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Beginen und Begarden

Ute Monika Schwob

Vorwiegend in Städten lebten jene frommen Frauen (mulieres religiosae), die eine Lebensform zwischen Laien- und Ordensstand suchten: Gemeinschaftlich, aber ohne approbierte Regel, zu Armut, Keuschheit, Askese und Gebet verpflichtet, aber ohne Gelübde, karitativ besonders in der Krankenpflege engagiert, ihren Unterhalt durch Handarbeit erwerbend, aber auch von eingebrachten Spenden oder Stiftungen lebend, haben die Beginen vom Raum des heutigen Belgien ausgehend vor allem in West- und Mitteleuropa eine beeindruckende Rolle gespielt. Wie die Anhänger der allgemeinen Armutsbewegung im 12. und 13. Jahrhundert oder Büßergemeinschaften und Bruderschaften im Spätmittelalter suchten sie eine ständisch unabhängige religiöse Lebensform in der Nachfolge Christi. Zugleich galten ihre Gemeinschaften als materielle und geistige Versorgungsmöglichkeit für vornehmlich bürgerliche Frauen, die unter Leitung einer Vorsteherin nach jeweiligen Hausstatuten in eigenen Beginenhäusern lebten und eine für ihre Stadt nicht unerhebliche wirtschaftliche Aktivität entwickelten, vor allem im Textilgewerbe. Beginen suchten Selbstheiligung durch Gebet, Kontemplation und Arbeit sowie kirchliche Betreuung durch Vertreter des Welt- und Ordensklerus. Obwohl sie nicht zu Kritik an der kirchlichen Hierarchie tendierten, sich kaum für subtile theologische Probleme interessierten und nur ein schlichtes, am Evangelium ausgerichtetes Leben anstrebten, gerieten sie mancherorts unter den Druck der städtischen, staatlichen oder kirchlichen Obrigkeiten, so dass sich zahlreiche Beginenkonvente den dritten Orden der Mendikanten anschlossen oder eine sonstige approbierte Regel, etwa die der Augustiner Chorherren, übernahmen. – Vor allem wurden ihre männlichen Pendants, die Begarden, von Obrigkeiten verdächtigt, den Häresien der Armutsbewegung, der Sekte der Brüder und Schwestern des freien Geistes oder den Lollarden nahe zu stehen, was heftige Verfolgungen auslöste.

Obwohl Beginen nicht ausgerechnet in Tirol zu vermuten sind, gab es solche im 15. und 16. Jahrhundert nachweislich in Bruneck: 1431 übergab Anna, wohlhabende Witwe des Heinrich Schidmann von Bozen, „den frumen Schwestern in daz schwester haws gen praunekg gelegen in ober dorf vor der stat“ eine beachtliche Geldsumme, damit diese Gott umso besser dienen mögen, ihren Lebensunterhalt haben und ihr Haus renovieren können. Sollte das Schwesternhaus geschlossen werden, fällt die Spende an das Heilig Geist-Spital von Bruneck.[27] Dass es sich bei den „frommen Schwestern“ in Bruneck tatsächlich um Beginen gehandelt hat, bestätigt 1502 der Brixner Bischof Melchior von Meckau, der sie „Begutten, vulgo petschwestern“ oder „Beguinen“ nennt, ihnen Regeln gibt und sie verpflichtet, bei Bedarf Krankendienst zu leisten.[28]

[27] Pfarr- und Dekanatsarchiv Bruneck, Or. Perg. Urk. 1431 Oktober 2.

[28] Sinnacher 1830, 486–487.