„Musica Lauten und Rybeben“: Lauten und Streichinstrumente
Im Triumphzug folgt etwas nach den Pfeifern und Trommlern der erste Musikerwagen, betitelt „Musica Lauten und Rybeben“ (» Abb. Triumphzug Lauten), auf dem fünf Musiker sitzen, die drei verschieden große Lauten und zwei grössere Streichinstrumente spielen. Diese vertikal gehaltenen Instrumente können als Viole da gamba bezeichnet werden, die Bezeichnung am maximilianischen Hof war dafür „Ribebe“. Dieser Name lässt sich von dem arabischen Rebab (rabāb) ableiten und ist bislang vor allem in Italien als Bezeichnung für ein grösseres Streichinstrument belegt. In jedem Fall handelt es sich um ein Lehnwort, das Instrument wurde also mit einer fremden Herkunft verbunden; allerdings unterscheidet es sich optisch von zeitgenössischen italienischen Darstellungen. Als „Maister“, also der hervorragendste dieser Musiker, wird ein gewisser Artus genannt, der wohl durch einen bereits älteren Mann in der Mitte des Wagens verkörpert ist. Dieser Artus hieß tatsächlich Albrecht Morhanns, firmierte aber als Artus von Enntz Wehingen.[15] Geboren um 1460 nahm er als Leibeigener an der berühmten Pilgerfahrt des Freiherrn Werner von Zimmern 1483 ins Heilige Land teil, betraut mit den Aufgaben eines Barbiers und Lautenspielers. Ausdrücklich wegen seiner besonderen Künste als Lautenist versuchte ihn Maximilian in sein Gefolge zu ziehen, so wurde er 1489 „seiner kunst schickligkeit und genediger neygung willen“ von seiner Leibeigenschaft freigesprochen. In der Folge lässt sich Artus als „des Rö. kunigs luttesschlaher“ belegen, oftmals wird er dabei mit einem zweiten Lautenisten genannt, mit dem er offenbar im Duo auftrat.[16] Ein solches Lauten-Duo ist im 15. und frühen 16. Jahrhundert gut belegt: Ein Spieler, als „tenorista“ bezeichnet, spielt den Tenor bzw. gibt ein klangliches Gerüst vor (etwa eines Liedes, einer Motette oder einer Bassedanse), während der andere Spieler, der „diskantista“, darüber improvisiert. Kennzeichen dieser Spielweise ist die Verwendung eines Plektrums, etwa ein Federkiel, mit der besonders rasche und virtuose Läufe möglich waren.[17]
Einer der jüngeren Musiker auf dem gleichen Wagen könnte Adolf Blindhamer (ca. 1480–vor 1532) darstellen, der 1503 erstmals am Hof als Lautenist belegbar ist.[18] Den Titel „lawtenslaher kays. Mt“ behielt er bis zum Tode Maximilians bei, obwohl er 1514 in Nürnberg als Bürger aufgenommen wurde, um „den Jungen auf der lauten und anndern Instrumenten“ Unterricht zu erteilen. Besonders bedeutsam ist, dass sich ein Manuskript mit Kompositionen und Einrichtungen für die Laute von Blindhamer erhalten hat, das Einblick in die konkrete Musik der Lautenisten am Hofe Maximilians bietet (vgl. Kap. Lautenintabulierungen von Adolf Blindhamer). Hier zeigt sich eine polyphone Spielweise, bei der mehrere Stimmen zugleich mit den Fingern gezupft werden.
Die genannten „Rybeben“ wurden wohl von den gleichen Musikern gespielt, galten Laute und Gambe doch noch länger als zusammengehörige bzw. ähnliche Instrumente, wie die frühesten Lehrwerke für diese beiden Instrumente belegen (z. B. die von Hans Judenkünig, Wien 1523, oder von Hans Gerle, Nürnberg 1532) und wie es die gleichartige Einrichtung der Saiten und Bünde bzw. Stimmung auch nahelegt. Es wurde vermutet, dass die Nennung von drei bis vier „geyger“‘ des Kaisers (erstmals 1515) sich auf ein Ensemble solcher Gamben beziehe, wie es zur gleichen Zeit auch an italienischen Höfen belegt ist.[19] Dies muss allerdings Vermutung bleiben, da außer der wenig spezifischen Angabe „kay. Mt. Geygern“ nicht mehr als die Namen der Spieler bekannt sind (Caspar und Gregor Egkern, Jorigen Berber und Heronimus Hager), nichts aber zu ihren Instrumenten. Caspar Egkern erscheint einige Jahre zuvor auch als „Kay. Mayt. busaner“ bzw. „Kay Mayt pfeyffer“, demnach war er nicht auf ein bestimmtes Instrument beschränkt.[20]
[15] Vgl. Gombosi 1932/33; Heinzer 1999, 92 ff.
