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Musiktheorie im österreichischen Raum

Alexander Rausch

Im hier zu behandelnden Zeitraum ist in der österreichischen Region eine breite Rezeption „klassischer“ Autoren wie Guido d’Arezzo oder Johannes de Muris zu konstatieren, während eine innovative Eigenproduktion (wie noch bei Engelbert von Admont, dessen umfangreicher Traktat vor 1320 entstand) weitgehend zurücktritt. [1] Nur wenige hierzulande entstandene Texte können einem namentlich bekannten Autor zugewiesen werden, wie ein Choraltraktat, für den der Melker Prior Thomas von Baden verantwortlich sein dürfte[2], oder ein Tonar, als dessen Kompilator Rudolf Volkhart von Häringen identifiziert werden kann (vgl. Kap. Zwischenstation Wiener Universität). Das Fehlen innovativer Ansätze hängt nicht zuletzt mit dem Bedarf an pädagogischen Texten zusammen, der etwa an Klosterschulen gegeben war: Spitzfindige Diskussionen über Einführung und Gebrauch der Semiminima waren in den meisten Regionen fehl am Platz, wenn überhaupt nur in lokalen Zentren wie dem Stift Melk – mit seiner Nähe zur Universität Wien – vorstellbar. Vor diesem Hintergrund lassen sich spezifische Rezeptionsweisen erkennen, die sich entweder in den zentraleuropäischen Kontext einfügen oder eher eine süddeutsch-österreichische Kerntradition repräsentieren.

[1] Für einen Überblick, der auch einige Beziehungen zur Musiktheorie impliziert, vgl. Ward 2001.

[2] Vgl. Rausch 2001b, 77–95 (mit Edition aus A-M Cod. 1099).