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Die Tradition des christlichen Rittertums

Ute Monika Schwob

Adelige vereinigten sich in Bruderschaften, genossenschaftlichen Bündnissen oder „Orden“, gingen mit ihresgleichen auf bestimmte Wallfahrten, taten sich zu Pilgerreisen zusammen und traten in Gruppen von Standesgenossen zum Glaubenskrieg an. [3] In ihrem Willen, Gott mit Hingabe und Ehrfurcht zu dienen, unterschieden sie sich nicht grundsätzlich von anderen Zeitgenossen, wenn auch die Widersprüche zwischen ihren elitären, weltlich und militärisch orientierten Lebensformen und ihren Frömmigkeitsübungen gelegentlich extrem ausfielen.  (Zur Religionsauffassung des Adels generell vgl. » D. Kirche, Hof, Ritual)

Neben der Möglichkeit, durch Stiftungen zugleich der Kirche und dem eigenen Adelshaus zu dienen, fand die Idee der Pilgerfahrt zu Stätten des frühen Christentums, verbunden mit der Idee des Heiligen Krieges, das heißt des Ritterkampfes im Dienst der Kirche, besonderen Anklang beim Adel. Das 15. Jahrhundert war eine Blütezeit der adeligen Pilgerfahrt ins Heilige Land, der Heilig-Grab-Frömmigkeit und Heilig-Kreuz-Verehrung. Auch die peregrinatio zum Grab des Apostels Jakobus d. Ä. in Santiago de Compostela und Pilgerfahrten nach Rom und Aachen interessierten den Adel, wenn auch nicht so exklusiv wie die Palästinafahrt, durch die sich übrigens jeder angehende Ritter den Ritterschlag verdienen konnte. Der Ritterschlag gehörte auch zu den Belohnungen, die junge Adelige nach dem Abschluss eines Feldzugs gegen die (angeblich) heidnischen Litauer in Preußen erwarten konnten. Der Kampf gegen „Ungläubige“ und „Ketzer“ als gepriesene Frömmigkeitsübung der europäischen Kriegerkaste – gespiegelt in spätmittelalterlichen Ordensgesellschaften, wie der mit „St. Jörgenschild in Schwaben“ oder dem von König Sigismund begründeten „Drachenorden“ – stieß freilich in den Hussitenkriegen auf eine ernüchternde Lebensrealität, denn diese „ketzerischen“ Bauern und Städter erwiesen sich erschreckend oft als überlegene Krieger. Da mag es manchem Adeligen tunlich erschienen sein, statt zu kämpfen einer Bruderschaft oder „Einung“ mit verpflichtenden Gebetsübungen beizutreten, sich an Kirchfahrten oder Wallfahrten in der näheren Umgebung seines Wohnsitzes zu beteiligen oder, sofern er lesen konnte, womöglich für ihn persönlich zusammengestellte religiöse Literatur zu studieren. Ikonographisch sah sich der fromme Adelige vorzugsweise bewaffnet und gerüstet als miles christianus (christlicher Ritter): vgl. » D. Musik in der Burg).

Grabdenkmäler und Stifterbilder wie der 1408 für die St. Oswald-Kapelle im Brixner Dom geschaffene Marmorgedenkstein Oswalds von Wolkenstein verweisen mit Attributen wie Brustpanzer, Langschwert, Helmzier und Familienwappen auf den Kriegerstand des Dargestellten, Kreuzstandarte sowie ein Kreuz auf der Gürtelschließe auf die militia Christi als oberste Standespflicht.

 

Abb. Memorialbild Oswalds

Memorialbild Oswalds

Memorialbild Oswalds von Wolkenstein (Marmorrelief) aus dem Dom von Brixen (jetzt im nördlichen Arkadenhof des Domes), vermutlich 1408 aufgestellt, als Oswald zur Pilgerfahrt ins Heilige Land aufbrach (vgl. Schwob 1977).

 

Manchmal tragen die solcherart Verewigten Abzeichen von Ritterorden, die sich dem Kampf gegen Ungläubige verschrieben hatten. Adelige Frauen hingegen wurden der Mit- und Nachwelt unabhängig von ihrem tatsächlichen Verhalten gern als demütig fromme Beterinnen vorgestellt. Als geradezu klassische Beispielsammlung für die Ausübung spätmittelalterlicher Adelsfrömmigkeit im Kontrast zur weltlichen Lebensweise dieses Standes seien hier die „Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein“ genannt.[4]