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Der Wiener Codex 5094

Bernhold Schmid

Der Codex 5094 der Österreichischen Nationalbibliothek Wien (» A-Wn Cod. 5094)[1], eine kanonistische Sammelhandschrift aus dem zweiten und dritten Viertel des 15. Jahrhunderts enthält als Anhang eine Anzahl von Musikstücken, ein buntes Repertoire, das von geistlichen Gesängen wie Ordinariumsmelodien und Hymnen bis zu Chansons von Du Fay reicht. Zur Herkunft und Geschichte der Handschrift vgl. » K. A-Wn, Cod. 5094: Souvenirs aus einem Wiener „Organistenmilieu“.[2] Dieser Musikanhang besteht aus mehreren Teilen, von denen die meisten älter sein dürften als die Handschrift selbst; einige dieser Teile stammen höchstwahrscheinlich aus Wien bzw. der Diözese Passau. Bemerkenswert ist die Vielfalt an Notationen. Wohl kaum eine musikalische Quelle aus dem 15. Jahrhundert dürfte auf vergleichbar engem Raum ein derartiges Spektrum bieten wie der Codex 5094: Buchstabennotation ist ebenso vertreten wie Choralschrift (Hufnagel- und Quadratnotation), es findet sich eine Orgeltabulatur (» C. Die Überlieferung der Musik für Tasteninstrumente (1400–1520)), des Weiteren Beispiele für die diversen Möglichkeiten, cantus fractus (ursprünglich einstimmige, mitunter auch mehrstimmig gesetzte liturgische Gesänge, die von Haus aus Rhythmus tragen: vgl. » A. Rhythmischer Choralgesang) zu notieren. Mit dem gemischten Repertoire wechseln die Notation und die Schreiberhände, Pragmatik herrscht vor, die kodifizierten Regeln der Mensuralnotation spielen eine eher geringe Rolle.

[1] Vgl. Census-Catalogue of Manuscript Sources of Polyphonic Music 1400-1550, 5 Bände, Stuttgart 1979-1988, Band 4, 89; » F. Quellenporträts.

[2] Eine erste inhaltliche Auflistung bei Strohm 1984, 227-228.