Die Instrumentalmusik am Hofe Maximilians I.
Lässt sich das Personal der maximilianischen Instrumentalmusik aufgrund von Archivalien und Dokumenten noch einigermassen leicht erfassen, so ist es ungleich schwieriger, die von diesen Musikern gespielte Musik zu identifizieren bzw. überhaupt zu greifen. Das liegt vor allem daran, dass die instrumental aufgeführte Musik zu dieser Zeit noch kaum aufgezeichnet wurde, sondern eine buchstäblich schriftlose Praxis war. In diesem Sinne „improvisierten“ die Musiker auch nicht, sondern sie musizierten ganz selbstverständlich sozusagen „auswendig“, sei es auf der Basis einer mündlichen Tradierung oder als ad hoc-Entstehung.[32] Schriftliche Aufzeichnungen waren vor allem für Vokalmusik üblich – entsprechend zeigt im Triumphzug nur der Wagen der „Musica Canterey“ ein Notenpult, alle übrigen Musiker musizieren ohne Noten. Spezifische Schriften für Instrumentalmusik, sogenannte Tabulaturen, existierten zu Beginn des 16. Jahrhunderts für Tasteninstrumente und Laute. Und in beiden Aufzeichnungsweisen ist tatsächlich auch Musik von Musikern Maximilians überliefert: von Paul Hofhaimer und von Adolf Blindhamer (vgl. Kap. Lautenintabulierungen von Adolf Blindhamer). Weitere Quellen für auch instrumental aufzuführende Musik erschließen sich anhand des Titelblatts eines in vier Stimmbüchern gedruckten Liederbuchs (Fünfundsiebzig hübsche Lieder, Köln: Arnt von Aich, 1514-1515): „In dissem buechlyn fynt man .Lxxv. hübscher lieder myt Discant. Alt. Bas. vnd Tenor. lustick zů syngen. Auch etlich zů fleiten / schwegelen / vnd anderen Musicalisch Instrumenten artlichen zů gebrauchen.“[33] Demnach können die Lieder, für die sich im Stimmbuch für den Tenor separat stehende Liedtexte finden, auch instrumental aufgeführt werden. Interessanterweise handelt es sich bei dem Druck sehr wahrscheinlich um den Nachdruck einer zuerst in Augsburg erschienen, heute aber verlorenen Sammlung, die Repertoire aus dem Umkreis Maximilians enthielt.[34] Damit lassen sich auch die beiden Augsburger Liederdrucke „Aus sonderer künstlicher Art“ (» 1512) und „[68 Lieder]“ (» 1513), die in der Offizin von Erhart Oeglin erschienen, für eine Instrumentalmusik Maximilians reklamieren, wenn auch festgehalten werden muss, dass es sich hierbei klar um vokal konzipierte Musik handelt, die nur alternativ auch instrumental aufgeführt werden konnte.
Etwas anders sieht dies bei einer handschriftlichen Quelle aus, für die ebenfalls eine lose Verbindung zum Repertoire der Musiker Maximilians vermutet wurde: Im „Augsburger Liederbuch“, einer zwischen 1505 und 1515 entstandenen Musikhandschrift mit einem gemischtem Inhalt von Liedern, Chansons und Motetten (u. a. von Josquin Desprez, Jacob Obrecht, Heinrich Isaac (» D-As Cod. 2o142a), Alexander Agricola und Ludwig Senfl (» G. Kap. Senfls musikgeschichtliche Bedeutung) sowie auch einigen Tanzsätzen.[35] Diese hier meist unbezeichneten Sätze lassen sich als italienische Tänze identifizieren, wie sie Musiker wie etwa Schubinger aus ihrem Dienst in Italien mitbrachten. Allerdings gibt die schriftlich fixierte Musik nur eine ungefähre Vorstellung von ihrer mitreißenden Aufführungspraxis, liest man etwa in einem Brief Maximilians von 1479 aus den Niederlanden, seine Pfeifer hätten ihn „schier drei oder viermahlen zue Todt gepfiffen“.[36]
[32] Vgl. Welker 1992, 189–194.
