Liederdrucke
Im Vergleich zur geographisch begrenzten Rezeption von Liedtexten in früheren handschriftlichen Überlieferungen eröffnen die Druckquellen Einblicke in eine wachsende Informationswelt, in der Nachrichten über entfernte Ereignisse und ausländische Drucke ihren Weg in österreichische Länder fanden. Der Druckkorpus des Johannes Winterburger, eines in Wien ansässigen Druckers, der u.a. mit der Produktion von Musikdrucken, Missalien und einigen Flugblättern beschäftigt war, enthält eines der wenigen in Österreich gedruckten Lieder über Krieg. „Ain newes lied von den kraynerischen bauren“ scheint auch das einzige erhaltene deutschsprachige Lied im Korpus des Druckers zu sein.[32] Es wurde ohne Noten im Jahr 1516 oder 1517 gedruckt und thematisiert den Krainischen Bauernaufstand von 1515, der trotz Habsburgischer Herrschaft auf ein für Wien geographisch und kulturell entferntes Ereignis Bezug nahm. Von besonderem Interesse ist ein im Text erwähnter Kriegsruf in slowenischer Sprache, „Stara Prava“. Dieser Ruf, der „Altes Recht“ bedeutet, kann als Anspielung auf die von den Bauern angestrebte Wiederherstellung verlorener Rechte interpretiert werden.[33] Trotz seiner scheinbaren Authentizität fungiert das Zitat dennoch als Markierung einer fremden Gruppe. Es wird angenommen, dass das Lied selbst nicht seinen Ursprung im krainischen Konflikt gehabt habe, da es sowohl auf Deutsch als auch zuerst in Wien erschien, sondern dass die Geschichte der krainischen Bauern als Parallele für die kurz zuvor erfolgten Aufstände in Österreich gedacht gewesen sei.[34]
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Es ist ebenfalls denkbar, dass Einzeldrucke, die außerhalb Österreichs entstanden sind, in Österreich rezipiert wurden, auch wenn dies natürlich nicht einfach festzustellen ist. Jedoch soll eine faszinierende Quelle erwähnt werden: Eine im 16. Jahrhundert zusammengetragene Sammlung, die sich im 19. Jahrhundert im Besitz des Grafen Johann Nepomuk Wilczek in Wien befand, beinhaltet mehrere Werke, die sich auf habsburgische Aktionen beziehen. Unter den Werken der Sammlung ist ein Reisebericht des Benedikt Kuripečič, der im habsburgischen Dienst stand und 1530 eine Reise nach Konstantinopel unternahm. Dazu sind zwei Lieder überliefert, die in der Zeit zwischen der ungarischen Niederlage bei Mohács im Jahr 1526 und der Belagerung Wiens im Jahr 1529 entstanden. Die Lieder wurden erstmals im 1537 in Nürnberg bei Hans Guldenmund gedruckt und in der Sammlung, vermutlich handschriftlich, mit Noten überliefert. Leider ist der aktuelle Standort der Sammlung unbekannt, so dass sie hier nicht näher betrachtet werden können.[35]
[1] Schanze 1999b, 305–306; Brednich 1975, Bd. 2, 59–61.
[3] Vgl. Kellermann 2000, 35; Honemann 1997, 399–401.
[4] Z.B. Erk/Böhme 1893/1894, Bd. 1, vii; Janicke 1871, 3; Suppan 1966, 38.
[5] Sauermann 1975, 301; Hampe 1919, 52.
[6] Müller 1974, 26 f.; Sauermann 1975, 301 f.
[7] Kellermann 2000, 13, 86 f.; Kerth 1997, 9.
[8] Kerth 1997, 9.
[9] Kellermann 2000; Kerth 1997; Seibert 1978; Wenzel 2018.
[10] Vgl. Eickmeyer 2017, 29; Honemann 1997, 418 f.; Brednich 1974, Bd. 1, 154; Straßner 1970, 242; Kellermann 2000, 311.
[11] Vgl. Kellermann 2000, 92–98, 155 f., 277; Wenzel 2018, 247–262.
[12] Zum „Agitationszweck“ vgl. Völker 1981, 23; Vgl. auch Hampe 1928, 251–278; von Liebenau 1873, 346 f.
[13] Vgl. Hermann 2006, 65; Rogg 2002, 274–276.
[14] Liliencron 1866, Bd. 2, Nr. 138. Dieser Liedtext wurde wahrscheinlich auf den hier unten behandelten Wissbeck-Ton gedichtet: vgl. » F. SL Die Missa O Österreich.
[15] Suppan 1995, 157.
[16] Zu den Begriffen „autrichité“ und „Habsburgisches Spätmittelalter“ vgl. Müller, 1986, Bd. 1, 427 f.; Spechtler 1986, Bd. 1, 470.
[17] Zu Beheim siehe » B. Spruchsang.
[18] Gille/Spriewald 1968–1972, Bd. 1, Nr. 105, Nr. 106, Nr. 112, Bd. 2 Nr. 238 f.
[20] GB-Lbl Add. 16592, fol. 22r–23v; Schmidt 1970, 520; Seemüller 1897, 170; Seemüller 1897, 587.
[21] Seemüller 1897, 587 f.
[22] Seemüller identifiziert zwei Hände aus dem 16. Jahrhundert für die ersten sechs Nummern, einschließlich des Abschnitts über Friedrich III. Seemüller 1897, 589.
[23] Schneider 1991, 85–95; Neugart 1989, 451 f.; Müller 1986, 439.