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Nachtwächter und Ausrufer

Reinhard Strohm

Aus dem Jahre 1503 existiert eine ausführliche Dienstordnung für die “Schray” (Schreie) der Stadt Salzburg: Sie regelte die Nachtwache durch acht festangestellte Wächter, deren jeder 7 fl. (rheinische Gulden) im Jahr verdiente. Diese Ordnung ist wertvoll durch die genaue Ortsangabe der Häuser, Tore und Straßen, wo die Wächter jeweils zu zweit die Uhrzeit und Feuerwarnung ausriefen (» E. SL Dienstregelung der Salzburger Nachtwächter, 1503).

Auch in Wien waren gewiss städtische Wächter zu Fuß beschäftigt, doch ist über deren regulären Dienst wenig bekannt. Zahlreicher sind die Belege über öffentliche Ausrufer, die vor allem bei besonderen Gelegenheiten und zur polizeilichen Sicherung eingesetzt wurden. Die Texte ihrer öffentlichen Ankündigungen in Wien, die im Copey-Buch der gemainen Stat Wienn, 1454–1464  niedergelegt wurden, sind überwiegend politisch-diplomatische Mitteilungen an die Bevölkerung, öfters auch Warnungen und Verbote zu besonderen Anlässen. Gemäß einer Verordnung von 1453 wirkten sie mit dem Hornwerk von St. Stephan sozusagen im Tandem: Der Ausrufer sollte allen Einwohnern mitteilen, dass nachts nach dem “hornplosen” (Hornblasen) keiner mehr bewaffnet auf die Straße gehen dürfe. Dazu rief er folgenden Text aus:

“Es gebietet unser gnädigster Herr Lasslaw, zu Böhmen und Ungarn König, Herzog zu Österreich, Markgraf zu Mähren, sein oberster Hauptmann, Graf Wolfgang von Wallsee, sein Regierender Landmarschall in Österreich, auch der Bürgermeister, Richter und Rat der Stadt hier zu Wien, allen Personen, welcher Art und welchen Standes sie auch seien, und einer soll das dem andern sagen, dass niemand, er sei geistlich oder weltlich, adelig oder unadelig, nachts nach dem Hornblasen mehr mit Waffen auf der Gasse gehen soll, oder mit wehrhafter Hand [mit versteckten Waffen oder Messern?], und ohne ein offenes Licht. Welche dem aber zuwiderhandeln und dabei ertappt werden, die wird man wie schädliche Leute behandeln und ohne alle Gnade bestrafen. Das ist gerufen worden am Samstag vor St. Martinstag anno 1453.[66]

Am 14. Jänner 1458 wurde mit ganz entsprechenden obrigkeitlichen Präambeln das Verbot ausgerufen, “dass keiner üble, unehrbare, schändliche, ungehörige, unzüchtige Worte von niemand hier reden, schreiben, dichten oder singen solle, bei Tag oder bei Nacht”; wer solche Leute anzeigte, dem wurden je 32 Gulden Lohn versprochen, während dem Übeltäter gnadenlose Strafe an Leib und Gut angedroht wurde. Und weiter:
“Es soll auch keiner Schlittenfahrten, Saitenspiel, Tänze und alle anderen öffentliche Vergnügungen im Freien abhalten, und keiner soll auf der Gasse in irgendeiner Art von Verkleidung gehen; wer aber dabei ertappt, wird, den soll man schwer bestrafen.[67] 

Wegen der Kriegsläufe wurde also im ersten Fall das Waffentragen nachts auf der Straße streng verboten, im zweiten Fall aber ein ganzes Bündel von Handlungen: üble Nachrede, Spottlieder, Verkleidungen, alle öffentlichen Vergnügungen einschließlich des Musizierens. Man darf daraus ablesen, dass – gerade zur Winterszeit im Krieg – in der Bevölkerung ein Bedürfnis nach solchen Dingen bestand. Auf der Seite der Behörden vermischten sich hingegen Sicherheitserwägungen (vor allem gegenüber der notorischen Streitlust der Wiener) mit moralischen und womöglich sogar ästhetischen Vorurteilen. Obwohl der oder die Ausrufer das öffentliche Singen und Spielen verbieten mussten, ist ihr eigener Vortrag ohne eine musikalische Komponente kaum vorstellbar.       

Dem entspricht, dass in vielen Städten vor allem der Jahrmarkt oder Wochenmarkt traditionell als gewaltloser Bereich respektiert wurde: Der rechtliche Status des “Marktfriedens” musste aber öffentlich bekanntgemacht werden. Üblich war, den Markt durch Glockenläuten anzuzeigen; Ausrufer wurden oft zusätzlich eingesetzt. In der Handelsstadt Wels bestellte man primär die Torhüter zum Anblasen der Jahres- und Wochenmärkte, doch mindestens 1472–1473 wurde auch ein Schüler mit dem Ausrufen von Ankündigungen betraut und mit 2 d. täglich bezahlt.[68]       

Auf friedliche und zeremonielle Weise beschäftigte man Ausrufer für die Ankündigung des zweimal im Jahr veranstalteten städtischen Scharlachrennens (» E. SL Scharlachrennen). Das “Scharlach-Ruffen“ begann vor der Schranne (dem Gerichtsgebäude) und wurden mit Hilfe von berittenen Trompetern überall in der Stadt wiederholt. Im Jahre 1456 werden zwei Trompeter und ein „Rüffer“ mit drei Pferden ausgestattet und für das Scharlachausrufen bezahlt.[69] 1471 sind neben den Stadttrompetern auch solche des Kaisers beteiligt und werden vom Magistrat bewirtet. 1478 wird auch das Verbot ausgerufen, während der Veranstaltungen in der Stadt Messer zu tragen.[70]

[66] Copey-Buch 1853, 12-13 (Wortlaut modernisiert). Weitere Ausrufe ebendort 73 und 244 ff.; zum letztgenannten auch Mantuani 1907, 372, Anm. 7, und 376 ff.; Quoika 1959, 21-23.

[67] Copey-Buch 1853, 73 (Wortlaut modernisiert); Mantuani 1907, 372, Anm. 7; Quoika 1959, 21.

[68] Stadtarchiv Wels (A-WEsa), Akten Sch. Nr. 18 Kammeramtsrechnungen, fol. 2r (1472), fol. 2v (1473); 1474 werden “von wegen des Studenten” 32 d. ausgegeben, wahrscheinlich zu demselben Zweck.

[69] OKAR 14 (1456), fol. 34r.

[70] Schusser 1986, 146, Nr. 130, nach OKAR 30 (1471), fol. 40v; OKAR 1478, fol. 98v und 99v.