Dorothealegende
Die Handlung des Dorothea-Spiels orientiert sich an einer Fassung der Legende, wie sie sich im Anhang der Legenda aurea findet. Dieses erfolgreichste religiöse Volksbuch des Mittelalters bediente das sensationshungrige Publikum mit detaillierten Schilderungen von Folterungen und Hinrichtungsarten. Durch die Diabolisierung von Leiblichkeit und die Verherrlichung von Askese und Selbstaufgabe wurde ein christliches Menschenideal geschaffen, das sich in allen Belangen der Kirche unterwarf. In der Legende ist Dorothea die jüngste Tochter des Senators Dorus und seiner Frau Thea, die vor der Christenverfolgung zur Zeit Diocletians nach Caesarea umgezogen waren. Als der heidnische Statthalter Fabricius, verführt vom Teufel, um die Hand der tugendsamen Schönheit anhält, weist diese ihn ab, weil sie sich bereits Jesus versprochen habe. Wutentbrannt befiehlt Fabricius, sie zu foltern. Zunächst wirft man sie in siedendes Öl, sie aber fühlt sich, als sitze sie in einer Blumenwiese. Als sich viele Heiden dadurch bekehren, lässt Fabricius Dorothea ohne Nahrung neun Tage lang in den Kerker sperren, wo ihr ein Engel Speisen bringt. Dann will man sie zwingen, ein Götzenbild anzubeten, doch zerstören Engel das Bild. Daraufhin wird Dorothea auf die Folter gespannt, doch am nächsten Tag ist ihr Körper wieder unversehrt. Auch ihre Schwestern Christe und Caliste, die sich aus Angst vom Glauben abgewandt hatten, bekennen sich nach dem Gespräch mit ihr wieder zu Christus und werden auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Weil Dorothea die Prügel der Henkersknechte gleichfalls unbeschadet übersteht, soll sie schließlich enthauptet werden. Auf dem Weg zum Schafott spottet der Jurist Theophil, sie solle ihm doch Früchte aus dem Paradies schicken. Tatsächlich überbringt ihm nach dem Tod Dorotheas ein Knabe eine Schale mit Blumen und Früchten – mitten im Winter. Beeindruckt davon bekennt sich Theophil öffentlich als Christ und wird mit glühenden Zangen zu Tode gefoltert.
[1] Vgl. u. a. Müller 2004 und Fischer-Lichte 2004.
[2] Dies im Unterschied zu anderen Gattungen des mittelalterlichen Dramas, z. B. den Passions- und Osterspielen.
[3] „Johannes Seld de Lewbsa“, Sohn des Ulreich Seld, immatrikulierte 1401 an der Wiener Universität. 1433 verpfändete er für ein Darlehen eineinhalb Joch eines in Langenlois gelegenen Weingartens an den Kremsmünsterer Abt. Nicht zu verwechseln mit dem späteren Rektor „Johannes Seld de Wyenna“, vgl. Uiblein 1999, 108f.
[5] Vgl. Ukena 1975, 337–349.
[6] Vgl. A-Iu Cod. 960, fol. 4v, bzw. Thurnher /Neuhauser 1975, unpaginiert.
[7] Vgl. Treutwein 1987, S. 280.
[8] Vgl. Milchsack 1881, S. 13.
[9] Pfeiffer 1862, 29–47, hier 43. Zu Berthold von Regensburg vgl. auch » J. Formen der Laienfrömmigkeit und » Abb. Berthold von Regensburg.
[10] Vgl. Stalmann/Ameln 1997, 120 und Becker 2001, 42–50.
[11] Zur Funktion und Aufteilung der Silete-Rufe vgl. Biermann 1977, 47–52. Vgl. auch » H. Sterzinger Spielarchiv.
[12] Nachdrücklich weist Jefferis 2010, passim, auf diese Beziehung hin.
[14] Neumann 1987, 819.