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Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Maximilian 1485/86: Wiedersehen – Königswahl – Reise in die Niederlande

Birgit Lodes

Über die lang ersehnte und von Maximilian und seinem Hof äußerst sorgfältig vorbereitete Königskrönung sind wir durch die Chronik des burgundischen Hofsekretärs Jean Molinet gut unterrichtet. Sie wurde schließlich zu einem der glanzvollsten Momente in Maximilians Leben. Bereits im Herbst 1485 wurde mit den äußerst aufwändigen Reisevorbereitungen begonnen.[9]

Maximilian hatte seinen Vater, Kaiser Friedrich III., seit seinem Weggang in die Niederlande, also seit acht Jahren, nicht mehr gesehen. Die seitdem erste Begegnung der beiden Herrscher und ihrer Kapellen fand in Aachen statt: Maximilian traf dort am 12. Dezember, Friedrich III. am 22. Dezember 1485 ein. Man feierte das Weihnachtsfest mit mehreren Messen im Aachener Mariendom und besichtigte die Heiligtümer der Kirche.[10]

 

Abb. Das Münster von Aachen

Abb. Das Münster von Aachen

Architekturskizze des Aachener Münsters von Albrecht Dürer aus dem sogenannten Silberstiftskizzenbuch, das während seiner Reise in die Niederlande entstand. Dürer erlebte in Aachen am 23. Oktober 1520 die Königskrönung Karls V.

(British Museum, Department of Prints and Drawings. © Wikimedia Commons.)

 

Mit dem Aachener Mariendom (»Abb. Das Münster von Aachen) hatte man für das inszenierte Wiedersehen einen spirituell wie politisch höchst bedeutungsvollen Ort gewählt. Der Mariendom war zum einen eines der größten Pilgerzentren der Zeit: Unter den herausragenden Reliquien befanden sich nicht zuletzt das Kleid, das Maria angeblich bei der Geburt Christi getragen hatte, und die Windeln des Jesuskindes.[11] Das Lied Hilf, Frau von Ach (» Abb. Hilf, Frau von Ach), das in das Repertoire der maximilianischen Hofkapelle gehört,[12] spiegelt diesen Kontext: Der „arme Sünder“ ruft hier die Heilige Mutter Gottes von Aachen („Ach“) an. Das homorhythmische, von Pausen durchsetzte Deklamieren aller Stimmen am Schluss „[Gnad mir nit] spar || und nimm mein wahr || Frau, durch dein sieben Schmerzen“ erinnert an ähnlich eindringliche musikalische Gesten in anderen Liedern aus der zeitgenössischen Frömmigkeitspraxis, wie etwa in Maria zart (» Hörbsp. ♫ Maria zart).

 

 

Zudem war der unter Karl dem Großen gebaute Dom zu Aachen der traditionelle Ort der Königskrönungen im Heiligen Römischen Reich. Insofern war der Ort des Treffens zutiefst symbolisch: Erst seit kurzem (ca. Oktober/November 1485) hatte sich Kaiser Friedrich III. angesichts der prekären politischen Situation im Reich dazu entschlossen, bereits zu seinen Lebzeiten seinem Sohn Maximilian zur Königswürde zu verhelfen – was Maximilian selbst schon seit Jahren angestrebt hatte.[13]

Epiphanias (6. Januar, Dreikönigstag) feierte man, wiederum symbolträchtig, in Köln, dem Ort der Verehrung der Gebeine der Heiligen Drei Könige. Am 16. Februar 1486 wurde Maximilian dann von den Kurfürsten am Reichstag in Frankfurt endlich zum König gewählt – wodurch er gleichzeitig als vorgesehener Nachfolger im Kaisertum bestätigt wurde; es folgte die symbolische Altarsetzung.[14]

