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Fronleichnams-„Umgang“ und andere Stiftungen

Reinhard Strohm

Die Formen des kirchlichen Lebens entwickelten sich jedoch nicht nur durch behördliche Maßnahmen, sondern vor allem „von unten“, durch private Initiativen und damit verbundene Kirchenstiftungen der Laien (» J. Formen der Laienfrömmigkeit). Solche Stiftungen kamen aus dem besitzenden Bürgertum und vor allem dem Adel, in welchem Fall sie, weltlich gesprochen, eigentlich „von oben“ erfolgten. Die 1423 von Adligen gestiftete Fronleichnamsbruderschaft (» E. Wiener Gotsleichbruderschaft) richtete wohl noch kein Fronleichnamsspiel ein (wie vermutet worden ist), [19] jedoch immerhin einen „Umgang“ der Schulknaben mit Priester und Sakrament, dessen frühe Organisationsform schwer zu rekonstruieren ist. Haslers Urbar erwähnt den Umgang nicht: Vielleicht war er damals noch alleinige Aufgabe der „Gotsleichnams“-Bruderschaft. Doch in der ersten erhaltenen Kirchprobstrechung von 1470 wird bereits auf den Umgang verwiesen, und seit 1472 (» I-BZac Hs. 640) bezahlte die Kirche dem „schulmeister und den schullern die mit gotzleichnam zu kranken gehen“ jedes Quatember (Vierteljahr) 3 £. Berner. Dieser Umgang wurde am Ende des Jahrhunderts anscheinend täglich ausgeführt; besucht wurde vor allem das der Pfarrkirche gegenüberliegende Heiliggeist-Spital. Offenbar erfolgte eine entsprechende große Stiftung um 1463, als sich die Fronleichnamsbruderschaft mit der Bruderschaft der „Kotzelpinter“ (Korbflechter) vereinigte; hierbei dürfte die Stiftung der Kirche zugefallen sein.[20] Die Gesänge der Schulknaben sind in den Abrechnungen nie genannt, doch war zweifellos ein Teil des Programms die Fronleichnamssequenz Lauda Sion Salvatorem des Thomas von Aquin bzw. dessen Hymnenstrophe Tantum ergo sacramentum. (» Hörbsp. ♫ Lauda Sion salvatorem, Edlerawer)

Der Schulmeister war der hauptsächliche Empfänger der vom Kirchprobst ausgegebenen Gelder für diese und andere Zeremonien und Jahrtage (Anniversarien mit gestifteten Messen), bei denen gesungen werden musste. Er hatte sein Gehalt mit dem Junkmeister (succentor), den Astanten und den Schulknaben zu teilen, was die Bedeutung der musikalischen Begleitung der Zeremonien unterstreicht.[21] Die (Gesell-)Priester wurden gesondert bezahlt; auch der Mesner erhielt seine eigenen Vergütungen. Für alle Ausführenden erbrachten die Sakramentsumgänge und die gestifteten Jahrtage eine Art Grundgehalt, das zwar von der Kirchenverwaltung garantiert wurde, jedoch seinerseits nur auf dem Zinseinkommen privater Stiftungen beruhte. Dieses Einkommen wurde öfters durch Zusatz-Stiftungen erhöht,[22] oder es verringerte sich, weil die Rendite der Stiftungen zurückging.

Für ihre Mitwirkung an einzelnen gestifteten Jahrtagen erhielten die Priester und Sänger sowohl Geld als auch Sachvergütungen wie Mahlzeiten. Regelmäßig abgerechnet wurde eine jährliche „Zehrung“ am Morgen des Weihnachtstages für Gesellpriester, Schulmeister, Mesner, Astanten und Schüler, die einen stabilen jährlichen Kostenfaktor des Kirchprobstes ausmachte. 1480 z. B. reichte man „schulern astanten schulmaister mesner und iren helfern nach der metten an Cristtag“ eine „Vormesse mit sup fleisch wurstn sultzn und anders“, und bezahlte für diese insgesamt 58 Personen den typischen Betrag von 1 mr. [Mark] 4 £ [Pfund] 9 gr. [Groschen], d.h. 14 £ 9 gr. (» I-BZac Hs. 644, fol. 33v).

