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Ludwig Senfl

Stefan Gasch
  • Das Leben Ludwig Senfls

    Ludwig Senfl wurde um 1490 in Basel oder Zürich geboren und trat vermutlich im Juli 1498 als Sängerknabe in die Kapelle des damaligen römischen Königs und späteren Kaisers Maximilian I. ein. Wie viele seiner Sängerkollegen vor und nach ihm dürfte auch er ein kaiserliches Stipendium für ein dreijähriges Studium an der Universität Wien erhalten haben (ca. 1504–1507), wo er mit humanistischen Kreisen um Conrad Celtis bekannt wurde (» I. Odengesang) und wahrscheinlich eine Klerikerausbildung durchlief. Danach diente Senfl bis zu deren Auflösung 1520 in der kaiserlichen Kapelle. 1520 erscheint er als Herausgeber der ersten deutschen Motettenanthologie (» Liber selectarum cantionum, Augsburg: Grimm & Wirsung 1520), deren Inhalt als repräsentative Auswahl von Werken der kaiserlichen Hofkapelle gelten kann. Für die Jahre 1521–1523 fehlen Dokumente zum Verbleib Senfls, doch dürfte er nach eigener Aussage viel gereist sein. 1523 fand der Komponist zusammen mit anderen Mitgliedern der ehemaligen kaiserlichen Hofkapelle eine Anstellung bei Herzog Wilhelm IV. in München, wo er bis zum Ende seines Lebens blieb. In München gab Senfl seinen Status als Kleriker auf. Er heiratete 1527 die Tochter des Passauer Zöllners Ambros Neuburger, kaufte 1529 ein Haus und heiratete spätestens 1535 ein zweites Mal eine gewisse Maria Halbhirn, mit der er 1537 eine Tochter hatte. 1543 starb Senfl zwischen Januar und März in seinem 53. Lebensjahr. (» Abb. Senfl Medaille)

     

    Abb. Senfl Medaille 1526 (2 Abbildungen)

    Senfl Medaille 1526

    Die Medaille von Friedrich Hagenauer (1526) zeigt auf dem Avers ein Brustbild Ludwig Senfls von links, bartlos mit Hut und Kette, mit der Angabe „SALVTI XXVI“, in der Umschrift Senfls Devise. Auf dem Revers ist geschrieben: „VERA.IMAGO.LVDOVVICI SENNFL.“. (München Staatliche Münzsammlung; Abbildung in Ludwig Senfls Werke. Erster Teil, hrsg. von Th. Kroyer, Leipzig 1903 (Denkmäler der Tonkunst in Bayern III/2), S. LXXVI)

     

  • Senfl als Komponist

    Da die Hofkapelle einen wichtigen Bestandteil des kaiserlichen Hofstaates bildete, war Senfl als Sänger (zunächst als Chorknabe, später als Altist) im Gefolge des Kaisers bei wichtigen Treffen zugegen, so beispielsweise 1507 beim Reichstag in Konstanz oder 1518 beim Reichstag in Augsburg. Gerade dieser letzte Reichstag des Kaisers, bei dem Senfl möglicherweise auch Martin Luther kennenlernte, war für ihn eine wichtige Gelegenheit sein kompositorisches Können unter Beweis stellen zu können. Neben seinen sängerischen Pflichten lernte er am Hof Maximilians bei Heinrich Isaac (» G. Henricus Isaac) das Kopieren von Noten und das Komponieren in allen wichtigen Gattungen der Zeit. Es darf davon ausgegangen werden, dass er mit seinem Lehrer an dessen umfassenden Zyklen für das Messproprium arbeitete, die später als » Choralis Constantinus publiziert werden sollten. 1512 fehlt Senfls Name in der Liste der kaiserlichen Sänger, was darauf hindeuten könnte, dass er zunehmend als Komponist wahrgenommen und spätestens ab dieser Zeit intensiver mit den Pflichten Isaacs betraut wurde, da dieser sich mehr und mehr in Florenz aufhielt. Obwohl er nach eigenen Aussagen nach Isaacs Tod (1517) zu dessen Nachfolger berufen wurde, scheint Senfl niemals offiziell zum Hofkomponist ernannt worden zu sein.

    Erst in München ist Senfls Stellung als „Componist“ gesichert belegbar. Hier war es seine Aufgabe die Münchner Hofkapelle nach dem Modell der kaiserlichen Kapelle zu reorganisieren, wobei er für die Komposition von weltlichen wie geistlichen Werken zu unterschiedlichsten Gelegenheiten Sorge zu tragen hatte: für repräsentative Treffen herrschaftlicher Persönlichkeiten (etwa im Vorfeld und im Rahmen des Reichstags von Augsburg 1530) ebenso wie für die verschiedenen geistlichen Dienste des Hofes (Messe, Stundengebet, Andacht; » Hörbsp. ♫ Mater digna dei), für die er unter Zuhilfenahme von Repertoire der ehemaligen kaiserlichen Hofkapelle, das er in verschiedener Hinsicht überarbeitete, ein umfangreiches Œuvre an Propriumskompositionen (En Opus Musicum) schuf , die den Werken seines Lehrers in nichts nachstehen. (» Abb. Introitus Benedicta sit)

     

     