Nach dem Osterfest reiste der Tross zurück nach Aachen, wo ein ausnehmend prunkvoller Adventus (Einzug in die Stadt) inszeniert wurde. Dabei begleiteten neben der Gruppe der Ordensgeistlichen und Aachener Bürger mit ihren „Achhörnern“ unter anderem auch Trompeter und Pauker die unter einem Baldachin getragene Karlsreliquie.[15] Die feierliche Krönungszeremonie im Aachener Mariendom bzw. der Pfalzkapelle Kaiser Karls des Großen fand am 9. April 1486 statt; am Folgetag wurden Maximilian und Friedrich dort – wie bereits zu Weihnachten 1485 – zudem außertourlich die Reliquien gezeigt.[16]

Doch damit war den seit Monaten anhaltenden festlichen Zeremonien, Empfängen und aufwendig gestalteten religiösen Feiern immer noch kein Ende gesetzt. Ab dem 20. Juli bis zum 16. Oktober 1486 reiste der frisch gekrönte König Maximilian mit seinem Vater und seinem Sohn Erzherzog Philipp mitsamt ihren drei Hofstaaten (und wohl auch den Kapellen) auf Kosten Maximilians durch die niederländischen Städte und Provinzen. Sie verweilten längere Zeit in Leuven, Brüssel, Gent und Brügge (1.–13. August), wo ihnen ein triumphaler Empfang zuteil wurde;[17] zudem folgten (nach mehrfachen kurzen Trennungen, da Maximilian ins südliche Kriegsgebiet ziehen musste) Aufenthalte in Lille und Antwerpen. Die Gegenwart des Kaisers beförderte das Ansehen Maximilians in den Niederlanden erheblich und fungierte gleichzeitig als Machtdemonstration gegen den Kriegsgegner Frankreich.[18] Die Kosten für die äußerst aufwendig inszenierte Krönungsreise, die insgesamt fast ein Jahr lang dauerte, waren immens.

[9] Siehe die Schilderungen bei Molinet 1935–1937, Bd. 1, 469–471; vgl. Cuyler 1973, 32–35.

[10] Molinet 1935–1937,  Bd. 1, 474.

[11] Scholten 1993.

[12] Das Lied ist in zwei zeitgenössischen Quellen überliefert, die beide Repertoire vom Hofe Maximilians widerspiegeln (» B. Lieder 1450–1520, Kap. Aufschwung der Liedkunst unter Maximilian I.» B. Lieder 1450–1520, Kap. Liederdrucke): in » D-As Cod. 2° 142a (fol. 69v–70r; das Tenor-Inzipit der sonst textlosen Aufzeichnung lautet „hilff fraw von Ach“) und im Liederbuch » Aus sonderer künstlicher art… (Augsburg: Erhard Oeglin 1512), wo das Lied nach dem Mariengruß Dich mütter gottes rüff wir an an zweiter Stelle steht.

[13] Wolf 2005, 98–102. Friedrich verlegte dafür den ursprünglich für Dezember 1485 in Würzburg geplanten Reichstag auf den Januar in Frankfurt am Main.

[14] Zur Königswahl Maximilians siehe ausführlich Wolf 2005, 100–122, hier bes. 115 f. Bei der Zeremonie der Altarsetzung wurde der neu gewählte König in der Tat auf den Altar, den Thron Christi, gesetzt; dazu ausführlich Bojcov 2007, 243–314: „Die Altarsetzung […] war Teil der Wahlprozedur und war am besten dazu geeignet, einen aus dem Kreis der mehr oder weniger Gleichen auszusondern und über sie [zu] erheben.“ (Bojcov 2007, 292).

[15] Dazu Schenk 2003, 307–313, 336–338; vgl. auch » D. Fürsten und Diplomaten auf Reisen.

[16] Molinet 1935–1937, Bd. 1, 474 und 511. – Die Aachener Heiltum-Wallfahrt fand üblicherweise alle sieben Jahre statt.

[17] Custis 1765, 68 f.; vgl auch Wolf 2005, 191–200.

[18] Wolf 2005, 197.