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Orgelbau

Reinhard Strohm

Orgeln und Orgelspiel erlebten in vielen Städten Zentraleuropas einen großen Aufschwung im mittleren und späteren 15. Jahrhundert (» C. Orgeln und Orgelmusik). Die Bozner Archivdokumente seit 1470 belegen vergleichsweise enorme Ausgaben für den Bau und Erhalt der Orgeln. Die Kosten für den traditionellen Choralgesang und das kunstvolle Ansingen waren verschwindend gering im Vergleich mit den Sach- und Personalausgaben des Orgelwesens. (Vor 1470 dürften ähnliche Verhältnisse geherrscht haben.) Das finanziell umfassendste Projekt war der gleichzeitige Bau einer kleinen und einer großen neuen Orgel durch den berühmten Spezialisten Burkhard Distlinger (Distlunger, Dischlinger) aus Ingolstadt in den Jahren 1484–86. Die kleine Orgel stand hinter dem Hochaltar, die große an der Nordwand des Hauptschiffes.[29] Vermutlich war der Grund für diese Neuinvestition der Brand vom April 1483, über den der Pilger Felix Fabri am 20. April berichtete, die Stadt sei total abgebrannt, nur seien wunderbarerweise die Kirchen und Klöster verschont geblieben.[30] Das scheint nicht der Fall der Orgel gewesen zu sein, die wohl zusammen mit anderem Gerät der Pfarrkirche zerstört oder beschädigt wurde. Im Rechnungsjahr 1484–85 (» I-BZac Hs. 648, fol. 35v) bezahlte Kirchprobst Sigmund Zwickauer 22 mr. (=220 £) an Magister Burkhard den „orgelmaister“ für die Arbeit an beiden Orgelwerken „auf sein Geding“ (auf seine Verpflichtung hin). Im Rechnungsjahr 1485–86 (» I-BZac Hs. 649, fol. 41r) folgten noch einmal 60 mr. 5 £ (=605 £) an „Maister Burkharten Distlunger orgelmaister“ für seinen Sold über das von Zwickauer Vorgestreckte hinaus. Dies waren Gehaltszahlungen, obwohl vom Orgelbauer mitgebrachtes Material wahrscheinlich einbezogen war.[31] Wichtige Anschaffungen für die beiden Orgelwerke wurden jedenfalls vom Kirchprobst bezahlt, wie z. B. 4 mr. für Zinn, das Distlunger auf dem Ägidienmarkt in Nürnberg gekauft hatte (» I-BZac  Hs. 650, fol. 26r), 6 mr. 5£ 6 gr. für 15 kleine Ochsenhäute zu den Blasbälgen (StA Bozen, Hs. 649, fol. 32v), oder auch 4 gr. für einen Wagen Sand, um Metallguss vorzunehmen (Hs. 648, fol. 34r). Gebaut wurden die Orgeln „im Kloster“, vermutlich dem nächstgelegenen der Dominikaner.

Allein die Ausgaben für den Orgelbau nehmen in den Kirchprobstrechnungen von 1486 (StA Bozen, Hs. 650) sieben Seiten ein. Die kleine Orgel wurde im Jahre 1487 „überstimmt“; hier gab es eine Zehrung für Burkhard Distlunger und alle Knechte und Gesellen, die geholfen hatten, für 24 £ 4 gr. (» I-BZac Hs. 651, fol. 41r). Inzwischen hatte bereits ein anderer Spezialist, „Meister Matthias Orgelmeister“, 20 mr. für weitere Arbeiten verdient (Hs. 651, 36r) und im Rechnungsjahr 1488–89 erhielt er noch einmal 20 mr. (» I-BZac  Hs. 652, fol. 25v). Viele kleinere Posten betreffen die Entlohnung von Helfern, wie den Knechten des Orgelbauers oder den Knaben, die beim Stimmen die Blasbälge zogen, oder auch von Helfern beim Stimmen der neuen Orgeln, darunter den Organisten Paul Rauch, der im Frühjahr 1482 angestellt wurde.

[29] Vgl. Atz/Schatz 1903, 28ff.

[30] Vgl. Hassler 1849, 72. Die Behauptung ist nicht unwidersprochen geblieben: vgl. Hoeniger 1934, 9f.

[31] Man vergleiche dieses Honorar von insgesamt 825 £ für wohl zwei Jahre vollzeitiger Arbeit mit dem jährlichen Grundgehalt des Schulmeisters von 22 £ (8 £ für Salve-Singen vom Rat, 14 £ für Sakramentsumgänge von der Kirche), das sich freilich durch weitere Stiftungseinkünfte und Renten auf etwa 40 £ erhöht haben dürfte.