[33] Aich 1515, Titelblatt des Tenor-Stimmbuchs; zur Datierung siehe Schwindt 2008, 117 ff.
[34] Vgl. Bernoulli/Moser 1930, v–vii.
[35] Vgl. Brinzing 1998, 137–154; Filocamo 2009.
[1] Zum Triumphzug, seinen unterschiedlichen Versionen und der komplexen Entstehungsgeschichte informiert Appuhn 1979 und Michel/Sternath 2012; zur Bedeutung für Maximilian Müller 1982; zum Verhältnis zwischen Abbildung und Realität Polk 1992; das Zitat stammt aus der frühesten erhaltenen Formulierung des ikonographischen Programms des Triumphzugs 1512 in » A-Wn Cod. 2835, fol. 3v.
[2] Koczirz 1930/31, 531 f.
[4] Nedden 1932/33, 27 (Zitat aus den Augsburger Baumeisterbüchern von 1491, den Kassenbüchern des Rats über Ein- und Ausgaben).
[5] Vgl. Simonsfeld 1895, 267 f.
[6] Vgl. Strohm 2009, 98.
[7] Zitiert nach Waldner 1897/98, 2.
[8] Treitzsaurwein 1775, 78.
[9] Vgl. Schwindt 2012.
[10] Sie erhält im Juni 1520 bei der Auflösung der Hofkapelle nach dem Tode von Maximilian die hohe Summe von 50 Gulden „zu Irer vnderhaltung vnd Zerung“; Koczirz 1930/31, 535.
[11] Wie beispielsweise „Hannsen pfeiffer vnnd matheusen Trumelschlacher“, die 1491 ausdrücklich für ihre Dienste „bei Tanz“ an der Fasnacht bezahlt werden; Waldner, 1897/98, 52.
[12] Appuhn 1979, 172 f.
[13] Für eine Zusammenstellung der musikrelevanten Abbildungen siehe Henning 1987, 69–94
[15] Vgl. Gombosi 1932/33; Heinzer 1999, 92 ff.
[17] Vgl. Kirnbauer 2005.
[18] Vgl. Kirnbauer 2003, 243–248 (dort auch zum Folgenden).
[20] Laut Zahlungen in den Augsburger (D-As) Baumeisterbüchern Nr. 103 (1509), fol. 24v, und Nr. 104 (1510), fol. 28; freundliche Mitteilung von Keith Polk.
[21] Vgl. Jahn 1925, 10 ff., und Kirnbauer 2000, 25 ff.
[22] Kirnbauer 1992, 131.
[23] Nedden 1932/33, 31.
[24] Vgl. Polk 1989a; Polk 1989b.
[25] Hintermaier 1993, 38.
[26] Vgl. Brief von Paul Hofhaimer an Joachim Vadian am 14. Mai 1524; Moser 1966, 56.
[29] Nowak 1932, 84.
[30] Praetorius 1619, 148.
[31] So der Wortlaut in der Formulierung des ikonographischen Programms in » A-Wn Ms. 2835, fol. 8v.
[32] Vgl. Welker 1992, 189–194.
[33] Aich 1515, Titelblatt des Tenor-Stimmbuchs; zur Datierung siehe Schwindt 2008, 117 ff.
[34] Vgl. Bernoulli/Moser 1930, v–vii.
[35] Vgl. Brinzing 1998, 137–154; Filocamo 2009.
[37] » A-Wn, Mus. Hs. 41950; Faksimile und Beschreibung in Kirnbauer 2003. Lautentabulaturen der nächsten Generation aus dem süddeutschen Sprachraum beschreibt » H. Lautenisten und Lautenspiel (Kateryna Schöning).
[38] Gerle 1533, fol. IIv.
[39] Vgl. Moser 1966, 26 und 182, Fußnote 35.
[40] Vgl. Moser 1966, 137–140; Radulescu 1978, 66 f.; siehe auch » C. Orgeln und Orgelmusik.
Empfohlene Zitierweise:
Martin Kirnbauer: „Instrumentalkünstler am Hof Maximilians I.“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/instrumentalkunstler-am-hof-maximilians-i> (2016).