Wallfahrer und Pilger
Die Wallfahrt als von der Kirche empfohlene, von spätmittelalterlichen Klerikern und Laien bis zum Exzess betriebene Andachtsübung ist ein komplexes Phänomen. Am Anfang standen der Besuch der heiligen Stätten in Palästina und die Kreuzzüge als „kriegerische Wallfahrten“. Das Jahrhunderte lang unzugängliche, später nur unter großen Opfern erreichbare Jerusalem blieb stets das eigentliche und vornehmste Pilgerziel, doch gaben sich die Frommen auch mit Apostelgräbern in Rom und Santiago de Compostela, mit Nachbauten des Heiligen Grabes, Aufbewahrungsorten von Heilig-Kreuzpartikeln und Wunder wirkenden Reliquien von Heiligen, mit Standorten von Hostienwundern und Marienerscheinungen, etwa dem steirischen Mariazell, als Ziel ihres frommen Unterwegsseins zufrieden. Die Kirche unterstützte das Wallfahrtswesen durch Übernahme der liturgischen Feiern am Beginn und Ziel der Wallfahrten, durch Gewährung von Ablässen und Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur. Gleichzeitig haben sich skeptische Prediger und um die Moral ihrer Pfarrkinder besorgte Geistliche immer wieder gegen das „Wallen“ als allzu veräußerlichte Form der Frömmigkeit und gegen das weltliche Treiben beim concursus populi gewandt. „Wallen“ heißt „gemeinsam hin- und herlaufen“, wobei „prozessionaliter gehen“ nahe lag. Deshalb sind kaum Grenzen zwischen Prozessionen, Kirchfahrten und Wallfahrten auszumachen. Einzig die Fernwallfahrt lässt sich wegen des Aufwands an Zeit und finanziellen Mitteln sowie der Überwindung großer Strecken zumindest im Ansatz von der gängigen Wallfahrt unterscheiden. Ein Ingolstädter Gegenreformator schrieb 1583, dass „es ein Ding sey, ein Bittfart, Wallfart, Bilgerfart, Creutzgang, Process und Umbgang“.[8]
[8] Brückner 1992, 18.
[1] Schreiner 1992b, 1–13.
[2] Schreiner 1992b, 13–26; 27–41.
[3] Machilek 1992, 157–189.
[5] Rubin 1992, 309–318.
[6] Hofmeister-Winter 2001, 347–350, fol. 131v–132v.
[7] Ein Fronleichnamsspiel steht in der „Neustifter-Innsbrucker Spielhandschrift“ des Augustiner-Chorherrenstifts Neustift (» A-Iu Cod. 960, fol. 51r–59r); vgl. Thurnher/Neuhauser 1975. Allerdings wurde diese aus Thüringen stammende Handschrift in Tirol nicht praktisch verwendet.
[8] Brückner 1992, 18.
[9] Hofmeister-Winter 2001, 317, fol. 115v.
[10] Hofmeister-Winter 2001, 319, fol. 117r. Diese wohl realistische Befürchtung hat inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem Salzburger Spottlied „Die Pinzgauer wollten wallfahrten gehn; sie täten gerne singen, sie konntens nit gar schön“ (um 1800 entstanden).
[11] Hofmeister-Winter 2001, 317, fol. 116r.
[12] Hofmeister-Winter 2001, 304–311, fol. 109r–112v.
[13] Hofmeister-Winter 2001, 309, fol. 111v/112r.
[14] Hofmeister-Winter 2001, S. 307, fol. 110v.
[16] Stürz 1978, 43–60.
[17] Ohler 1986, 282–298.
[18] Schwob 2007, 66–68.
[19] Schwob/Schwob 1999-2013, Nr. 233.
[20] Schwob 2009, 17–28.
[21] Schwob/Schwob 1999–2013, Nr. 163.
[22] Schwob/Schwob 1999–2013, Nr. 377.
[23] Hochenegg 1984, Listen, passim.
[24] Bestände im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Südtiroler Landesarchiv Bozen, Diözesanarchiv Brixen.
[25] Schwob 1989, 291–326.
[26] Hochenegg 1984, 226–227.
[27] Pfarr- und Dekanatsarchiv Bruneck, Or. Perg. Urk. 1431 Oktober 2.
[28] Sinnacher 1830, 486–487.
[29] Angenendt 1997, 77–79.
[30] Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, FB 32040.
[31] Wielander 1959, 3–88, Zitate; 86, 3.
[32] Bibliothek des Priesterseminars Brixen, Cod. F/5 (149).
[33] Spicker 2007, 86–118.
[34] Andergassen 2011, 77–79.