„mit Pusaunen vnd andern Instrumenten Musicalien der Ich dan yezo jn vbung bin“
Wie für einen professionellen Instrumentalisten seiner Zeit typisch, beherrschte Augustin Schubinger mehrere Instrumente. Das bestätigt er selbst mit seiner Bemerkung „mit Pusaunen vnd andern Instrumenten Musicalien der Ich dan yezo jn vbung bin“[1]. Dass dazu Zink und Laute zählten, steht dank einer Reihe von Quellen unzweifelhaft fest. Erinnert sei an Kaiser Maximilians Triumphzug, an Lalaings Reisebericht, die Dokumente vom burgundischen Hof und die Rechnungsbücher deutscher Städte, die von Schubinger als „joueur de lut et de cornet“, „lutinist“ oder „Zinkenblaser“ sprechen und die sich damit spezifischer, das betreffende Instrument eindeutig bezeichnender Begriffe bedienen (» G. Augustin Schubinger). Hingegen ist man bei anderen Titulierungen, die für Schubinger in den Quellen begegnen, mit dem notorischen Problem der zu dieser Zeit oft mehrdeutigen oder inkonsistenten Instrumententerminologie konfrontiert. So können sich die Ausdrücke „Pfeifer“ und „Trompeter“, die gelegentlich für Schubinger Verwendung finden,[2] auf jedwedes Instrument der Alta capella bzw. auf verschiedene Blechblasinstrumente, also nicht nur die Feld-, sondern auch die Zugtrompete oder die Posaune, beziehen. Beim Terminus „Posauner“ ist hingegen insofern zu unterscheiden, als diesem je nach Ort, Institution oder Quelle mal eine generische, mal eine spezifische Bedeutung zukommen kann. Insbesondere die Quellen der maximilianeischen Hofadministration meinen damit nicht immer nur die eigentliche Posaune, sondern alle zur Bläser-Alta gehörigen Instrumente einschließlich des Zinks.[3] Anders hingegen die Augsburger Baumeisterbücher. Hier wird seit 1487 regelmäßig einer der vier städtischen Musiker mit dem Zusatz „busaner“ hervor- und von den übrigen „Pfeifern“ abgehoben. Dies gilt für Schubinger[4] ebenso wie für seinen Nachfolger Baltasar Diettel[5] (1488, im ersten Jahr nach Schubingers Abgang, ist sogar explizit vom „neue[n] Busaner“ die Rede[6]). Auch die Florentiner Quellen tendieren zu einem präziseren Sprachgebrauch, indem üblicherweise zwischen dem (zum Teil etwas besser bezahlten) „trombone“ und den anderen „piffari“ unterschieden wird.[7] Folglich ist davon auszugehen, dass Schubinger sowohl im Augsburger Stadtpfeiferensemble als auch in der Florentiner Alta als Posaunist fungierte.
Ob Schubinger etwa im Zuge seiner Ausbildung außerdem die anderen zu einer Bläser-Alta gehörigen Instrumente, namentlich Schalmei und Pommer, erlernte bzw. spielte, ist direkt nicht nachweisbar, mit Blick auf den zeitgenössischen Standard professioneller Blasinstrumentalisten allerdings durchaus wahrscheinlich. (» Hörbsp. ♫ Missa La Spagna, Agnus Dei 1; Missa La Spagna, Agnus Dei 2; Missa La Spagna, Agnus Dei 3.)
Zudem deuten Indizien darauf hin, dass Schubingers Vater und sein Bruder Michel den Pommer spielten: Von Ulrich dem Älteren ist bekannt, dass er im Augsburger Stadtpfeiferensemble 1457 dem ausscheidenden „Scharpffhanns Bomharter“ nachfolgte, vermutlich also dessen Funktion als Pommerspieler übernahm.[8] Dasselbe dürfte für Michel gegolten haben, sollte dieser seine Tätigkeit als Augsburger Stadtpfeifer zwischen 1472 und 1476 in Vertretung seines Vaters ausgeübt haben.
[1] Aus Schubingers Dienstrevers von 1514 ( » Abb. Schubingers Dienstrevers 1514).
[2] Siehe etwa D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 89 (1495), fol. 17r; Bd. 90 (1496), fol. 17r; Bd. 93 (1499), fol. 22v.
[3] Grassl 1999, 208, unter Bezugnahme auf Wessely 1956, 130–134. Siehe auch die Dokumente von 1514, denen zufolge Schubinger als „Posaunist“ angestellt wurde, wiewohl er zu dieser Zeit auch, wenn nicht in erster Linie, als Zinkenist hervortrat.
[4] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 80 (1487), fol. 65r.
[5] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 82 (1489), fol. 66r; Bd. 84 (1490), fol. 68r; Bd. 89 (1495) [o. fol.]; Bd. 90 (1496), fol. 90r. Diettel setzt sich auch insofern von den anderen Stadtpfeifern ab, als er zeitweise ein etwas höheres Gehalt bezog (40 oder 44 fl. statt der sonst üblichen 36 fl.).
