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Senfls Verbindungen zu Protestanten und Humanisten

Stefan Gasch

Senfl avancierte zu einem der wichtigsten und bekanntesten Vertreter von kunstvollen Motetten- und Liedkompositionen (» Hörbsp. ♫ Ach Elslein (Quodlibet)) im deutschsprachigen Raum in der Zeit vor und während der Reformation. Obwohl er sich niemals offen dazu bekannte, scheint er mit dem neuen Glauben sympathisiert zu haben. Wie seine Motette Ecce quam bonum zeigt, die bei der Eröffnung des Augsburger Reichstages 1530 zur Vermahnung an die beiden Glaubensparteien gesungen wurde, war er sich der theologischen Kontroversen der Zeit deutlich bewusst. Er unterhielt Kontakte zu protestantischen Kreisen in Augsburg und Nürnberg und korrespondierte mit den zentralen Figuren der Reformation, wie Martin Luther oder Herzog Albrecht von Brandenburg-Preußen, denen er (z. T. regelmäßig) auch Kompositionen übersandte.

Wie sogar noch Senfls Grabstein vermerkt, waren für ihn zeitlebens aber auch die Verbindungen zu den führenden Humanisten seiner Zeit (wie etwa Joachim von Watt, Conrad Celtis, Simon Minervius; » I. Humanisten) von Bedeutung. Mit humanistischen Kreisen kam er bereits in der Hofkapelle Maximilians I. und an der Universität Wien in Berührung; möglicherweise war er sogar Mitglied in dem von Celtis gegründetem Collegium poetarum et mathematicorum. Besonders die 1530er Jahre scheinen für Senfl eine Hochzeit der Auseinandersetzung mit humanistischen Texten und der musikalischen Umsetzung humanistischer Ideale gewesen zu sein. Dies zeigt sowohl der 1534 erschienene Druck der Sammlung » Varia carminum genera (» Abb. Varia carminum genera), der 31 Oden Senfls enthält, als auch die in dieser Zeit entstandenen Motetten Martia terque quater (1530) (» Abb. Martia terque quater), Quid vitam sine te (1535) und Tristia fata boni (1532) – Werke, die nicht wie üblich den Inhalt des Textes berücksichtigen, sondern das Versmetrum (Längen und Kürzen) in den Notenlängen der Musik abbilden.

 

 

Abb. Martia terque mater

Abb. Martia terque mater

Ludwig Senfls Motette Martia terque quater (1530).
Kunsthistorisches Museum Wien, Schloss Ambras Innsbruck, KK 5370, fol. 2r. Kanonstimme (D, Ct und T): Beginn der Prima pars.

Bei dieser außergewöhnlichen Quelle handelt es sich um ein gesticktes Stimmbuch. Es gehört zu einem Set einer seidenen Tasche mit goldener Borte, die insgesamt zwei vollständige Stimmbuchsätze enthält. Die Tasche und die beiden Stimmbuchsätze stammen aus der Kunstkammer von Erzherzog Ferdinand II. auf Schloss Ambras bei Innsbruck, wo sie nicht bei den Musikalien, sondern im Kuriositätenkabinett verwahrt wurden. Während ein Stimmbuchsatz Ludwig Senfls Preislied Aus gutem Grund für Anna von Ungarn enthält, präsentiert der zweite gestickte Satz die sechsstimmige Huldigungsmotette Martia terque quater, die den frisch gekrönten Kaiser Karl V. (Bologna, 1530) als Frieden bringender Kaiser Augustus apostrophiert.
Die Einbände sind mit aufwändigen Perlenstickereien gestaltet und zeigen das kaiserliche Wappen (Discantus/Contratenor/Tenor) sowie die Reichsinsignien: Reichsapfel (Contratenor 2), Reichszepter (Vagans) und Reichsschwert (Bassus). Höchstwahrscheinlich handelt es sich um ein Geschenk von Senfls Dienstherren, Herzog Wilhelm IV. von Bayern, an Karl V. anlässlich eines Zusammentreffens in Innsbruck. Letzterer reiste nach seiner Kaiserkrönung am 24. Februar 1530 mit großem Gefolge über Innsbruck und München zum Reichstag nach Augsburg.
(Lodes 2013, dort auch eine Neuübertragung des Stückes)