Das Fronleichnamsfest
„Fronleichnam“ (Leib des Herrn oder Corpus Christi), seit 1264 als allgemeines Kirchenfest begangen, war das Fest des göttlichen Leibes als Leib der christlichen Gesellschaft. Es war ein Sommerfest mit öffentlicher Prozession, in deren rituellem Mittelpunkt die von Priestern unter einem Baldachin getragene Monstranz mit der Hostie stand. Teilnehmer der Prozession drängten sich um Nähe zum Allerheiligsten, so dass Prozessionsordnungen erstellt werden mussten, die europaweit ähnlich aussahen: Eröffnet wurde die Prozession von Blumen streuenden, oft als Engel gekleideten Kindern und Messdienern mit Glocken und Weihrauchkesseln. Es folgten in hierarchischer Ordnung Handwerkerzünfte und städtische Bruderschaften mit Fahnen und Kerzen. Weltkleriker und Mönche, unter sich nach Rang gereiht, durften dem Allerheiligsten am nächsten sein. Weltliche Würdenträger der Gemeinde trugen den Baldachin. Danach zogen die ranghöheren, später die niedrigeren Personengruppen der Gemeinde durch die Straßen und Wege, an deren Rand Auswärtige und Angehörige unehrlicher Stände zuschauen durften. Die Gemeinden gaben für die Fronleichnamsprozession viel Geld aus und investierten enorme Mühe, um den Weg der Prozession zu schmücken. Nicht selten gab es Streitigkeiten um die Reihung und den Platz in der Prozession. So wurde die Gestaltung des Fronleichnamsfestes immer mehr zur Selbstdarstellung der Gemeinden. Aus der liturgischen Prozession wurde ein Ereignis, das die hierarchische Ordnung und Verteilung auch der weltlichen Macht abbilden sollte. (Eine Ordnung der Wiener Fronleichnamsprozession von St. Stephan ist wiedergegeben in » E. SL Fronleichnamsprozession) Mancherorts wurde der Prozession noch ein Fronleichnamsspiel angefügt, bei dem sich die Menge wieder relativ ungeordnet traf. [5]
Der Brixner Dommesner Veit Feichter, der im 16. Jahrhundert seine Aufgaben bei althergebrachten kirchlichen Bräuchen aufgezeichnet hat, berichtet ausführlich über die Brixner Prozession am „antlas tag“ (Fronleichnamstag).[6] Das dabei entworfene Bild gleicht im Allgemeinen dem europaweit Üblichen mit einigen lokalen, für eine Bischofsstadt charakteristischen Varianten: Adelige, wohl Brixner Stadtadelige, tragen den Himmel (Baldachin) über der Monstranz. Eine Betbank wird mitgenommen, um jedes Mal, wenn die Prozession steht, die Monstranz abstellen zu können. Sobald sich die Prozession vom Dom aus in Bewegung setzt, wird geläutet und der Mesner muss für die Einhaltung der Prozessionsordnung sorgen: Er reiht Bruderschaften, Jungfrauen, Schüler, Chor, die Priesterbruderschaft, die Gottesleichnam- und Sebastianbruderschaft und schließlich die Zimbelträger (Träger von kleinen Becken aus Silberbronze) vor dem Himmel ein. Es gibt vier Altäre innerhalb der Stadt, vor denen Station gemacht wird. Ab der letzten Station wird vom Dom her geläutet, bis der Himmel mit der Monstranz vor dem großen Domportal ankommt. Dann trägt der Offiziant das Sakrament zum Choraltar hinauf. Die Mitwirkung der Stadt beschränkt sich auf die Bereitstellung von Altären an den Stationen und auf die Ordnungsfunktion der Stadtboten bei der Reihung der Prozessionsteilnehmer, wobei der Dommesner sich die Oberaufsicht vorbehält. Von einem Fronleichnamsspiel ist nicht die Rede.[7] (Zur Sterzinger Spielhandschrift und weiteren geistlichen Spielen vgl. » H. Musik und Tanz in Spielen und » H. Sterzinger Spielarchiv)
[5] Rubin 1992, 309–318.
[6] Hofmeister-Winter 2001, 347–350, fol. 131v–132v.
[7] Ein Fronleichnamsspiel steht in der „Neustifter-Innsbrucker Spielhandschrift“ des Augustiner-Chorherrenstifts Neustift (» A-Iu Cod. 960, fol. 51r–59r); vgl. Thurnher/Neuhauser 1975. Allerdings wurde diese aus Thüringen stammende Handschrift in Tirol nicht praktisch verwendet.
[1] Schreiner 1992b, 1–13.
[2] Schreiner 1992b, 13–26; 27–41.
[3] Machilek 1992, 157–189.
[5] Rubin 1992, 309–318.
[6] Hofmeister-Winter 2001, 347–350, fol. 131v–132v.
[7] Ein Fronleichnamsspiel steht in der „Neustifter-Innsbrucker Spielhandschrift“ des Augustiner-Chorherrenstifts Neustift (» A-Iu Cod. 960, fol. 51r–59r); vgl. Thurnher/Neuhauser 1975. Allerdings wurde diese aus Thüringen stammende Handschrift in Tirol nicht praktisch verwendet.
[8] Brückner 1992, 18.
[9] Hofmeister-Winter 2001, 317, fol. 115v.
[10] Hofmeister-Winter 2001, 319, fol. 117r. Diese wohl realistische Befürchtung hat inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem Salzburger Spottlied „Die Pinzgauer wollten wallfahrten gehn; sie täten gerne singen, sie konntens nit gar schön“ (um 1800 entstanden).
[11] Hofmeister-Winter 2001, 317, fol. 116r.
[12] Hofmeister-Winter 2001, 304–311, fol. 109r–112v.
[13] Hofmeister-Winter 2001, 309, fol. 111v/112r.
[14] Hofmeister-Winter 2001, S. 307, fol. 110v.
[16] Stürz 1978, 43–60.
[17] Ohler 1986, 282–298.
[18] Schwob 2007, 66–68.
[19] Schwob/Schwob 1999-2013, Nr. 233.
[20] Schwob 2009, 17–28.
[21] Schwob/Schwob 1999–2013, Nr. 163.
[22] Schwob/Schwob 1999–2013, Nr. 377.
[23] Hochenegg 1984, Listen, passim.
[24] Bestände im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Südtiroler Landesarchiv Bozen, Diözesanarchiv Brixen.
[25] Schwob 1989, 291–326.
[26] Hochenegg 1984, 226–227.
[27] Pfarr- und Dekanatsarchiv Bruneck, Or. Perg. Urk. 1431 Oktober 2.
[28] Sinnacher 1830, 486–487.
[29] Angenendt 1997, 77–79.
[30] Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, FB 32040.
[31] Wielander 1959, 3–88, Zitate; 86, 3.
[32] Bibliothek des Priesterseminars Brixen, Cod. F/5 (149).
[33] Spicker 2007, 86–118.
[34] Andergassen 2011, 77–79.