[16] Polk 1992, 86 (mit Nachweisen u.a. aus Augsburger Archiven).
[17] Vgl. Kirnbauer 2005.
[18] Vgl. Kirnbauer 2003, 243–248 (dort auch zum Folgenden).
[20] Laut Zahlungen in den Augsburger (D-As) Baumeisterbüchern Nr. 103 (1509), fol. 24v, und Nr. 104 (1510), fol. 28; freundliche Mitteilung von Keith Polk.
[1] Zum Triumphzug, seinen unterschiedlichen Versionen und der komplexen Entstehungsgeschichte informiert Appuhn 1979 und Michel/Sternath 2012; zur Bedeutung für Maximilian Müller 1982; zum Verhältnis zwischen Abbildung und Realität Polk 1992; das Zitat stammt aus der frühesten erhaltenen Formulierung des ikonographischen Programms des Triumphzugs 1512 in » A-Wn Cod. 2835, fol. 3v.
[2] Koczirz 1930/31, 531 f.
[4] Nedden 1932/33, 27 (Zitat aus den Augsburger Baumeisterbüchern von 1491, den Kassenbüchern des Rats über Ein- und Ausgaben).
[5] Vgl. Simonsfeld 1895, 267 f.
[6] Vgl. Strohm 2009, 98.
[7] Zitiert nach Waldner 1897/98, 2.
[8] Treitzsaurwein 1775, 78.
[9] Vgl. Schwindt 2012.
[10] Sie erhält im Juni 1520 bei der Auflösung der Hofkapelle nach dem Tode von Maximilian die hohe Summe von 50 Gulden „zu Irer vnderhaltung vnd Zerung“; Koczirz 1930/31, 535.
[11] Wie beispielsweise „Hannsen pfeiffer vnnd matheusen Trumelschlacher“, die 1491 ausdrücklich für ihre Dienste „bei Tanz“ an der Fasnacht bezahlt werden; Waldner, 1897/98, 52.
[12] Appuhn 1979, 172 f.
[13] Für eine Zusammenstellung der musikrelevanten Abbildungen siehe Henning 1987, 69–94
[15] Vgl. Gombosi 1932/33; Heinzer 1999, 92 ff.
[17] Vgl. Kirnbauer 2005.
[18] Vgl. Kirnbauer 2003, 243–248 (dort auch zum Folgenden).
[20] Laut Zahlungen in den Augsburger (D-As) Baumeisterbüchern Nr. 103 (1509), fol. 24v, und Nr. 104 (1510), fol. 28; freundliche Mitteilung von Keith Polk.
[21] Vgl. Jahn 1925, 10 ff., und Kirnbauer 2000, 25 ff.
[22] Kirnbauer 1992, 131.
[23] Nedden 1932/33, 31.
[24] Vgl. Polk 1989a; Polk 1989b.
[25] Hintermaier 1993, 38.
[26] Vgl. Brief von Paul Hofhaimer an Joachim Vadian am 14. Mai 1524; Moser 1966, 56.
[29] Nowak 1932, 84.
[30] Praetorius 1619, 148.
[31] So der Wortlaut in der Formulierung des ikonographischen Programms in » A-Wn Ms. 2835, fol. 8v.
[32] Vgl. Welker 1992, 189–194.
[33] Aich 1515, Titelblatt des Tenor-Stimmbuchs; zur Datierung siehe Schwindt 2008, 117 ff.
[34] Vgl. Bernoulli/Moser 1930, v–vii.
[35] Vgl. Brinzing 1998, 137–154; Filocamo 2009.
[37] » A-Wn, Mus. Hs. 41950; Faksimile und Beschreibung in Kirnbauer 2003. Lautentabulaturen der nächsten Generation aus dem süddeutschen Sprachraum beschreibt » H. Lautenisten und Lautenspiel (Kateryna Schöning).
[38] Gerle 1533, fol. IIv.
[39] Vgl. Moser 1966, 26 und 182, Fußnote 35.
[40] Vgl. Moser 1966, 137–140; Radulescu 1978, 66 f.; siehe auch » C. Orgeln und Orgelmusik.
Empfohlene Zitierweise:
Martin Kirnbauer: „Instrumentalkünstler am Hof Maximilians I.“, in: Musikleben des Spätmittelalters in der Region Österreich <https://musical-life.net/essays/instrumentalkunstler-am-hof-maximilians-i> (2016).