Titelblatt des Tenor-Stimmbuchs; zur Datierung siehe Schwindt 2008, 117 ff.
[34] Vgl. Bernoulli/Moser 1930, v–vii.
[35] Vgl. Brinzing 1998, 137–154; Filocamo 2009.
[37] » A-Wn, Mus. Hs. 41950; Faksimile und Beschreibung in Kirnbauer 2003. Lautentabulaturen der nächsten Generation aus dem süddeutschen Sprachraum beschreibt » H. Lautenisten und Lautenspiel (Kateryna Schöning).
[38] Gerle 1533, fol. IIv.
[39] Vgl. Moser 1966, 26 und 182, Fußnote 35.
[40] Vgl. Moser 1966, 137–140; Radulescu 1978, 66 f.; siehe auch » C. Orgeln und Orgelmusik.
Empfohlene Zitierweise:
Martin Kirnbauer: “Instrumentalkünstler am Hof Maximilians I.”, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/instrumentalkunstler-am-hof-maximilians-i> (2016).