  • Senfls Verbindungen zu Protestanten und Humanisten

    Senfl avancierte zu einem der wichtigsten und bekanntesten Vertreter von kunstvollen Motetten- und Liedkompositionen (» Hörbsp. ♫ Ach Elslein (Quodlibet)) im deutschsprachigen Raum in der Zeit vor und während der Reformation. Obwohl er sich niemals offen dazu bekannte, scheint er mit dem neuen Glauben sympathisiert zu haben. Wie seine Motette Ecce quam bonum zeigt, die bei der Eröffnung des Augsburger Reichstages 1530 zur Vermahnung an die beiden Glaubensparteien gesungen wurde, war er sich der theologischen Kontroversen der Zeit deutlich bewusst. Er unterhielt Kontakte zu protestantischen Kreisen in Augsburg und Nürnberg und korrespondierte mit den zentralen Figuren der Reformation, wie Martin Luther oder Herzog Albrecht von Brandenburg-Preußen, denen er (z. T. regelmäßig) auch Kompositionen übersandte.

    Wie sogar noch Senfls Grabstein vermerkt, waren für ihn zeitlebens aber auch die Verbindungen zu den führenden Humanisten seiner Zeit (wie etwa Joachim von Watt, Conrad Celtis, Simon Minervius; » I. Humanisten) von Bedeutung. Mit humanistischen Kreisen kam er bereits in der Hofkapelle Maximilians I. und an der Universität Wien in Berührung; möglicherweise war er sogar Mitglied in dem von Celtis gegründetem Collegium poetarum et mathematicorum. Besonders die 1530er Jahre scheinen für Senfl eine Hochzeit der Auseinandersetzung mit humanistischen Texten und der musikalischen Umsetzung humanistischer Ideale gewesen zu sein. Dies zeigt sowohl der 1534 erschienene Druck der Sammlung » Varia carminum genera (» Abb. Varia carminum genera), der 31 Oden Senfls enthält, als auch die in dieser Zeit entstandenen Motetten Martia terque quater (1530) (» Abb. Martia terque quater), Quid vitam sine te (1535) und Tristia fata boni (1532) – Werke, die nicht wie üblich den Inhalt des Textes berücksichtigen, sondern das Versmetrum (Längen und Kürzen) in den Notenlängen der Musik abbilden.

     

     

    Abb. Martia terque mater

    Abb. Martia terque mater

    Ludwig Senfls Motette Martia terque quater (1530).
    Kunsthistorisches Museum Wien, Schloss Ambras Innsbruck, KK 5370, fol. 2r. Kanonstimme (D, Ct und T): Beginn der Prima pars.

    Bei dieser außergewöhnlichen Quelle handelt es sich um ein gesticktes Stimmbuch. Es gehört zu einem Set einer seidenen Tasche mit goldener Borte, die insgesamt zwei vollständige Stimmbuchsätze enthält. Die Tasche und die beiden Stimmbuchsätze stammen aus der Kunstkammer von Erzherzog Ferdinand II. auf Schloss Ambras bei Innsbruck, wo sie nicht bei den Musikalien, sondern im Kuriositätenkabinett verwahrt wurden. Während ein Stimmbuchsatz Ludwig Senfls Preislied Aus gutem Grund für Anna von Ungarn enthält, präsentiert der zweite gestickte Satz die sechsstimmige Huldigungsmotette Martia terque quater, die den frisch gekrönten Kaiser Karl V. (Bologna, 1530) als Frieden bringender Kaiser Augustus apostrophiert.
    Die Einbände sind mit aufwändigen Perlenstickereien gestaltet und zeigen das kaiserliche Wappen (Discantus/Contratenor/Tenor) sowie die Reichsinsignien: Reichsapfel (Contratenor 2), Reichszepter (Vagans) und Reichsschwert (Bassus). Höchstwahrscheinlich handelt es sich um ein Geschenk von Senfls Dienstherren, Herzog Wilhelm IV. von Bayern, an Karl V. anlässlich eines Zusammentreffens in Innsbruck. Letzterer reiste nach seiner Kaiserkrönung am 24. Februar 1530 mit großem Gefolge über Innsbruck und München zum Reichstag nach Augsburg.
    (Lodes 2013, dort auch eine Neuübertragung des Stückes)

  • Senfls musikgeschichtliche Bedeutung

    Senfls Musik gewann um 1512 an Ansehen, wie die Quellen RISM 1512/1 und » D-As Cod. 2°142a zeigen, die die ersten Lieder und Motetten überliefern. Ab dieser Zeit bis zu seinem Tod war Senfl einer der fruchtbarsten und einflussreichsten Komponisten seiner Generation und seiner Musik wurde die Wertschätzung von Musikern und Musiktheoretikern gleichermaßen zuteil (» Sebald Heyden, De arte canendi, 1540: ‘in musica totius Germaniae nunc princeps’). Auch Jahrzehnte nach seinem Tod wurden seine Werke noch gesungen und für Intabulierungen bearbeitet. Darüber hinaus fanden sie bis ins 17. Jahrhundert Aufnahme in musiktheoretische Schriften (z. B. von Heinrich Glarean, Heinrich Faber, Lodovico Zacconi).

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Gasch, Stefan, und Tröster, Sonja: Senfl, Ludwig, in: Grove Music Online. Oxford Music Online [12.07.2016]

Ludwig Senfl. Werke – Musikalische Quellen – Dokumente, URL: www.senflonline.com [12.07.2016]


Empfohlene Zitierweise:
Stefan Gasch: „Ludwig Senfl“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/ludwig-senfl> (2016).