[6] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 81 (1488), fol. 16r.
[7] Vgl. McGee 1999, 731–732; McGee 2008, 166–168.
[8] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 55 (1457), fol. 112v, online: https://lod.academy/bmb/id/bmb-bm-03uw/1.
[1] Aus Schubingers Dienstrevers von 1514 ( » Abb. Schubingers Dienstrevers 1514).
[2] Siehe etwa D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 89 (1495), fol. 17r; Bd. 90 (1496), fol. 17r; Bd. 93 (1499), fol. 22v.
[3] Grassl 1999, 208, unter Bezugnahme auf Wessely 1956, 130–134. Siehe auch die Dokumente von 1514, denen zufolge Schubinger als „Posaunist“ angestellt wurde, wiewohl er zu dieser Zeit auch, wenn nicht in erster Linie, als Zinkenist hervortrat.
[4] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 80 (1487), fol. 65r.
[5] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 82 (1489), fol. 66r; Bd. 84 (1490), fol. 68r; Bd. 89 (1495) [o. fol.]; Bd. 90 (1496), fol. 90r. Diettel setzt sich auch insofern von den anderen Stadtpfeifern ab, als er zeitweise ein etwas höheres Gehalt bezog (40 oder 44 fl. statt der sonst üblichen 36 fl.).
[6] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 81 (1488), fol. 16r.
[7] Vgl. McGee 1999, 731–732; McGee 2008, 166–168.
[8] D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 55 (1457), fol. 112v, online: https://lod.academy/bmb/id/bmb-bm-03uw/1.
[9] McGee 2000, 215–216.
[11] Grassl 2019, 223 und 231–234.
[12] Polk 1994a, 210.
[13] B-Baeb Algemeen Rijksarchief / Archives générales du Royaume, V132–41287 (Stads Rekeningen Mechelen 1507/1508), fol. 211r; V132–41291, (Stads Rekeningen Mechelen 1511/1512) fol. 209v; Protokoll des Konstanzer Domkapitels 1510: „ex parte Augustini lutiniste domini Cesaris“ (siehe Krebs 1956, S. 24, Nr. 4091); D-Nsa Reichsstadt Nürnberg, Losungsamt, Stadtrechnungen 181, fol. 617v: „Item ij gulden dem Augustin K mt lautenisst zu Juliane anno 1517“.
[14] Siehe Polk 1989a, 496, 500 und 502; McGee 2000, 215; Prizer 1981, 163; weitere Beispiele bei Polk 1989c, 526–527, 542–543; Polk 1990, 196–197; McGee 2005, 149–150; McGee 2008, 210–212.
[15] Wenngleich mehrstimmiges Lautenspiel bis zu einem gewissen Grad auch mit der Plektrontechnik möglich war. Siehe Lewon 2007. Vgl. » Instrumentenmuseum Laute.
[17] » I. Kap. „Musica Lauten und Rybeben“; Nedden 1932/1933, 26–27; Ernst 1945, 222–223; Polk 1992b, 86; Polk 1994b, 407; Schwindt 2018c, 275–276.
[18] B-Baeb Algemeen Rijksarchief / Archives générales du Royaume, V132–41287 (Stads Rekeningen Mechelen 1507/1508), fol. 211r. Zu Lenaert (bzw. „Lionhardt“) siehe die Nachweise bei Polk 1992b, 86–87; Polk 2001a, 93–94; Polk 2005a, 64 und 66.
[19] Polk 1992a, 73–75; Polk 1987, 180; speziell für Nürnberg vgl. Green 2005, 13.
[20] Darstellung des Kantoreiwagens im Triumphzug (» Abb. Triumphzug Kantorei.).
[21] Siehe die Zusammenstellung der Belege bei Grassl 2019, 230–246.
[22] Siehe neben den in » G. Augustin Schubinger, Anm. 57, 58, 61 erwähnten Belegen auch das Protokoll des Konstanzer Domkapitels 1510: „ex parte Augustini lutiniste domini Cesaris. Als derselb Augustini etlich tag im chor zur orgel vnd den sengern uff dem zingken geblausen hat, ist capitulariter conclusum, im zu erunge 2 fl. zeschencken“ (siehe Krebs 1956, S. 24, Nr. 4091).
[23] Cochlaeus 1512, 90–91.
[24] Grassl 2017, 347–349 und 357–358; Grassl 2019, 217–221 und 227–228.
[25] Nedden 1932/1933, 28; Wessely 1956, 85, 88, 101–103 und 108–111; Polk 1992b, 86. Vgl. insbesondere auch die „Kollektiv“- bzw. „Gruppeneinträge“ in: D-Asa Baumeisterbücher, Bd. 97 (1503), fol. 28r: „Item x guldin Ko mayt. Busanern dero fünffe“; Bd. 98 (1504), fol. 26r: „It. viij gulden Jörigen Holland, Jorigen Eyselin, Hannsen Stevdlin vnd Vlrich Vellen Kö. mayt. Busaunern“.
