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Andreas von Weitra

Susana Zapke

Aus Weitra stammte auch der Universitätsstudent und spätere Dekan der Artisten- und der Theologischen Fakultät, sowie Kanoniker von St. Stephan, Andreas von Weitra, dessen umfassende Büchersammlung dem Collegium ducale vermacht wurde. Auf fol. 232r ist folgender 1432 datierter Vermerk zu lesen: „Hunc librum cum quiusdam aliis insignibus voluminibus numero 17 liberali ac magnifica donacione inter vivos donavit ad librariam collegii ducalis Wienne venerabilis et eximius pater, magister Andreas de Weytra“ (Dieses Buch, zusammen mit einigen anderen bedeutenden Bänden, 17 an der Zahl, schenkte in einer großzügigen und großartigen Donation zu Lebzeiten der Bibliothek des Collegium ducale zu Wien der ehrwürdige und berühmte Pater, Magister Andreas von Weitra). In den mit der Wiener Universität eng verknüpften Stiften von Seitenstetten (A-SEI Cod. 261, A-SEI Cod. 223, A-SEI Cod. 221) und Göttweig sind weitere Exemplare aus seinem Besitz identifiziert worden. Zusätzliche Exemplare übergab er der Rosenburse (u. a. A-Wn Cod. 4042, A-Wn Cod. 4241, A-Wn Cod. 4487).[49] Die Bibliothek von Andreas von Weitra umfasste demnach mehr als die 17 Exemplare, die er dem Collegium ducale überließ. Eines davon liegt im Pfarrarchiv von Weitra und stellt für die Musikgeschichte Wiens eine äußerst interessante Verbindung dar. Das Fragment eines compendium de virtutibus et vitiis (A-WEI Cod. 1/7) trägt einen Koperteinband (ein flexibler Bucheinband aus Pergament), der aus zwei musik-liturgischen Fragmenten aus dem 12. und 15. Jahrhundert besteht. Das polyphone Fragment des 15. Jahrhunderts (ca. 1440) enthält zwei Unikate: den Hymnus Urbs Beata Iherusalem und ein Kyrie von Guillaume Du Fay.[50]

Die Tatsache, dass Andreas von Weitra eine zentrale Funktion an der Wiener Universität ausübte und später zum Kanoniker von St. Stephan erwählt wurde, ermöglicht die Verortung des Compendiums zwischen beiden Institutionen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass das Compendium von der Hand Andreas‘ von Weitra stammte.[51] Das Fragment stellt den einzigen musikalischen Beleg – nur als Makulatur – in der umfassenden Bibliothek von Andreas von Weitra dar, jedoch bietet es einen essentiellen Hinweis auf ein einzigartiges Testimonium der polyphonen Praxis aus dem Wiener Umfeld des 15. Jahrhunderts.

[49] Vgl. Simader ab 2007.

[50] Die erste Erwähnung des Fragments (mit Faksimile einer Seite) findet sich in Lackner 2000, 260 f. Beschreibung und Faksimile beider Seiten in Zapke/Wright 2015.

[51] Eine vergleichende Untersuchung der Dekanatsakten seiner Amtsperiode – 1426, 1430, 1441, 1443, 1452 ­–  ist zwar noch ausständig, könnte aber mehr Licht in diesen Zusammenhang bringen. Vgl. auch Prosopographie, Andreas von Weytra in: www.susanazapke.com [27.05.2016].