Frömmigkeitsformen des Adels
Dem Adel gelang es früher als anderen Standesgruppen, aus den gemeinchristlichen Frömmigkeitsformen solche für sich auszuwählen und vorwiegend zu pflegen, die seinem Stand angemessen und nützlich schienen. Adelige besaßen die Mittel, durch Stiftungen ihr Gedächtnis sowie das ihrer Ahnen und Nachkommen „für ewige Zeiten“ abzusichern. Sie konnten sich auf ihren Burgen und in Kirchen ihrer Umgebung eigene Kapellen oder wenigstens Altäre mit Patronen ihrer Wahl leisten. Solche Burgkapellen waren oft nur kleine Bauwerke, aber mit einer würdigen, manchmal kostspieligen Ausstattung (» D. Musik in der Burg). Nach Möglichkeit besetzte man sie mit einem Burgkaplan, der für Gottesdienste, Predigten, die geistliche Betreuung der Burgbewohner, insbesondere der Frauen, und für die erste geistige Ausbildung der Kinder zuständig war.
Der Stiftungswilligkeit des mittelalterlichen Adels verdankten Klöster und Kirchen ihre ökonomischen Grundlagen. Zwar haben auch Vertreter der höheren Geistlichkeit und Angehörige städtischer Oberschichten gestiftet; aber erstere stammten fast durchwegs aus dem Adel und Letztere wollten wie Adelige handeln. Im Gegenzug zu ihrer Opferbereitschaft erwarteten die Stifter himmlischen Lohn, abgesichert durch Gebetsverpflichtungen der begünstigten kirchlichen Institutionen, durch feierliche Grablegungen und Grabriten, regelmäßige Gedenkgottesdienste und eine systematische Pflege der memoria des Stifters mit seiner gesamten Familie einschließlich wiederkehrender Kanzelverkündigungen. In Stiftungsurkunden und Testamenten der Stifter einerseits, Nekrologen, Anniversarien oder Jahrtagsverzeichnissen der Bedachten andererseits, wurden die beiderseitigen Leistungen penibel festgehalten und noch im Spätmittelalter als „ewig“ gültig angesehen.
Das Ausmaß einer Stiftung hing vom Willen und Wohlstand des Stifters ab. Fürsten und hohe Adelige konnten naturgemäß mehr investieren als etwa landständische Niederadelige. Letztere stifteten im Spätmittelalter vorzugsweise Kapellen oder Seitenaltäre in Stifts-, Dom- oder Pfarrkirchen. Die eigenständige Patrozinienwahl, die Möglichkeit, ihre Kapelle mit Familienwappen und Stifterbildern auszustatten und dort mit selbst besoldeten Kaplänen, umgeben von ihrer Familie separate Gottesdienste zu feiern, kam ihren adeligen Privilegienansprüchen entgegen. Außerdem schufen die Beziehungen zu Ordensoberen, Dompröpsten oder Pfarrherren, die Nutznießer der Stiftungsgüter waren, eine gute Basis für die Versorgung von jüngeren Söhnen und unverheirateten Töchtern Adeliger. Diese trugen ihrerseits adelige Lebensart in Domkapitel, Stifte und Klöster. Adelige Frömmigkeit hielt sich jedoch nicht nur an das Prinzip „do ut des“ (ich gebe, damit du gibst). Manchmal veranlasste Buße für eine schwere Sünde, einen unangemessenen militärischen Zugriff oder eine krasse Ungerechtigkeit Adelige, Kapellen mit Ewigem Licht auszustatten, Spitäler zu unterstützen oder regelmäßige Almosenvergabe zu spenden.
Kirchliche Stiftungen kamen vielerorts dem liturgischen und musikalischen Leben zugute. Wo eine kunstvolle musikalische Ausstattung der gestifteten Riten vorgesehen war, konnte das mit der Stiftung versprochene Einkommen gleichzeitig bei der Finanzierung musikalischer Ensembles helfen, wie es z. B. in der Nordtiroler Waldauf-Stiftung der Fall war (D. » The Waldauf foundation).
[1] Schreiner 1992b, 1–13.
[2] Schreiner 1992b, 13–26; 27–41.
[3] Machilek 1992, 157–189.
[5] Rubin 1992, 309–318.
[6] Hofmeister-Winter 2001, 347–350, fol. 131v–132v.
[7] Ein Fronleichnamsspiel steht in der „Neustifter-Innsbrucker Spielhandschrift“ des Augustiner-Chorherrenstifts Neustift (» A-Iu Cod. 960, fol. 51r–59r); vgl. Thurnher/Neuhauser 1975. Allerdings wurde diese aus Thüringen stammende Handschrift in Tirol nicht praktisch verwendet.
[8] Brückner 1992, 18.
[9] Hofmeister-Winter 2001, 317, fol. 115v.
[10] Hofmeister-Winter 2001, 319, fol. 117r. Diese wohl realistische Befürchtung hat inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem Salzburger Spottlied „Die Pinzgauer wollten wallfahrten gehn; sie täten gerne singen, sie konntens nit gar schön“ (um 1800 entstanden).
[11] Hofmeister-Winter 2001, 317, fol. 116r.
[12] Hofmeister-Winter 2001, 304–311, fol. 109r–112v.
[13] Hofmeister-Winter 2001, 309, fol. 111v/112r.
[14] Hofmeister-Winter 2001, S. 307, fol. 110v.
[16] Stürz 1978, 43–60.
[17] Ohler 1986, 282–298.
[18] Schwob 2007, 66–68.
[19] Schwob/Schwob 1999-2013, Nr. 233.
[20] Schwob 2009, 17–28.
[21] Schwob/Schwob 1999–2013, Nr. 163.
[22] Schwob/Schwob 1999–2013, Nr. 377.
[23] Hochenegg 1984, Listen, passim.
[24] Bestände im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Südtiroler Landesarchiv Bozen, Diözesanarchiv Brixen.
[25] Schwob 1989, 291–326.
[26] Hochenegg 1984, 226–227.
[27] Pfarr- und Dekanatsarchiv Bruneck, Or. Perg. Urk. 1431 Oktober 2.
[28] Sinnacher 1830, 486–487.
[29] Angenendt 1997, 77–79.
[30] Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, FB 32040.
[31] Wielander 1959, 3–88, Zitate; 86, 3.
[32] Bibliothek des Priesterseminars Brixen, Cod. F/5 (149).
[33] Spicker 2007, 86–118.
[34] Andergassen 2011, 77–79.