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Verbindung zu den Trienter Codices

Reinhard Strohm

Lupis Musikhandschriften gelangten 1455 wohl nicht nach Bozen, sondern verblieben in Trient, wo er weiterhin wirkte. Somit könnten sie teilweise mit den heute dort vorhandenen Trienter Codices identisch sein, vor allem mit den zwei ältesten Sammelbänden (» I-TRbc 87 und » I-TRbc 92), deren größter Teil von Johannes Lupi selbst um 1439–43 geschrieben worden war.[36] Möglicherweise gehörte auch ein umfangreicher, von anderer Hand um 1450–55 geschriebener Trienter Codex (» I-TRcap 93*) zu Lupis Hinterlassenschaft.[37] Kürzlich wurde jedoch in Bozen-Gries das Fragment einer weiteren Musikhandschrift entdeckt (von Giulia Gabrielli, » F. SL Bozner Fragment), das von derselben Hand geschrieben ist wie I-TRcap 93* und sich mit deren Inhalt ergänzt: I-TRcap 93* enthält hauptsächlich Polyphonie zur Messe, das Bozner Fragment hingegen zum Offizium (» Abb. Bozner Fragment Inhaltstabelle).

 

 

Das Bozner Fragment enthält nicht weniger als drei verschiedene Vertonungen der Marienantiphon Salve regina misericordie. Die Vermutung liegt nahe, dass ein solches mehrstimmiges Salve regina bei den Bozner Salve-Diensten (» Kap. Das Salve regina des Rats) um 1455 ausgeführt worden sein könnte. Sicher sind beide Handschriften um 1450–55 für dieselbe Institution angefertigt worden: Es war mit grosser Wahrscheinlichkeit die private Kapelle des Bischofs von Trient, Georg Hack (1448-1465), wie in » K. Kap. Der Auftraggeber dargestellt wird.

[36] Vgl. Wright 1986Strohm 2013.

[37] Der Trienter Codex I-TRcap 93*, eigentlich „B.L.“, wird im Unterschied zu den anderen Bänden heute nicht im Castello del Buonconsiglio aufbewahrt, sondern in der dortigen Kapitelbibliothek (Biblioteca Capitolare).