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Virtuelle Büchersammlungen und deren Besitzer

Susana Zapke

Ging die Untersuchung der Topographie der Musikbestände Wiens vom überlieferten Buchexemplar unter Berücksichtigung der vorhandenen Besitzeinträge aus,[29] so wird hier ein komplementärer Zugang gesucht, bei dem sämtliche dokumentarischen Quellen wie Testamentsauszüge, Legate, Kauf- und Verkaufsvermerke, Bücherverzeichnisse, Schenkungsnotizen sowie Stiftungsbriefe in die Untersuchung miteinbezogen werden. Diese Quellengattungen dokumentieren den Bestimmungsort der Bücher aufgrund des letzten Willens des Erblassers oder anderer entsprechender Anweisungen. Es handelt sich hier um teilweise virtuelle Büchersammlungen, d. h. um nicht materiell überlieferte Bestände, deren Kenntnis wir oft einer einzigen schriftlichen Mitteilung verdanken.

Das Profil des Bücherbesitzers reicht vom einfachen Priester bis zum herzoglichen Berater oder Adeligen, vom Universitätsprofessor bis zum bibliophilen Humanisten, vom gewöhnlichen Studenten bis zum Gelehrten. Der Bücherbestand fluktuiert zwischen einem einzigen und einhundert Büchern. Die gut dotierten Bibliotheken, wie etwa jene des Doktors der Medizin Erhard von Traismauer, umfassten bis zu 90 Exemplare. Zu differenzieren gilt es zwischen den institutionellen und den privaten Büchersammlungen, wobei erstere aus Stiftungen sowie aus Vererbung und Schenkung individueller Büchersammlungen erwuchsen. Die klassische Gestalt des humanistischen Büchersammlers trat in Wien zwar erst Ende des 15. Jahrhunderts deutlich zu Tage und wurde durch Persönlichkeiten wie etwa Johannes Gremper, Johannes Cuspinian und Conrad Celtis (» I. Odengesang) vertreten, jedoch sind die ersten gut bestückten Büchersammlungen von Wiener Bürgern und Geistlichen bereits ab der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts identifizierbar. Hierzu gehören nicht zuletzt die Sammlungen von Johannes Polzmacher, Andreas von St. Stephan oder von Thomas und Andreas von Weitra. Die Sammlung des Theologen Andreas von Weitra bestand aus 17 Exemplaren und wurde wie im Falle von Erhard von Traismauer der jeweiligen Fakultätsbibliothek vermacht. Die Akten der Artistenfakultät verzeichnen akribisch jedes übernommene Buch. In der Regel stammen die Bücherbestände aus dem Personenkreis der universitären Körperschaft. Dennoch ist eine Übereinstimmung der Wirkungsinstitution des Bücherbesitzers und der Empfangsinstitution seines Legats nicht immer zwingend vorauszusetzen.

[29] Vgl. Zapke 2012, 218.