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Devotio Moderna – Schwestern und Brüder vom gemeinsamen Leben

Ute Monika Schwob

Eine neue, „heutige Frömmigkeit“ wünschte sich der Patriziersohn Geert Groote aus Deventer (1340–1384) nach seinem Umkehrerlebnis infolge einer schweren Erkrankung. Er hatte lange in Paris wie anderorts studiert und einträgliche Kanonikate sammeln können, bevor er zu den Karthäusern bei Arnheim ging, um in diesem religiösen Vorbildorden seiner Zeit neue Ideale vom gemeinsamen Leben in der Nachfolge Jesu zu entwickeln: Nicht ekstatische mystische Gottesvereinigung oder lebensfremde scholastische Spekulation, sondern Suche nach dem einfachen Weg zu Gott durch Betrachtung des Lebens Jesu und Arbeit in Demut und Armut, dazu ein Zusammenleben wie in der Urkirche waren seine Leitbilder. Er überließ sein Haus in Deventer frommen Frauen, die unter Leitung einer Meisterin ein klösterliches Leben führen und sich mit eigener Arbeit ernähren wollten. Daneben begründete er ähnliche Häuser für Männer, Kleriker und Laien, die auf die üblichen Standes- und Ordensprivilegien verzichten und ohne Habit, Gelübde und Klausur unter einem Rektor ihre Frömmigkeit entfalten sollten. Intensive Lektüre zur individuellen Erbauung und gegenseitigen Ermunterung, Meditation anhand von selbst exzerpierten Merksätzen, schriftliche Gewissenserforschung und vor allem das Abschreiben von religiösen Texten wurde in diesen Häusern besonders gepflegt.[29]

Wohl inspiriert von den Kartäusern – in Tirol war es die Kartause Schnals, die durch das Abschreiben von Büchern bekannt wurde – wollten die Vertreter der neuen Frömmigkeit mittels ihrer Kopierarbeit selbst an volkssprachlicher geistlicher Lektüre und gleichzeitig an deren Verbreitung teilhaben. Der Anteil der Devotio Moderna an der Buch- und Lesekultur des Spätmittelalters ist bedeutend, zumal sich diese Frömmigkeitsbewegung rasch von den Niederlanden nach Deutschland, Frankreich und Spanien ausbreitete. Auch im österreichischen Raum ist ihr Gedankengut spürbar geworden. Sie förderten volkssprachliche Lesetexte: vor allem Erbauungs- und Visionsliteratur, Viten Jesu und Mariens, katechetische Unterweisungen sowie Lieder in Hymnen- und Sequenzenform. Sie rechneten mit dem lesenden Laien, der gehorsam gegenüber der Kirche, aber nicht ohne Eigeninitiative religiöse Bücher zur Hand nimmt und selbständig mit den Texten umgehen kann.

[29] Angenendt 1997, 77–79.