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Bücher und Bildung

Susana Zapke

Das Buch fungierte ebenso als Repräsentationsobjekt der gelehrten Eliten und lieferte ein zentrales Motiv im ikonographischen Konzept zahlreicher Grabmäler der Wiener Universitätsprofessoren, wie etwa jener von Konrad Celtis (» I. Odengesang) und Johannes Cuspinian im Stephansdom, die beide mit Büchern dargestellt sind (» Abb. Celtis-Grabmal). Die Tradition der Gelehrtendenkmäler ist aus den ältesten Universitätsstädten wie etwa Paris und Bologna bereits seit dem 13. Jahrhundert bekannt.[6]

 

Abb. Celtis-Grabmal

Abb. Celtis-Grabmal

Das Celtis-Grabmal am Stephansdom.
Inschrift: „CON.CELTI.PROTUCIO.POE:OSTROFRANCO EX TESTAM:PIE POSITVM“ (Für Conradus Celtis Protucius, dem Poeten aus Ostfranken, fromm gesetzt nach seinem Testament.)
(Quelle: Zapke, Urbane Musik)

 

Die geistlichen und intellektuellen Zentren Wiens – mit St. Stephan und dem Collegium Ducale als neuralgischen Transferpunkten intellektueller Kreise – stellten ein dichtes interaktives Netzwerk sowohl innerhalb – intra muros – als auch außerhalb – extra muros – der Stadt und verweisen somit auf eine komplexe geistige Kommunikationsarchitektur.[7] Bildung und Glaube waren dabei die Grundpfeiler einer kanonischen Praxis, wobei hier Bildung als Wissensaneignung und -vermittlung innerhalb eines primär theologisch geprägten Erkenntnisbegriffs zu verstehen ist. Die Kategorien Bildung und Glaube sind somit definitorisch gekoppelt zu verstehen. Das Profil der Büchersammlungen ist entsprechend artikuliert. Die Tatsache, dass der Bildungskanon maßgeblich von der geistlichen Körperschaft, identisch mit der universitären Körperschaft, bestimmt war, lässt sich am Profil der Bücherbestände ablesen. Die geistige Stadt baut auf das dichte Gewebe einer geistlichen Infrastruktur auf. Hier fungieren die Bücher zugleich als Generatoren und als Repräsentanten einer urbanen Gelehrtenwirklichkeit. Jedes Buch tritt in Verbindung mit einem spezifischen urbanen Raum und verweist zugleich auf ein übergeordnetes intellektuelles System, das über die materiellen Grenzen der Stadt hinausreichte.

Für die Vermehrung von Büchersammlern und -sammlungen ist schließlich die spätmittelalterliche Wende im „Personal“ der Bücherwelt – wie es Blumenberg definiert – bezeichnend. Eine Wende, die sich im Übergang vom Monopol der Mönche und Kleriker zu den Stadtbürgern, den illiteraten Laien und den bürgerlichen Literaten abspielt. Diese für das 15. Jahrhundert bezeichnende sozio-intellektuelle Wende lässt sich an den Bücherbeständen Wiens deutlich ablesen.[8]

[6] Grandi 1982Gerstenberg 1941.

[7] Zapke 2016.

[8] Simader ab 2007. Zur soziologischen Untersuchung der städtischen Gelehrtenkulturen (gens de savoir) und des Wissens als Herrschaftsinstrument siehe Kintzinger 2003.