[26] Polk 1992a, 109; Green 2011, 20.
[27] Siehe die Einträge in den Nördlinger Rechnungsbüchern 1506 und 1507 (» Abb. Zahlung der Stadt Nördlingen an Schubinger, 8. Juni 1506), sowie » G. Augustin Schubinger, Anm. 67.
[28] Henning 1987, 87 (Tafel 183), 90 (Tafel 211), 94 (Tafel 255).
[29] Grundlegend Polk 1992a, 169–213; siehe u. a. auch Gilbert 2005; Neumeier 2015, 273–290.
[30] Für einen Gesamtüberblick zum instrumentalen Musizieren um 1500 siehe Coelho/Polk 2016, insb. 189–225; Grassl 2013.
[32] Vgl. von der umfangreichen Literatur zu diesem Repertoire nur Polk 1997; Strohm 1992; Jickeli 1996; Banks 2006.
[33] Zur Biographie Pirkheimers siehe: http://www.pirckheimer-gesellschaft.de/html/will_car.html.
[34] Edition in: Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 1, hrsg. von Emil Reicke (Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 4), München 1940, S. 371.
[35] Dies könnte sich auf die Unterscheidung zwischen zwei- und einteiligen bassedanze beziehen (in der Terminologie des zeitgenössischen französischen Tanzschrifttums basses danses mineurs und majeurs).
[36] Brief vom 29. Juni 1506, ediert in: Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 1, hrsg. von Emil Reicke (Veröffentlichungen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Humanistenbriefe 4), München 1940, S. 380. Siehe zu dieser Korrespondenz auch Meyer 1981, 62–64.
[37] Zu „Boruni“, dem Bearbeiter, d. h. wohl Intavolator von Binchois’ Komposition, lässt sich indes nichts Genaueres feststellen. Vielleicht handelt es sich um einen älteren Verwandten des ca. 1490 geborenen, um die Mitte des 16. Jahrhunderts renommierten Mailänder Lautenisten Pietro Paolo Borrono.
[38] Slim 1971, 563–568.
[39] Dies geht aus einer Bemerkung im Schreiben Ulrichs an Lorenzo de’ Medici hervor (» G. Kap. Schubinger, Lorenzo de’ Medici und Isaac), wonach Ulrich in Ferrara vergeblich auf seinen Bruder und „Zoani Maria che suona el liuto“ gewartet habe.
[40] McDonald 2019, 13–14.
[41] Siehe dazu insb. Birkendorf 1994, Bd. 1, 97–101; Schwindt 2018c, 542–545; vgl. auch Brinzing 1998, Bd. 1, 137–150; » B. Kap. Aufschwung der Liedkunst; » D. Zur musikalischen Quellenlage.
[42] Dies war entweder Jakob Hurlacher der Ältere, der von 1495 bis 1530 als Augsburger Stadtpfeifer tätig war (also nicht erst ab 1508, wie in der Literatur regelmäßig behauptet wird; siehe die Einträge in D-Asa Baumeisterbücher), oder Jakob Hurlacher der Jüngere, der dem Augsburger Bläserensemble von 1502 bis 1506 und von 1509 bis 1517 angehörte.
[43] Siehe im Detail Brinzing 1998, Bd. 1, 151–154; Neumeier 2015, 252–254.
[44] Brinzing 1998, Bd. 1, 150.
[45] Polk 1991, 158; siehe auch Filocamo 2009. Rein spekulativ ist folglich auch Polks Mutmaßung, der Mantüane[r] dantz könnte mit einem der von Beheim übersandten bassedanze (vgl. » Kap. Eine süddeutsche Humanistenkorrespondenz) identisch und daher Schubinger oder Giovanni Maria Ebreo dessen „Komponist“ sein.
[46] Schwindt 2018c, 280.
[47] Schwindt 2018c, 280; vgl. auch Birkendort 1994, Bd. 1, 184.
[48] Schwindt 2018c, 120–124.
[49] Unterholzner 2015, insbes. 79–89, 96–98; Schwindt 2018c, 73–76.
[50] Vgl. Lütteken 2010 LIT, 20–21; Polk 2001b; Schwindt 2018c, 20–24.
[51] Neben Schubinger sind dies der Organist Paul Hofhaimer, der Lautenist Albrecht Morhanns, die Posaunisten Hans Neuschel und Hans Steudl sowie der Pfeifer Anton Dornstetter. Siehe die betreffenden Bildprogrammtexte bei Schestag 1883, 155 und 158–160.
Empfohlene Zitierweise:
Markus Grassl: „Instrumentale Musikpraxis im Lebensbereich Augustin Schubingers (ca. 1460–1531/32)“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/instrumentale-musikpraxis-im-lebensbereich-augustin-schubingers-ca-1460-153132> (2023).