 

Ausgaben für Jahrtage

Eine typische Abrechnung verschiedener Zuwendungen des Jahres 1478 zeigt die » Abb. Ausgaben für Jahrtage

Transkription:

Ausgeben auff Jartag und andere Stifft so von der kirchen weschehen [geschehen] sollen

Item dem Schulmayster und Schulern vonn dem vorgang des sacraments auff ain gantz jar facit [beträgt]    1 mr. 2 £ (= 12 £)

Item am montag nach Valentini als der jartag des pfruntners ist gehalten erst zu dem almusen geben prot fur 3 £ 2 gr. den sundersiechen [Schwerkranken] in das spitall messner unnd astannten 13 mass weyn unnd ayn suppen facit alles    4 £ 11 gr.

[3 £ 2 gr. davon ausgegeben für Brot für die Kranken im Spital]

Item an freitag vor Cantate gerayt [abgerechnet] mit dem mesner vonn wegen aller jartag so vonn der kirchen gehalten sindt vonn freitag nach Corporis X.i [Corpus Christi] des 78 jars untz auff obgeschriben [bis zum obengenannten] tag hat sein tayl pracht so man im darfon geben sol    1 mr. 5 gr.

Item vonn der Stoffel Spetzgerin öll licht zuntterlon nach innhalt der k[n]ewsselin geschafft [für das Anzünden des Öllichts, nach der Kneusselin Stiftung] dem mesner [ge]geben    3 £

Item am Pfintztag (Donnerstag] von Peter et Pauli (29.6.) als man der albertin jartag hat beganngen ist zu dem almussen verbraucht prot fur    5 £ p[erner] d.

Mere dem mesner unnd auff dy schul 4 mass wein facit    6 gr. 2 f.[fierer]

Item als abgerayt mit dem ingram [dem Mesner Ulrich Ingram] vonn wegen der jartag so nach der nachsten Raytunng [Rechnung] der kirch ist gehalten bringt [= beträgt] so ich im han abzalt [sic] abzogen [vermutlich eine Vorauszahlung, die „ich ihm von der nächsten Jahreszahlung abgezogen habe“]    1 £ 10 gr.

Item gerayt mit dem schulmaister pringt so er verdient von den jartagen unnd gesungen hat mit den virgo der Keusselin [eingerechnet die virgo-Zeremonie der Keusselin-Stiftung]    1 mr. 4 £ 3 gr.

[Nachtrag:] Item die gestiffteten Jartag mitsambt den Wochenambt [wöchentlichen Messen] des Weineckers der Wolkenstainerin und der Stoffel Spetzgerin stift bringt als so den briestern zugehort und ditz jars gehalten haben Innha[l]t irer zedel [gemäß Inhalt ihrer zettel]    9 mr. 4 £

summa huius [Summe davon]    14 mr. 5 £ 11 gr. 2 f.

[19] Vgl. Atz/Schatz 1903, 14.

[20]  I-BZac (StA Bozen), Urkunde Nr. 194 (1463 I 12): Die alte Pinter-Handwerksbruderschaft konstituiert sich wegen großen Zustroms neu als Fronleichnamsbruderschaft und stiftet einen gesungenen Jahrtag am Fest von St. Urban (dem Weinheiligen).

[21] Im Jahre 1480 teilt die Kirchprobstrechnung (I-BZac Hs. 644, fol. 23r) die Vergütungen folgendermaßen auf: „Schulern von dem vorgangk des sacraments zu krancken leutten 1 mr. (= 10 £), und dem schulmeister 2 £“. Die Vorschriften für die Aufteilung wurden mehrmals geändert.

[22] Kirchprobst Sigmund Zwickauer vermerkt in der Kirchprobstrechnung von 1478 (I-BZac Hs. 643, fol. 7r) den Jahreseingang von Zinsen aus Stiftungen „zw dem vorgangk gotzleichnam“: vom Spital 6 £, von Peter Sigeleins Erben 6 £, von Caspar auf Platzol (Prazöll, St. Magdalena) 1 £ und von Michel Grossel 1 £ 6 gr. Dieses zusätzliche Einkommen allein war höher als das dem Schulmeister und seinen Begleitern ausgefertigte Jahresgehalt von 12 £.